Jahresbestenliste 2022

Hier ist er nun, der subjektive, nicht repräsentative Jahresüberblick, der dieses Mal keine Rangfolgen enthält, sondern dafür Gedanken zum Zeitgeschehen einschließt, die LOST & FOUND: MUSIK OHNE GRENZEN mit den Klängen des Jahres verbindet. Assoziationen, Erklärungen und Verknüpfungen, aus denen sich letztlich auch die jeweilige Relevanz der betrachteten Tonträger ergibt. Das bietet Einblicke in die Zusammenhänge der Entstehung der Rezensionen, wenn man so will.

Leider gab es auch 2022 nach der furiosen Tournee aus 2019 keine Wiedervereinigung von Blumfeld. Dafür aber ein frisches Solo-Album von Jochen Distelmeyer.
Der Titel "Gefühlte Wahrheiten" scheint für den Seelenzustand zu stehen, der viele Menschen aktuell bewegt: Es gibt zu den wichtigen Themen der Zeit zwar eine Meinung, häufig ist es aber nicht möglich, die Komplexität der Ereignisse vollständig zu durchdringen. Man blickt nicht mehr durch, hat aber trotzdem das Gefühl, alles im Griff zu haben. Deshalb versucht "Gefühlte Wahrheiten" auch nicht aufzuklären. Politische Themen sind nur selten relevant, stattdessen werden vielfältige Ausprägungen von Liebesbeziehungen beschrieben. Es gibt also kein Lied mit der entwaffnend analytischen Wirkung von "Die Diktatur der Angepassten", das LOST & FOUND: MUSIK OHNE GRENZEN für den stärksten deutschsprachigen Protest-Song aller Zeiten hält. Vielleicht sollte ja tatsächlich die Bereinigung des unmittelbaren persönlichen Umfelds vorgenommen werden, bevor die Rettung der Welt angestrebt wird. Eventuell strahlt "Gefühlte Wahrheiten" aufgrund dieser Erkenntnis so stark ins Private ab, weil es gilt, sich in diesen unruhigen Zeiten ein Refugium des Einklangs zu bewahren.

Nils Frahm wurde schon öfter bei LOST & FOUND: MUSIK OHNE GRENZEN gewürdigt. "Music For Animals
sprach mich nicht nur an, weil ich die Entwicklung des Künstlers weiter verfolgen wollte, sondern auch, weil ein Stück mit dem Namen "The Dog With 1000 Faces" drauf ist.
Im Februar ist nämlich Emil, ein damals achtwöchiger Cockapoo-Welpe bei uns eingezogen, der die Welt komplett auf den Kopf gestellt hat:
Die Erwartungshaltung, dass es doch nicht so schwierig sein könne, einen jungen Hund zu erziehen, ihn zu integrieren und zu einem bereichernden Aspekt des Lebens werden zu lassen, prallte knallhart auf die ernüchternde Realität von Hunde-Neulingen. Fehlende Erfahrung, mangelnde Geduld und Konsequenz konnten den Überschwang an Liebe und Zeit-Investition zunächst nicht ausgleichen. Hinzu kam die Unfähigkeit von 3 (!) Hundeschulen, für das Tier und den Menschen passende Trainingsanleitungen zu präsentieren. Denn der Schlüssel zum Erfolg ist wohl die richtige Hund-Mensch-Kommunikation. Auch die üblichen TV-Trainer waren keine Hilfe. Das kostete enorm viel Nerven, Geld und Zeit. Eine erfahrene Person aus der vierten Hundegruppe sagte irgendwann: "Jeder bekommt den Hund, den er benötigt." Mit dieser esoterisch-metaphysischen Aussage konnte ich lange nichts anfangen. Aber mit etwas Abstand erkannt ich, dass unser Emil auch mich erzieht: Zu mehr Gelassenheit, zu mehr Toleranz und dazu, kleine Glücksmomente im Leben wieder bewusster wahrzunehmen und dankbar anzunehmen. Bei den Bemühungen komme ich ganz nebenbei aus meiner Komfortzone raus, gehe nun bei jedem Wetter an die frische Luft und fange sogar an, daran Gefallen zu finden. Reinhard Mey drückt die eben angesprochenen Zusammenhänge in seinem Lied "Häng dein Herz nicht an einen Hund" so aus: "Der belügt dich nicht, betrügt dich nicht, führt dich nicht hinter' s Licht, hält dir nur erbarmungslos den Spiegel vor' s Gesicht. Der zeigt dir, welch ein finsterer Egoist, wie treulos, wie charakterlos, wie falsch du bist, kennt deine Schwächen, weiß um jede Blöße, verzeiht dir jeden Fußtritt, der hat wahre Größe." In der Hundeschule begegnet man zudem richtige Helden des Alltags: Menschen, die trotz teilweise heftigen Problemen mit ihrem Vierbeiner - der sogar aus dem Tierschutz stammen kann - nicht aufgeben und an ihn glauben, obwohl sie sich sichtlich mit der Erziehung quälen. Diese bewundernswerten Personen wählen nicht den einfachen, bequemen Weg, um wieder zur Ruhe zu kommen, sondern sie sind Kämpfer ohne Rücksicht auf Verluste. Alle Achtung! Emil ist inzwischen ein Jahr alt geworden und hat sich aufgrund seines freundlichen, liebenswerten, intelligenten Wesens prächtig entwickelt. Ich habe ihm "The Dog With 1000 Faces" vorgespielt. Er hat nicht darauf reagiert, obwohl er sonst Töne sehr aufmerksam und empfindsam wahrnimmt. Das schmälert den Wert dieses rhythmisch-meditativen Krautrock-Weltmusik-Zwitters aber in keiner Weise.

