Will & James Ragar - Will & James Ragar One

"Will & James Ragar One" ist ein schändlich übersehenes Folk-, Pop- und Jazz-Fusions-Album von 1980. 

Das Jahr 1980 war bei den gut informierten Musikliebhabern durch Alben von den Talking Heads ("Remain In Light"), The Clash ("London Calling"), Wipers ("Is This Real"), Feelies ("Crazy Rhythms"), The Jam ("Sound Affects"), Siouxsie & The Banshees ("Kaleidoscope"), Fehlfarben ("Monarchie und Alltag"), Echo & The Bunnymen ("Crocodiles") oder Joy Division ("Closer") geprägt. Da war kaum Platz für überholt angesehene Genres wie Country-Rock oder Easy Listening. Deshalb wurde "Will & James Ragar One" wahrscheinlich nicht entsprechend gewürdigt und verschwand in der Versenkung. Gut, dass es Labels wie BBE-Music gibt, die ständig auf der Suche nach vergessenen Perlen sind und denen es zu verdanken ist, dass diese zeitlos schöne Platte neu veröffentlicht wurde!

Sonnig strahlend, cool groovend, mit gut gelaunten karibischen Schwingungen ausgestattet, geht die Rarität zuerst mit "As The Day Grows Tired" ins Rennen, wobei selbst das Gitarren-Solo am Ende des Stückes zur unbeschwerten Laune beiträgt und nicht intellektuell verkopft ist. Das erinnert stark an Yacht-Rock-Pioniere wie Firefall, Bread, Loggins & Messina oder Seals & Crofts.
Bei "She's Laughter" gehört eine große Portion Folk-Jazz zum Klangbild, was die Komposition sympathisch eigenwillig erscheinen lässt.
"My Shining Sun" gibt sich dann vermehrt den improvisierten, träumerischen Tönen des West-Coast-Folk-Rock-Hippie-Sound hin.
Weiter geht es in Richtung Jazz: "Don't I Wish To Be Free" hat neben der E-Gitarre eine Flöte als Lead-Instrument und swingt im Late-Night-Bar-Modus.
Die Flöte bleibt auch bei "Melting Pot" Sound-bestimmend, muss sich das Klangvolumen aber mit einem dezenten, jedoch lautmalerisch richtungsweisenden Jazz-Schlagzeug teilen. Hinzu kommen noch eine selbstbewusste Gitarre und Synthesizer-Schwingungen, die weitläufige Akustik-Nebel verbreiten. Als Instrumental-Stück macht "Melting Pot" eine etwas beliebige Figur. Es hört sich beinahe wie ein Pausenfüller an, der es allen Recht machen will und sich grade deshalb zwischen alle Stühle setzt. Der beflügelnde Duett-Gesang von Will & James wird hier schmerzlich vermisst, denn er hätte für reizende Konturen sorgen können.
"Needs" 
und "Hidden Away" 
sind sentimentale Folk-Pop-Balladen, die nahe an der Kitsch-Grenze angesiedelt sind, durch ihre brillante Instrumentierung aber noch die Kurve in Richtung "angenehmer Easy-Listening-Sound" bekommen.

"Parade" basiert auf filigranem Barock-Pop, wurde aber so weit abgespeckt, bis als Begleitung nur noch zwei virtuose Akustik-Gitarren übrig blieben.
Bei "Louisiana Fall" kommt der übertrieben starke Tremolo-Gesang gekünstelt rüber. Das reibt sich an dem um Ernsthaftigkeit bemühten Track und torpediert den intensiven Jazz-Bezug, was dem fließenden Hör-Genuss arg zusetzt.
Das Etikett diskreter, psychedelischer Folk passt recht gut zum Lied "Just A Wanderer". Das bedächtige, geheimnisvoll zurückhaltende Lied spielt mit der sich ergänzenden Wirkungen von Ruhe, Transparenz und Individualität. Die Komposition hätte sehr gut ins Repertoire von David Crosby gepasst.
Der Instrumental-Titel "Oregon" weist zunächst ähnliche Qualitäten wie "Just A Wanderer" auf, bekommt aber nach etwa der Hälfte der fünf Minuten Spielzeit eine vitalisierende Spritze verordnet, so dass Tablas und eine akustische Gitarre für rhythmischen Schwung sorgen. Das Stück hätte sicher auch einen angemessenen Platz auf dem bizarren Psychedelic-Rock-Werk "Just For Love" von Quicksilver Messenger Service unter Leitung von Dino Valenti finden können.
Diese Wiederveröffentlichung wurde noch mit den beiden Titeln einer Single aus 1980 als Bonus-Tracks ausgestattet. Dabei handelt es sich um die teils schmachtende, teils lebhafte Karibik-Soul-Nummer "Forever" mit einem langen, schmierigen Synthesizer-Solo am Ende 
und dem Pseudo-Soft Rock-Swing "Bayou Paradise".

Das Bruderpaar Will & James Ragar musizierte schon in den 1970er Jahren als The Will James Duo und The Will James Band zusammen und spielte dabei unter anderem Songs von Neil Young, Stephen Stills, George Benson, Leon Russell, The Allman Brothers Band, The Nitty Gritty Dirt Band oder Jimi Hendrix. 1980 hatten sie dann ihren persönlichen Stil gefunden und ließen in "One" alle ihre Einflüsse aufgehen. 
Die Brüder spielten in der Folgezeit noch im Vorprogramm solcher Hochkaräter wie Leon Russell, David Bromberg, Billy Cobham oder Stephen Stills, blieben aber ein lokaler Geheimtipp in Louisiana. Zu weiteren gemeinsamen Veröffentlichungen kam es leider nicht und "One" blieb bis jetzt ein gut gehütetes Geheimnis, das jetzt zur Entdeckung freigegeben ist und mindestens viele Soft-Rock-, Soul-Pop- und Folk-Jazz-Fans interessieren dürfte.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Waiting For Louise - Rain Meditation

Jahresbestenliste 2023

Lesestoff: Pop steht Kopf