Nachruf: Brian Wilson war viel mehr als nur eine Surf-Pop-Ikone.
Brian Wilson strebte sein Leben lang nach Harmonie. In seiner Musik hat er diesen Zustand erreicht, im wahren Leben war er oft nur eine Illusion.
1961 gründete Brian Wilson zusammen mit seinen Brüdern Dennis und Carl, seinem Cousin Mike Love und dem Freund Al Jardine The Beach Boys. Deren Surf- und Doo-Wop-Musik, die zumeist von Brian komponiert wurde, fing die Stimmung des Strandlebens der Jugend in Kalifornien, ihre Träume und Wünsche authentisch ein. Die Lieder handelten oft vom Wellenreiten, von Mädchen und Autos und regten zum Träumen oder Tanzen an.
Brian Wilson hatte präzise Vorstellungen davon, wie die von ihm ersonnenen komplexen Songs klingen sollten. Jedes Detail erschien klar vor seinem geistigen Auge, jeder Instrumenten- und Gesangseinsatz war minutiös geplant. Gegen alle Widerstände nahm er dann "Pet Sounds" auf, das am 16. Mai 1966 veröffentlicht wurde.
Es ist ein Album voll von unfasslicher Schönheit, reifer Poesie und künstlerischer Brillanz und revolutionierte die Pop-Musik nachhaltig. "Pet Sounds" inspirierte die Beatles zu "Sgt. Pepper`s Lonely Hearts Club Band" und die Auswirkungen der Tonstrukturen finden sich auch heute noch bei Bands wie den High Llamas.
Brian Wilson brachte "Pet Sounds" nicht nur Anerkennung als ein hervorragender Klangkonstrukteur ein, sondern die Arbeit daran führte aufgrund der psychischen und physischen Überlastung zum Burnout. Das geplante, ehrgeizige, experimentelle Nachfolgealbum "Smile", das den Zusatz: "Teenage Symphonies To God" erhielt, blieb deshalb lange unveröffentlicht und Brian flüchtete sich in Drogen. Er bekam daraufhin eine labile Psyche bescheinigt, wodurch er in eine psychiatrische und medikamentöse Abhängigkeit getrieben wurde und aufgrund dessen jahrelang kaum das Bett verließ.
Dennoch waren auch die Platten, die nach "Pet Sounds" veröffentlicht wurden, von seinem kreativen Geist beflügelt und durchflutet. Allen voran "Smiley Smile" (1967),
"Friends" (1968)
und "Surf`s Up" (1971).
Als Wilson einigermaßen genesen war, ging er 1988 mit dem Album "Brian Wilson" eine Solo-Karriere an
und veröffentlichte unter anderem 1995 zusammen mit seinem Songwriter-Kumpel Van Dyke Parks das herrlich versponnene "Orange Crate Art".
2004 kam eine Version von "Smile" unter dem Namen von Brian Wilson heraus, die er auch auf die Bühne brachte ("Brian Wilson Presents Smile"). Er vermittelte dabei den Eindruck, glücklich und zufrieden zu sein. Mit den Nostalgie-Tourneen seiner verbliebenen Beach-Boys-Kollegen wollte er jedenfalls nicht mehr viel zu tun haben. 2011 gab es dann die "Smile Sessions" mit Originalaufnahmen aus der Zeit von 1966 und 1967, nachdem jahrzehntelang Bootlegs davon im Umlauf waren.
Brian Wilson kann also nicht auf den Surf-Pop-Sound, den er bekannt gemacht hat, reduziert werden. Nicht einmal auf sein Wunderwerk "Pet Sounds". Er ist vielmehr zweifellos ein musikalisches Genie, dem es die Lebensumstände unmöglich gemacht haben, eine kontinuierliche Karriere aufbauen zu können.
Im Februar 2024 wurde öffentlich bekannt gemacht, dass Brian Wilson, der seit 2022 keine Konzerte mehr gegeben hat, an Demenz erkrankt war. Am 11. Juni ist er im Alter von 82 Jahren gestorben. Er hinterlässt nicht nur sieben Kinder, sondern auch ein unsterbliches, in Phasen hinreißend ergreifendes musikalisches Erbe.
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