KJELLVANDERTONBRUKET - Fossils

Die Kunst der Langsamkeit, die Dehnung der Zeit und eine schwermütige Last begleiten die Musik von KJELLVANDERTONBRUKET.

"Doom Country" war ein passender Name für das Erstlings-Werk des schwedischen Projektes KJELLVANDERTONBRUKET: Weitläufige Ambient-Sounds, dunkler Country-Folk, sehnsuchtsvolle Melodien und ein hingebungsvoller Gesang sind die Markenzeichen dieser Produktion, bei der sechs besorgniserregend beklemmende Psycho-Dramen entstanden sind. Die Tristesse der Tindersticks, die visionäre Alternative-Country-Sicht von Gene Clark, die Dramatik eines Nick Cave, die schmerzhafte Leidenschaft, welche Chris Isaak so immens wehmütig erscheinen lässt und die stoische Geruhsamkeit von Souled American sind dabei nur ein paar Eckpfeiler der Inspirationen, die die Künstler geleitet haben könnten.

KJELLVANDERTONBRUKET sind der Singer-Songwriter Christian Kjellvander (Gesang, Gitarre) in Fusion mit dem Avantgarde-Quartett Tonbruket. Zu dieser Verbindung gehört auch Martin Hederos (Keyboards, Viola), der durch die Zusammenarbeit mit Mattias Hellberg als Hederos & Hellberg und seiner Beteiligung an The Soundtrack Of Our Lives bekannt geworden ist. Daneben spielen noch der ex-Esbjörn Svensson Trio-Bassist Dan Berglund, sowie Johan Lindström (Gitarren), und Andreas Werliin (Schlagzeug, Percussion) gewichtige Rollen.
Credit: Fredrik Egerstrand

Nach drei Jahren Wartezeit liegt nun mit "Fossils" die Fortsetzung von "Doom Country" vor. Fünf Tracks mit 42 Minuten Laufzeit eröffnen monumentale, fesselnde Slow-Motion-Sound-Orgien für genießerische Melancholiker oder neugierige Entdecker.

"September Weather" beschreibt ein langes Familien-Wochenende in den Bergen. Hat anschließend etwa ein Mord stattgefunden? Oder handelt es sich nur um ein bizarres Gedankenspiel? Egal, ob der Song nun eine Mörder-Ballade ist oder nicht, die Musik taugt jedenfalls bestens zur Untermalung geheimnisumwitterter Umstände: Statische Töne steigern die Erwartung, Kjellvander singt, als wäre er emotional angeschlagen. Bass und Schlagzeug unterlegen die unheilschwangere Atmosphäre indessen mit einem lässigen Jazz-Groove. Die E-Gitarre sendet Signale aus, die wie brechendes Eis klingen. Der Gesang bekommt zwischendurch immaterielle Auswüchse und der Sound wogt wie widerspenstige Nordsee-Wellen, während die Pedal-Steel-Gitarre ab und zu Tränen aus Stahl weint.
"Yellow Painted Feather Tip" ist ein Liebeslied, das sich nach einer Mischung aus The Velvet Underground und Richard Buckner klingt. Dieses Konstrukt hört sich wie ein trockener, lieblicher, völlig gelassen fließender Folk-Rock an, der hypnotisch-leise auf die Betörung der Sinne ausgerichtet ist. So erobert man Herz, Seele und Verstand, nämlich hinreißend, gutmütig und intim.
Der Instrumental-Titel "Hans" ist womöglich dem Inhaber des Hans Dansstudios in Bottna (Schweden) gewidmet, wo "Fossils" aufgenommen wurde. Nur langsam gewinnt das Stück über ein Rauschen allmählich an Konturen, ohne wirklich sein Ziel zu offenbaren. Nach etwas Bass-Brummen und -quietschen sowie mächtigem Gong-Scheppern verlieren sich die Spuren dieses Fragments nach knapp 3 Minuten wieder.
Das beinahe 16minütige "The Last Thing (Thief)" ist das Kernstück des Albums. Der kryptische Text dreht sich um einen Einbrecher, der real sein kann oder nur in der Vorstellung vorkommt. Wie ein schlechtes Gewissen, dass nicht abgelegt werden kann und immer wieder auftaucht, peinigt er den Protagonisten. Das wortreiche Lied wird von einem monoton pulsierenden Takt in einem rastlosen Zustand gehalten, während die weitere instrumentale Begleitung von lyrisch bis aufwühlend variiert. So als wäre man Zeuge einer ausgewogenen Reinkarnation von "Celebration Of The Wizard" der Doors, beschwören die Worte auf eine inständig-respektvolle Weise erbarmungslos, genau wie die des besessenen Schamanen Jim Morrison.
Der psychedelische Folk-Jazz von "Seahorse Inn" ist ein tongewordener milder Rausch. Gutmütig-unbekümmert, ergriffen und enthusiastisch umschmeichelt er das Innenohr und betört fantasievoll-narkotisierend wunderbar die Empfindungen.

KJELLVANDERTONBRUKET ist ein Projekt, das durch, Intensität, Intimität und Sinnlichkeit genauso besticht wie durch einen schöpferischen, wagemutigen Geist. Die Ton-Gebilde von "Fossils" verfügen über eine fesselnde Ausdruckskraft und bringen berauschende Sensibilität und kreative Melancholie zusammen. Diese Anordnung kitzelt kenntnisreich das Gehirn und fordert beharrlich die Vorstellungskraft der Hörerschaft heraus.

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