James Ellis Ford - The Hum

Von der zweiten Reihe ins Rampenlicht: Der Allrounder James Ellis Ford veröffentlicht mit "The Hum" sein erstes eigenes Album. 

James Ellis Ford hat in den letzten zwei Jahrzehnten einen respektablen Ruf als Komponist, Multiinstrumentalist, Produzent und Songwriter erlangt. Er arbeitete unter anderem mit den Arctic Monkeys, Depeche Mode oder The Last Shadow Puppets zusammen, machte aber auch mit Jas Shaw als Simian Mobile Disco selber Musik. Nach der Erkrankung seines musikalischen Partners lenkte er seine Aktivitäten nun in Solo-Bahnen um.
Credit: Pip Bourdillon

Das Motto der Platte - also das Brummen oder Summen - kann in der Natur entstehen, aber auch von Maschinen verursacht werden. Diese Art von Geräuschen kann bei jedem Stück - manchmal mit etwas Fantasie - lokalisiert werden und bildet den roten Faden durch das Werk. Die Musik von James Ellis Ford verbindet sich mit Schwingungen aus einer Zeit, als Künstler wie Robert Wyatt, Kevin Ayers oder Peter Blegvad mit John Greaves eine improvisierte, experimentelle Rock-Musik umdeuteten und in flexible Tonfolgen transformierten, die auch Jazz-Grooves und lieblich-harmonische Accessoires enthalten durften.

Für "Tape Loop #07", den Eröffnungstrack von "The Hum", wurden schwirrende, brummende, oszillierende Space-Sounds erzeugt, die an einen imaginären Science-Fiction-Film und an das musikalische Ambient-Music-Erbe von Brian Eno denken lassen.
James Ellis Ford schiebt mit "Pillow Village" gleich noch einen Instrumental-Titel nach, der sich nahtlos an den Vorgänger anschließt, aber stilistisch eher im melodisch und atmosphärisch starken Chamber-Jazz wildert, wie ihn zum Beispiel das Penguin Cafe Orchestra zelebriert. Das Brummen ist hier eine Frequenz, die nebenbei abfällt und dem Rumoren nahekommt, das Bienen erzeugen, wenn sie sich über Blüten hermachen. 
Ford haderte ein wenig mit seinen Sangeskünsten, was aber völlig unnötig ist, wie "I Never Wanted Anything", der erste Track mit Gesang auf "The Hum" verdeutlicht. James Ellis hat eine milde, freundlich beschwichtigende Stimme, die nicht wegen ihres großen Umfangs, sondern durch bescheidenes Einfühlungsvermögen gefällt. Die Komposition bietet ein Füllhorn von Klängen und Einflüssen an: Merkwürdig künstliches Synthesizer-Geklimper, das sich anhört, als wäre es vom Yellow Magic Orchestra zur Verfügung gestellt worden; samtweiche Bläser-Töne, die die Hörer akustisch in den Arm nehmen; ein locker swingender, sich zurückhaltender Jazz-Funk-Rhythmus, der für agile Hintergrundgeräusche sorgt und der Gesang, der einfach nur friedvoll vermitteln möchte, sind die Hauptbestandteile dieses intelligent arrangierten Art-Pop-Songs, bei dem das dunkle Bassklarinetten-Brummen einen angenehmen, gepflegten Grauschleier ausbreitet.
Für "Squeaky Wheel" werden quasi die Klangeigenschaften von "Tape Loop #07" und "I Never Wanted Anything" miteinander verbunden, so dass ein sphärischer Pop-Song entsteht. Das Summen ist hier ein maschinelles Rauschen, das uns aufgrund der Konditionierung durch Hollywood-Blockbuster außerirdisch erscheint.
Durch die gedoppelte Stimme erhält "Golden Hour" einen Chor-ähnlichen Beitrag. Der Song wurde als vornehm ausgestattete, dynamisch flexible, barocke Ballade konzipiert und mit akustischen wie elektronischen Instrumenten feierlich ausgestattet. Inhaltlich geht es um den Zustand der Erleuchtung als höchste Bewusstseinsebene, also um perfekte Harmonie. Die wimmernd-melancholischen Synthesizer-Aktivitäten bilden dabei den solistischen Schwerpunkt und eine melodische Unterstützung für dieses schöne, zu Herzen gehende Lied. Der Synthesizer summt und brummt in hellen und dunklen Tonlagen und trägt dadurch zu den wesentlichen Klangfarben bei. 
"Emptiness" und "Closing Time" sind aus ganz ähnlichem Holz geschnitzt, wirken gesanglich noch etwas ruhig-meditativer, haben aber auch in mondäner Schönheit gebadet. Bei "Emptiness" wird das Brummen zum hellen Klirren
und bei "Closing Time" zum Glocken-ähnlichen Klingeln und dunkel-harmonischem Summen. Das ist ein Klang, der an die "Pet Sounds" der Beach Boys erinnert. "Ich liebe rührselige Songs, aber es war so weit außerhalb meiner Komfortzone, dass ich nun tatsächlich einen schreiben wollte. Es war ein Fall von: "Überwinde dich verdammt noch mal und mach es einfach!". Es geht in dem Lied definitiv darum, älter zu werden und sich mit der Sterblichkeit auseinanderzusetzen", erklärt James Ellis Ford seine Beweggründe.
Unter dem Kopfhörer vermittelt "The Yips" ein dreidimensionales Klangbild. Die verwendeten Ton-Muster weisen nahöstliche Züge auf, obwohl sich der Instrumental-Track im Rock-, Jazz- und Minimal-Art-Bereich bewegt. Die Weltmusik-Bezüge haben damit zu tun, dass die Frau und der Sohn von James palästinensische Wurzeln besitzen, er deshalb die dortige Kultur erforscht hat und die Ergebnisse hier offensichtlich einfließen ließ. Die verwendeten Loops können auch als wildgewordene Insektenschwärme interpretiert werden. Dann hätten wir wieder den Verweis aufs Brummen.
Das Stück "The Hum" besteht natürlich fast nur aus Brumm-Tönen und verirrt sich dabei in einer mechanisch anmutenden, elektronischen Endlos-Schleife, die nach und nach von mehreren anderen Tonspuren überlagert und abgelöst wird.
Als kräftig-selbstbewusster Underground-Groove-Rock mit ständig wiederkehrenden Partituren entpuppt sich "Caterpillar" und entlarvt sich dabei selbst als stoischer Verfechter monotoner Klang-Strukturen. Das Brummen geht unter anderem von Bass-Tönen aus und ist ein mächtiges, herrschsüchtiges Dröhnen, genau wie das Flirren der Keyboards.
"The Yips", "The Hum" und "Caterpillar" ergötzen sich in endlosen Wiederholungen, die keinen hypnotischen Reiz auslösen, sondern paranoide, nervenaufreibende Abläufe aufbauen.