Was verbindet eigentlich die Alben "Oui" von Urge Overkill und "Terribly Good" von Skye Wallace miteinander?

Sie sind beide dazu geeignet, beim Hören die Gegenwart auszublenden und an vermeintlich bessere, vergangene Zeiten zu denken. Nicht weil sie etwa altmodisch, romantisch oder nostalgisch veranlagt sind, sondern weil sie aus Adrenalin, Testosteron, Koffein und Wasser aus dem Jungbrunnen zu bestehen scheinen. Sie regen die Produktion von Glückshormonen an, ohne dass sie durch Härte, Schnelligkeit oder Aggressivität von sich reden machen müssen. Das schaffen sie alleine nur dadurch, dass die beteiligten Musiker die Überholspur im Gepäck haben, das Leben in die Hände nehmen, sich ein Herz fassen und sich erfrischend-unbekümmert wie übermütig-pubertierende Teenager gebärden. Klare, dichte Strukturen, satte Riffs, griffige Melodien und Refrains, die sich in die Großhirnrinde einbrennen, machen Spaß und stimulieren Körper und Geist. Das ist eine mögliche und willkommene Definition davon, was Pop-Musik alles auslösen kann. Mehr davon! 

Im kommerziellen Massengeschäft läuft solch eine Mobilisierung von musikalischen Sozialisierungen ganz anders ab, wie das pompöse, mit einem aufwändigen medialen Spektakel an die Öffentlichkeit gebrachte "Comeback" von ABBA in Form des Albums "Voyage" zeigt. 
Das ist jedoch kein Triumpf der musikalischen Kreativität geworden, sondern nur die Demonstration einer technischen Meisterleistung. Es gibt zwar keine musikalischen Überraschungen, dafür Stimmen, die klingen, als wären sie keinen Tag älter geworden. Das ist unnatürlich, unnötig und ohne Seele. Statt der in die Jahre gekommenen Stars hüpfen bei Show-Veranstaltungen animierte "Abbatare" über die Bühne. Die Illusion zeigt ihre Wirkung, denn dadurch wird die Vergangenheit lebendig, die Täuschung ist gelungen. 
Credit: Johan Persson

Warum wollen manche Menschen betrogen werden und finden das dann auch noch schön? Kann sich der Mensch von Nostalgie ernähren oder braucht er nicht eher Wahrhaftigkeit, um zu gedeihen? 
Fazit: Ist es wirklich schon so schlimm um die akustische Wahrnehmung bestellt, dass ein ABBA-Revival als Sensation herhalten muss? Wer glaubt denn wirklich, dass sich die menschliche Stimme nach über 30 Jahren gar nicht verändert? Es ist also eher eine tontechnische Errungenschaft, so zu tun, als sei die Zeit stehen geblieben und nicht ein Pop-Musik-Highlight, wenn ein Sound geschaffen wird, der da anknüpft, wo die vier Schweden 1989 aufgehört haben. Pure Nostalgie wird verkauft, es gibt keine musikalische Weiterentwicklung. Und das über solch einen langen Zeitraum hinweg...

