JW Francis - Dream House

"Dream House" enthält 12 gesungene Liebesbezeugungen an Menschen, die JW Francis über seine Fans kennengelernt hat.

Das Projekt "Dream House" des New Yorker Singer-Songwriters JW Francis ist schon 3 Jahre alt und spricht für den freundlichen Charakter des Alternative-Pop-Musikers. Ab damals schaltete er jedes Jahr sechs Wochen vor dem Valentinstag in sozialen Netzwerken eine Anzeige. Man möge ihm den Namen seines Lieblingsmenschen und den Grund der Liebe nennen, dann würde er für diese Person einen Song verfassen. 
Credit: Meg McConville

Bei dieser Aktion gingen im Laufe der Jahre über 300 Anfragen ein und alle Songs auf "Dream House" stammen aus diesen Auftragsarbeiten. "...einige wurden überarbeitet, um mehr aus dem Leben des Künstlers zu erzählen, andere sind genauso geblieben, wie sie ursprünglich geschrieben wurden. Letztendlich ist dies ein Album über die Sorge um andere und die Art und Weise, wie wir sie ausdrücken", erklärt JW Francis das Konzept des Werkes.

Man muss nicht unbedingt alles tierisch ernst nehmen und kann trotzdem ernstzunehmende Pop-Musik produzieren. Dieses Motto passt zu JW Francis, der für "Dream House" 12 Songs aufgenommen hat, die manchmal auch eine humorig-unbekümmerte Komponente transportieren, ohne dabei albern zu sein. Eine Fähigkeit, die auch Jonathan Richman famos umsetzen konnte. Ein treffender Beleg für diese Fusions-Leistung ist "Going Home To A Party". Der Track versprüht eine fröhliche Ausgelassenheit, ist aber gleichzeitig raffiniert-vertrackt aufgebaut, so dass der vergnügte Optimismus nicht in dumpfe Albernheit umschlägt. Diese Balance muss man erst einmal hinbekommen!
Der monoton vorwärts peitschende Rhythmus, der schnoddrige Gesang und die lebhaften Gitarren können nicht darüber hinwegtäuschen, dass "Casino" einen ernsten, problembehafteten Inhalt transportiert. Der Protagonist ist verzweifelt: "Ich brauche die Welt, viel mehr als irgendjemand mich in ihr braucht", gibt er zu Protokoll. Wie kommt er darauf? "Ich bin in einem leeren, dunklen Casino verschwunden. Ich verspielte alles...Und niemand weiß, dass ich immer noch pleite bin und Versprechen breche", gibt er zu und erzählt näselnd, wie leicht angetrunken, von seiner Seelenqual. Die Musik fungiert dazu als zweckoptimistischer Halt und erfüllt diese Funktion ausgezeichnet.
Wenn das kein Liebesbeweis ist! Den Goldschatz, der im "Dream House" versteckt ist, würde der Verehrer für eine Umarmung seiner Liebsten eintauschen. Die genüsslich ausschweifend arrangierte Ballade wartet mit einem Stimmungsbild auf, das genauso berauschend wie berührend ist.
Der Gesang und der Ablauf von "Our Story" klingt, als ob eine Fusion aus Lou Reed und Bob Dylan angestrebt werden sollte. Aber soll es eine Hommage oder eine witzig gemeinte Parodie sein, das ist hier die Frage. Musikalisch handelt es sich um einen hypnotischen Folk-Pop mit Hang zu oft wiederkehrenden Abläufen.
"Swooning" hört sich gar nicht nach Ohnmacht, sondern eher nach Ekstase an. Vielleicht ist die Ekstase in diesem Fall die Vorstufe zum Zusammenbruch. Der Track macht jedenfalls ordentlich Tempo und verarbeitet knackige Rockabilly-, tanzbare Disco- und stoische New Wave-Takte (einschließlich fiepsender Billig-Synthesizer-Töne), so dass ein stürmisch-rockender Cocktail entsteht.
"Keep It Cool, Steve" ist ähnlich flott wie "Swooning" unterwegs und wirkt fast schon hektisch. Klackende, klatschende und stampfende Rhythmen treiben das Stück an und bei aller dadurch verursachten Nervosität versucht die Stimme lässig zu bleiben. Es wird ein akustisches Roadmovie abgebildet, bei dem zwei Männer auf der Flucht sind. Geschwindigkeit, Adrenalin und gespielte Coolness sind dabei die Hauptzutaten.
Das schwül-erotische "All Night Long" wurde betont öde, gleichförmig und minimalistisch gestaltet und besteht nur aus der Zeile "All Night Long".
Welch schöne Vorstellung, die in "Dream Big" geäußert wird: "Was wäre, wenn jeder die gleichen Träume hätte. Jede Nacht und wir könnten sie am Morgen besprechen." Vielleicht würde diese Übereinstimmung die Menschen näher zusammenbringen, sowie Hass und Streit verringern. Es gäbe dann schließlich eine Wahrnehmung, die uns alle verbindet. Eine Utopie, natürlich. Aber eben auch ein reizvoller Gedanke. In diesem exotischen Pop-Sound spielt eine Gitarre, die an den schwirrenden Sound von Hawaii angelehnt ist und deshalb Leichtigkeit vermittelt, eine Hauptrolle. 
In "I Wanna Be Your Basketball" befinden sich Bestandteile vom sonnigen kalifornischen Pop und von scharfer New Wave, was zu einem frischem, aber auch gefühlvollen Sound führt. Der Song hält stur und hartnäckig seinen impulsiven Takt, bemüht sich aber gleichzeitig um einen angenehmen Ablauf. Es lebe der bereichernde Kontrast!
Man stelle sich folgende Situation vor: Jack Johnson und Damon Albarn (Blur, The Good, The Bad & The Queen, Gorillaz) schreiben gemeinsam Songs. Entspannt-sonniger Folk träfe dann eventuell auf raffiniert getakteten Afro-Pop. So in etwa hören sich nämlich "Take Me Away" 
und "You’re Changing" an.
Minimal-Art-Bubblegum-Pop ist ein Etikett, das auf "Sweet As A Rose" passt. Ein gleichartiger Rhythmus und eine gefällige Melodie finden hier nämlich munter zueinander.

Die Auftragskompositionen für "Dream House" ergeben ein Album, das von der positiven Ausstrahlung ihres Schöpfers lebt. Fast alle Lieder verfügen über eine erfrischende, zuversichtlich gestimmte Basis, über die JW Francis seine gesanglichen Beiträge ausbreitet, die melancholisch, fröhlich oder nüchtern-sachlich ausgerichtet sein können. Dieses Zusammenspiel erfolgt nahtlos, ohne Brüche oder unstimmige Verrenkungen. Es kommt auf erstaunliche Weise im richtigen Verhältnis zueinander, was zusammengehören soll. Den Kitt dafür bilden die soliden, am kultivierten Pop geschulten Kompositionen, bei denen in der Regel zuerst die Musik und dann erst der Text vorhanden ist. JW Francis, der seine Musik als "lofi jangle dream slacker bedroom pop" bezeichnet, ist ein kundiger Musiker mit einem untrüglichen Gespür für Songs, die sowohl originell wie auch gefällig sind. Und das ist eine schwierige Gratwanderung.

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