"The Hum" ist ein echtes Solo-Album, denn James Ellis Ford macht alles selber. Er spielt die Instrumente, also alles was Tasten und Saiten hat, dazu noch Bassklarinette, Flöte und Tenorsaxophon, sowie Vibraphon, Schlagzeug und selbstverständlich kümmert er sich auch um das Komponieren und die Produktion. Er hätte es sich leicht machen und seine zahlreichen Kontakte zwecks Gastauftritte anheuern können, er wollte aber sein eigenes Ding machen, das kaum etwas mit seinem bisherigen Schaffen zu tun hat. 

Das zeigt sich auch in der Wahl der Klang-Landschaften: Stilistisch scheint die Musik aus der Zeit gefallen zu sein, belebt aber ein Genre, das es Wert ist, eine Renaissance zu erhalten, da es schon immer in der Öffentlichkeit zu kurz gekommen ist. Denn hier prallen zwei auf den ersten Blick unvereinbare Welten aufeinander: Easy Listening und experimenteller Pop. Das funktioniert jedoch in der Paarung mit und ohne Gesang sehr gut, wenn man weiß, worauf es ankommt. Und James Ellis Ford hat den Durchblick: Seine Schöpfungen sind so viel sagend, dass beim Hören etliche Assoziationsketten losgetreten werden, so dass man sofort die oben genannten Vorbilder auflegen möchte, um diesem viele Aspekte abdeckenden, anspruchsvollen Sound weiter zuhören zu können. Und allmählich setzt sich noch die Erkenntnis durch, dass es sich beim Begriff "The Hum" auch um die Energie und die Schwingungen handeln kann, aus denen "das Leben, das Universum und der ganze Rest" (das wunderbare Buch von Douglas Adams!) letztendlich besteht.

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