Fink - Bloom Innocent (2019)

Reduziert auf das Wesentliche: Fink erschafft mit „Bloom Innocent“ unaufdringliche Töne von inniger Anmut, bezaubernder Schönheit und attraktiver Beweglichkeit.

Ist es Zufall, Kalkül oder magische Fügung, dass sich auf dem Cover der neuen Fink-Platte ein einzelner Baum befindet, der ähnlich einnehmend wie der auf „Spirit Of Eden“ (1988) von Talk Talk erscheint? Das ist deshalb so bemerkenswert, weil beide Werke vergleichbare musikalische Inhalte aufweisen: Meditative Einkehr, eine weniger-ist-mehr-Philosophie, eine unorthodoxe Vorgehensweise, brennende Intensität, Liebe zum Detail, stilistische Unabhängigkeit und kompromisslose Sinnsuche. Finian Paul Greenall, der Mann, der das Projekt Fink organisiert, hat sich seit 2000 vom Folktronic-Artist und Blues-Liebhaber zum kunstvollen, ehrgeizigen Singer-Songwriter entwickelt und „Bloom Innocent“ ist die derzeitige Krönung dieser Metamorphose, die ihn als voll ausgereiften, eigenständigen Künstler ausweist.
Der Track „Bloom Innocent“ ist zerbrechlich und nutzt den Raum für Signale, die Isolation, aber auch pulsierendes Leben aussenden. Die Musik orientiert sich damit an Strukturen, die Folk-Jazz mit Trance-Krautrock verbinden. 
Ruhiger, verwehter, psychedelischer Country-Folk prägt das Gesicht von „We Watch The Stars“ und lässt das Stück sensibel, aber auch risikofreudig nach seiner Bestimmung suchen. 
Durch ein standhaftes Schlagzeug verliert „Once You Get A Taste“ seine Unschuld. Das Lied wird außerdem sanft von hallenden Stimmen eingewickelt, von einem klapprigen Banjo geerdet und durch ein dezentes Piano freundschaftlich begleitet. Der später einsetzende raumfüllende Bass und die Gitarre, die elektrische Kondensstreifen erzeugt, sorgen mit Hilfe von schmückenden, feinnervigen Electronics nach und nach für zusätzliche Stabilität und Kraft.
Rituelle Trommeln geben den unnachgiebigen, fordernden Takt bei „Out Loud“ vor. Trotz dieser belebenden Wirkung bleibt der Song besonnen und trägt eine nachdenklich-traurige Grundstimmung in sich. 
Das langsame, spirituell anmutende „That’s How I See You Now“ verströmt asiatisches Feingefühl und eine erfahrene Meditations-Kultur, hält sich aber die Tür zur westlichen Alternative-Rock-Szene mit Blick auf The Cure und Radiohead durch aufkeimende stoische Unruhe offen. Der anregend-intelligente Minimalismus von Steve Reich spielt als Eingebung bei „I Just Want A Yes“ eine große Rolle, denn der Track scheint sich zunächst rhythmisch kaum zu bewegen, findet aber Gefallen daran, ständig lauter, farbiger und ungeduldiger zu werden. Dieser Zustand entlädt sich in einem freien Schlagzeugspiel, das die Harmonie angreift, jedoch nicht gänzlich verdrängen kann. „Rocking Chair“ hört sich zunächst wie die Probe eines Kammerorchesters an. Wenn dann die Stimmen einsetzen, die an Gregorianische Gesänge erinnern, aber formelhafter und beschwörender angewendet werden, entsteht eine Atmosphäre voll von geistiger Versunkenheit. Das sich anschließende „My Love`s Already There“ schöpft dann als ein besinnliches, gleichförmig ablaufendes Lied seine Stärke aus dem hingebungsvollen Gesang von Fin Greenall.
Der aus Cornwall stammende Musiker lebt und arbeitet seit 2014 in Berlin. Durch eine Radio-Show, die er auf „KCRW Berlin“ zusammen mit Sven Fortmann betreibt, lernte er Musik kennen, die ihn zu „Bloom Innocent“ inspirierte. Dazu gehörten die australischen Psychedeliker von King Gizzard And The Lizard Wizard und der Singer-Songwriter Ben Howard mit seinem letzten Werk „Noonday Dream“ von 2018. Bei einem Urlaub auf Jamaika reifte zusätzlich die Erkenntnis, dass das Erzeugen von berauschend schönen Klanglandschaften, die nicht an ein zeitliches Limit für Radiotauglichkeit gebunden sind, ein Ziel für das neue Album sein sollten. Produzent Flood (Nick CaveDepeche ModeU2) übernahm nach „Resurgam“ (2017) wieder die Regie und agierte sowohl als Mentor wie auch als Sound-Designer. Er schuf einen Klang, der sowohl plastisch, wie auch luftig und organisch ist. Die Instrumente bekommen den Platz, den sie brauchen, um ihre Mission zu erfüllen: Je nachdem, ob sie für Antrieb, Einkehr oder Flow sorgen sollen.
Finian Paul Greenall hat als unabhängiger Künstler mit „Bloom Innocent“ eine Platte aufnehmen wollen, die wenige Kompromisse zulässt. Deswegen sind alle Tracks zwischen sechs und acht Minuten lang und Anbiederungen an Trends sowie stilistische Vorgaben sucht man vergebens. Natürliche Klänge bekamen den Vorzug vor elektronischer Musik und die Songs wurden in einen weitläufigen Sound eingebettet, der sowohl verinnerlichte, wie auch impulsive, anspornende Klänge transparent abbildet. Die Musik wirkt trotzdem in sich geschlossen und qualitativ einheitlich und hochwertig. Mit Hingabe sind betörend-anmutige, faszinierend-verführerische Klänge konzipiert worden, die innerhalb des Gesamtkunstwerkes oft eine hinreißend verzaubernde Atmosphäre erzeugen.
Erstveröffentlichung dieser Rezension: Fink - Bloom Innocent

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