Welche alten Helden konnten 2022 wirklich ihre ganze Souveränität und Klasse ausspielen? Dazu gehörten Jeb Loy Nichols ("United States Of The Broken Hearted"), Kurt Wagner (Lambchop) ("The Bible") und Damien Jurado ("Reggae Film Star"). 

Drei Namen, drei unterschiedliche Ansätze, drei eigentümliche Charaktere. Aber auch drei wertbeständige Säulen, deren Basis bei jeder künstlerischen Bewegung stabil bleibt. Individuelle Sounds, eine hohe kreative Qualität und ein aktiver Forscherdrang zeichnen diese inspirierenden Künstler aus: Jeb Loy Nichols legte sein Album an das Konzept der "American Cosmic Music" von Gram Parsons an. Im Wesentlichen strebt er dabei die Verschmelzung von Country und Soul an. Kurt Wagner baut sein intim-wehmütiges Klang-Universum weiter aus und Damien Jurado bewegt sich freigeistig auf den Spuren von Nick Drake und Neil Young. Drei Methoden, die es Wert sind, sich mit dem Gesamtwerk der Musiker zu beschäftigen und deren Entwicklung zu genießen.
 
Der Jazz ist nicht tot, er riecht nur manchmal etwas muffig. Nicht so bei "Reflections" von Alina Bzhezhinska & HipHarpCollective oder bei "Solace" von Sendecki & Spiegel.
 
Ein geschmackvolles Traditionsbewusstsein und ein unangepasster Einfallsreichtum zeichnen beide Produktionen aus. Die Harfenistin Alina Bzhezhinska greift mit "Reflections" nach den Sternen und beschwört die Spiritualität, während der Pianist Vladyslav Sendecki und der Schlagzeuger Jürgen Spiegel bei ihrem musikalischen Ausflug "Solace" zu einer Person verschmelzen zu scheinen. Zwei unterschiedliche Ansätze führen in beiden Fällen zu hingebungsvollen, konzentriert-meditativen Ergebnissen. Virtuosität macht den Weg zur Weisheit frei, so scheint es.

LOST & FOUND: MUSIK OHNE GRENZEN mag es unangepasst und stellt sich in diesem Zusammenhang häufig die Frage, ob es heutzutage wirklich noch neue, völlig ohne Beziehung zu bestehenden Ideen hergestellte Pop-Musik geben kann. Oder ist alles schon mal dagewesen und bestenfalls sind unbekannte Fusionen von bekannten Stilen möglich? Aber auch 2022 gab es wieder Sounds, die zumindest ungewöhnlich klangen, sich dem Mainstream widersetzten und die Aufmerksamkeit der zuhörenden Menschen einforderten, um eine Chance zur Bewährung zu erhalten. Und ist es nicht oft so, dass grade die sperrigen, aber gut durchdachten und konzeptionell schlüssigen Alben nachhaltig überzeugen? Vielleicht gehören sie aufgrund ihrer Komplexität nicht unbedingt zu den meistgehörten, aber dafür hoch respektierten Werke. 

Björk, die Unangepasste, legt mit "Fossora" ein forderndes Album vor, genau wie die Organistin Sarah Davachi mit "Two Sisters". 
Beide Platten sind experimentell, originell, inspirierend und anstrengend. Aber die Auseinandersetzung mit den fremdartigen Tönen kann auch zu einer Erweiterung des persönlichen Klanghorizontes beitragen.

ACUA heben den Psychedelic-Pop mit "Is There More Past Or More Future" auf eine erfrischende, geistreich-spaßige Ebene und Simon Goff geht mit Katie Melua für "Aerial Objects" eine Verbindung ein, die eine alternative Perspektive in der Beziehung zwischen E- und U-Musik ermöglicht hat. Daniel Rossen kann nicht nur als Frontmann von Grizzly Bear überzeugen, sondern setzt auch als Solo-Performer mit "You Belong There" extravagante Duftmarken.

Auch Black Sea Dahu lassen sich in keine Schublade zwängen. Ihr "I Am My Mother" ist eine Platte über Empathie, Akzeptanz und die Kunst, die Schönheit im nie endenden Tanz zwischen dem Hässlichen und dem Erhabenen zu erkennen", wie die Gruppe hübsch und poetisch ihren Anspruch erklärt. 

