The Sarandons - Sightlines

 Manchmal benötigt es Zeit, um gültige Erkenntnisse zu erlangen. "Sightlines" besitzt die musikalische und gedankliche Reife, solche Erfahrungen textlich und akustisch umzusetzen.

Die kanadische Musikszene ist sehr lebendig und vielfältig. Sie bringt ständig interessante Künstler hervor, die sich durchaus innerhalb von bekannten Genres bewegen können, aber trotzdem oft auffallende Ideen hervorbringen oder überraschende Wendungen erzeugen.

Nun ist das Quintett The Sarandons aus Toronto mit ihrem ersten Studioalbum namens "Sightlines" am Start. Dabei gibt es die Gruppe, die aus Dave Suchon (Gesang und Gitarre), Damian Coleman (Bass), Edmund Cummings (Keyboards), Craig Keeney (Lead-Gitarre) und Phil Skot (Schlagzeug) besteht, schon über 10 Jahre. Als Einflüsse geben die Musiker unter anderem Wilco, The Band, Kurt Vile und Bob Dylan an, welche aber nur ansatzweise in ihren Kompositionen herauszuhören sind. Genauso gut können auch Tom Petty, Eagles, Fleetwood Mac und ihre Landsleute von Blue Rodeo wahrgenommen und mit dem The Sarandons-Sound verknüpft werden.
Credit: Steph Montani

Die drei ersten Tracks von "Sightlines" ("Letting On", "Sightlines" und "So Long") bewegen sich ansprechend und ermutigend durch den Äther, sorgen damit für zutrauliche Gelassenheit und lockeres Fußwippen. Das ist nicht nur perfektes Frühlingserwachen-Futter, sondern die Lieder taugen auch als Autobahn-Bewältigungs-Klänge und eignen sich als Jogging-Unterstützungs-Töne. Die mehrdeutigen, etwas rätselhaften textlichen Inhalte sind allerdings nicht immer beschwingt-aufmunternd, sondern eher nachdenklich formuliert: Bei "Letting On" geht es auch um Neuanfänge, 
"Sightlines" beschäftigt sich mit Rückblicken 
und "So Long" zieht Bilanz und rechnet ab.
Mit "State To State" und "Too Many Whiskeys" hält eine geläuterte Besinnlichkeit in Form von innigem Country-Folk mit einer sakral-ehrwürdigen Note Einzug in den Song-Reigen. In romantisch verträumte Gefilde entführt "Headlights In The Day", wobei ein forsches Schlagzeug und ein singend-melodisches E-Gitarren-Solo dafür sorgen, dass die in sich gekehrte Stimmung nicht überhandnimmt.

Nach verhaltenem Beginn kehrt "Losing My Way" zögernd, aber bestimmt nach und nach seine Rock & Roll-Wurzeln als rumpelig stampfender Garagen-Rock in dieser melodischen Power-Pop-Verpackung heraus. "Not Tonight" biedert sich dagegen zu sehr am Mainstream an und kann mit seinem durchschaubaren Pop-New Wave-Sound nicht überzeugen.

Der Folk-Rock "In Time" swingt wie ein Jazz-Standard und ist dabei gefühlvoll wie eine Beatles-Ballade und "Honey Then The Bee" kann dem Soft-Rock zugeordnet werden, schwelgt in Harmonie und nutzt die Sinnlichkeit von hohen Stimmen, um zu betören.

Reifes Songwriting, jede Menge Empathie und eine abwechslungsreiche Gestaltung zeichnet "Sightlines" aus. The Sarandons sind eine Band mit Potential, die Klarheit und musikalische Raffinesse miteinander verbindet. Die Attraktivität der meisten Songs wächst mit jedem weiteren Hördurchgang, so dass "Sightlines" ein verlässlicher Begleiter durch den Alltag ist und eine aufhellend-optimistische Stimmung erzeugen kann. Aber warum sich die Musiker The Sarandons genannt haben, obwohl keiner von ihnen mit Nachnamen Sarandon heißt, kann nur vermutet werden. Vielleicht handelt es sich um eine Verneigung vor der Schauspielerin Susan Sarandon ("Die Hexen von Eastwick", "Thelma & Louise", "Dead Man Walking"). Wer weiß?

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