Eine feierlich-herausfordernde Spiritualität, ausgelassen-belebende Party-Takte und eine sinnlich-begeisterte Pop-Sensibilität sorgen bei "Laurel Hell" von Mitski für eine Pop-Auffassung, die Nachdenklichkeit und Ausgelassenheit stilvoll fusioniert.

Das Septett Black Country, New Road aus London entzieht sich für ihr zweites Album "Ants From Up There" wieder jeglichen Kategorisierungsversuchen und begeistert grade deshalb durch ein hinreißend anregendes Klangabenteuer.
Es gibt sie also doch noch, die unangepassten Veröffentlichungen, die dem Mainstream ein Bein stellen und für frischen Wind im Pop-Getriebe sorgen. Vielleicht treten sie sogar einen neuen Trend los. Wer kann das schon verlässlich vorhersagen?

Eine gut gemachte Cover-Version eröffnet bisher unbekannte Dimensionen eines Songs und lässt ihn im besten Fall in einem unerwarteten Licht erstrahlen. The Brother Brothers lösen diese Aufgabe bei "Cover To Cover" einfach dadurch, dass sie die Vorlagen souverän mit intimer Schönheit fluten und somit eine unwiderstehliche, reine, herzerwärmende Harmonie herstellen. 
Die Sängerin, Komponistin, Schauspielerin und Dramaturgin Somi widmet sich mit "Zenzile: The Reimagination Of Miriam Makeba" dem Werk einer musikalischen und politisch aktiven Institution aus Afrika und hält auf ihre Art das Erbe von Miriam Makeba lebendig. Die Interpretationen sind von Respekt durchdrungen, lassen die Ausdruckskraft der Originale aber in einem erstaunlich ungewohnten Licht erstrahlen. Das führt zu einer nostalgiefreien Betrachtung mit eigenem Charakter.

Sensible Menschen hören häufig introvertierte Songs, weil die ihre seelische Verfassung gut widerspiegeln und sie sich darin verlieren können. Das tut gut. Das Duo Sorry Gilberto aus Berlin entwirft mit "Psychoactive Ghosts" einen lebendigen psychedelischen Pop und Folk der Extraklasse. Sie gehen dabei mal rhythmisch aktiv, mal filigran, aber immer intelligent und einfühlsam zu Werke, so dass sie sich unaufdringlich, sympathisch und überzeugend ihrer Hörergemeinschaft nähern.

Brookln Dekker nutzt Freundlichkeit als Mittel, um mit der verwirrenden Realität fertig zu werden. Das hat schon bei seinem Projekt Rue Royale, das er zusammen mit seiner Frau Ruth betreibt, gut geklappt und wird nun noch bei "I Won`t Be Your Foe" auf eine höhere Erkenntnisebene, die Verbundenheit über alles stellt, gehievt.

Die in New York lebende Sängerin, Komponistin und Keyboarderin Michelle Willis stellt ihr Talent gerne in den Dienst von Kolleginnen und Kollegen wie Becca Stevens oder David Crosby. "Just One Voice" ist ihr zweites eigenes Werk, das sie als enorm starke Vokalistin, brillante Song-Schmiedin und gewiefte Arrangeurin ausweist und auf dem sie reif, ideenreich und bedeutend klingt. Zum dahinschmelzen, schwelgen und abtauchen in klangliches Wohlbefinden.
Das Duo Albert Luxus aus Köln besteht aus den Feingeistern Matthias Albert Sänger (Sänger (!) und Multiinstrumentalist) sowie Andreas Kiwitt (Schlagzeug), die für "YinYin" einen edlen, eleganten Sound entwickelt haben, der sich dem anspruchsvollen Singer-Songwriter- und Chanson-Pop-Umfeld zuordnen lässt. Heraus kommen erlesene Songs, die eine reizvoll-bekömmliche Prägung erhalten haben.

Mild gestimmte Pop-Musik ohne süßlichen Zuckerguss zu produzieren ist eine Kunst, die von Sorry Gilberto, Brookln Dekker, Michelle Willis und Albert Luxus vortrefflich beherrscht wird. Das ist Balsam für geschundene Seelen!

Rock & Roll und Punk besitzen ein aufrührerisches Potential und vermitteln im besten Fall eine immense Intensität, die den Status Quo der jeweiligen Musik-Szene durch ihre Einflussnahme umkrempelt. Beide Stile werden regelmäßig für tot erklärt, aber Totgesagte leben ja bekanntlich länger... Da Aufruhr auch Provokation bedeutet, sind Porridge Radio aus Brighton mit ihrem "Waterslide, Diving Board, Ladder To The Sky" ganz weit vorne im Wut- und Leid-Ranking. Ihre Sängerin und Komponistin Dana Margolin hat herbe Enttäuschungen und starke Ängste erlebt und versucht diese tiefgreifenden Gefühle mit Hilfe von Musik zu verarbeiten. Dabei entsteht ein störrischer Alternative-Rock, der sich zwar nicht unbedingt nach klassischem Punk anhört, aber dessen Aggressions- und Frustrations-Potential erreicht. Das wird so drastisch und schneidend rübergebracht, dass es förmlich wehtut.

Die Groove-Entdeckung des Jahres kommt von der französischen Formation Blow und heißt "Shake The Disease". Leider hat sich die Gruppe jedoch direkt nach der Veröffentlichung aufgelöst, so dass dieses hoffnungsvolle Kapitel schon wieder zu Ende ist. Ok, eigentlich soll man ja aufhören, wenn es am schönsten ist. In diesem Fall ist das aber sehr schade, dass es so gelaufen ist. Denn das Album kann nicht nur als Spaß-Verstärker herangezogen werden, es funktioniert auch prächtig als aktivierender Alltagsbegleiter.

Die kulturelle Sensation von 2022 ist jedoch ohne Zweifel das Buch "Songs To Remember Vol.2" von Günter Ramsauer. Beschreibungen wie "Das Leben als Mixtape" oder "Wirklichkeitsnahe Pop-Literatur" beschreiben dieses plastische Lese-Vergnügen nur unzureichend.
LOST & FOUND: MUSIK OHNE GRENZEN schrieb dazu: „Songs To Remember Vol. 2“ ist eine Reise in die Vergangenheit, ein Plädoyer an die Ehrlichkeit und die Aufrichtigkeit. Die Abläufe zeigen darüber hinaus auch im Scheitern der handelnden Hauptperson Größe. Das Buch ist eine Würdigung an die Macht der Musik, ebenfalls zeigt es eine Verehrung für die Poesie der Sprache und feiert das Leben in all seinen Ausprägungen. Die Geschichten bilden ein buntes emotionales Menü, das fein abgeschmeckt und auf wesentliche Inhalte konzentriert wurde. Pop-Literatur aus Sicht eines mal lebenshungrigen, mal enttäuschten Musik-Nerds, der gerne literarische und persönliche Erfahrungen miteinander verknüpft und dabei nicht nur aus Schaden, sondern auch aus Einsicht klug wird. Ein tragfähiges Konzept, das gerne auch auf einen dritten Teil übertragen werden darf!

Dass ich das Werk schon vorab begutachten durfte, war eine große Ehre und eine prägende, freudige Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Eigentlich hätte ich dafür Vergnügungssteuer zahlen müssen.

Die Vinyl-Empfehlung des Jahres kommt ebenfalls von Günter Ramsauer, heißt "Hollywood" und stammt vom Maler und Musiker Christoph Bouet. Die LP ist eine audiophile Kostbarkeit und bietet "Prima Songs, wundervolle Harmonien, exzellente Arrangements!... Im großartigen Westcoast-Folk-Rock-Stil", wie Günter in seinen Jahrescharts 2022 treffend bemerkt. Einfach mal ansehen, da gibt es wie immer hochkarätige Empfehlungen zu entdecken. Von Bouet sind nur wenige Hör-Muster im Netz zu finden, deshalb hier ein paar Ausschnitte von "Traces" aus 2020:

Die Qualität und Vielfalt der Musik war auch 2022 wieder berauschend, wobei die hier beschriebenen Highlights nur einen Bruchteil der erwähnenswerten Produkte darstellen. Wenn es stimmt, dass unruhige und krisengeschüttelte Zeiten besonders viel Kreativität freisetzen, dann ist wohl leider (!?) auch in 2023 wieder mit wundervollen Werken zu rechnen. LOST & FOUND: MUSIK OHNE GRENZEN wünscht aber in erster Linie ein entspanntes Jahr. Es wird auf jeden Fall so oder so wieder etliche engagierte Schöpferinnen und Schöpfer geben, die für kurzweilige, betörende und anregende Klänge und Worte sorgen werden. Soviel ist sicher. Der Rest ist pure Spekulation.

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