U.S. Girls - Scratch It (2025)
"Scratch It" will die Pop-Welt erobern.
Unter dem Namen U.S. Girls veröffentlicht Meghan Remy, die 1985 in Chicago geboren wurde, seit 2008 ihre Musik. Vorher spielte sie in einer Punkband und studierte an einer Kunsthochschule in Oregon. 2010 zog sie der Liebe wegen nach Kanada, wo heute in Toronto ihr Lebensmittelpunkt ist.
Im Jahr 2024 bekam Meg Remy das Angebot, auf einem Festival in Hot Springs (Arkansas) aufzutreten. Zu diesem Zweck benötigte sie eine Begleit-Band, die ihr Freund Dillon Watson aus Nashville zusammenstellen sollte. Neben Watson an der Gitarre bestand diese Gruppe aus Jack Lawrence von The Raconteurs am Bass, Domo Donoho am Schlagzeug und Jo Schornikow und Tina Norwood an den Keyboards. Unglaublich, aber wahr: Der damals 83-jährige Session-Musiker Charlie McCoy, der schon für Elvis Presley, Bob Dylan und Roy Orbison gespielt hat, verstärkte das Team an der Mundharmonika. Das Konzert lief so gut, dass das eilig zusammengestellte Team den Schwung mit ins Tonstudio nahm und "Scratch It" innerhalb von zehn Tagen in Nashville fertigstellte.
Auffällig ist zunächst Megs Sing-Stimme, die manchmal durchaus gewöhnungsbedürftig erscheinen mag und deshalb polarisieren kann. Sie sticht durch ein leichtes Quengeln hervor, das sowohl jugendlich unbedarft klingt, als auch eine laszive Stimmung auslöst. Jedenfalls verpasst ihr diese Stimmfarbe eine eigentümliche Note. Lässt man sich darauf ein, verliebt man sich spätestens nach drei Songs in den Gesang und möchte den besonderen Zungenschlag nicht mehr missen. Diese Eigenart ist jedoch nicht so stark ausgeprägt wie etwa bei Victoria Williams oder Jessica Pratt. Sie ist nur beiläufig wahrnehmbar, weil sie selten zu hören ist. Der individuelle Gesang trägt entscheidend zu einer speziellen Aura des Sounds bei, an der man sich berauschen kann. Manchmal geht die Stimme in ein gedehntes Seufzen über, das ihre Heldin Patti Smith gleichermaßen gerne als Stilmittel zur Betonung von tiefgreifenden Empfindungen verwendet.
"Scratch It" ist das neunte U.S. Girls-Album. Es zeichnet sich durch eine harmonische Balance zwischen traditionellem Hintergrund und originellen Arrangements aus, die sich auf eine robuste und flexible instrumentelle Basis stützt, welche je nach Gefühlslage Dichte oder Transparenz darstellt.
In "Like James Said" wird James Browns Rat aus "Get Up Offa That Thing" befolgt, nämlich zu tanzen, bis man sich besser fühlt, wenn zum Beispiel der Liebeskummer-Schmerz zu groß ist. Nach einem krachenden Weckruf groovt sich der Song mit beschwingten karibischen Rhythmen ein, die in eine luftig-leichte Folk-Umgebung eingebettet sind. Was sich aufgrund der Beschreibung nach "Easy Listening" anhört, ist in Wirklichkeit ein mehrstufig aufgebauter Pop-Song. Er verbreitet im Verlauf durch ein sperriges E-Gitarren-Solo ein pikantes Aroma und hält noch einige andere Wandlungen und Überraschungen bereit.
In "Like James Said" wird James Browns Rat aus "Get Up Offa That Thing" befolgt, nämlich zu tanzen, bis man sich besser fühlt, wenn zum Beispiel der Liebeskummer-Schmerz zu groß ist. Nach einem krachenden Weckruf groovt sich der Song mit beschwingten karibischen Rhythmen ein, die in eine luftig-leichte Folk-Umgebung eingebettet sind. Was sich aufgrund der Beschreibung nach "Easy Listening" anhört, ist in Wirklichkeit ein mehrstufig aufgebauter Pop-Song. Er verbreitet im Verlauf durch ein sperriges E-Gitarren-Solo ein pikantes Aroma und hält noch einige andere Wandlungen und Überraschungen bereit.
"Dear Patti" ist an Patti Smith adressiert. Das Lied berichtet von einer verpassten Gelegenheit, Patti auf der Bühne erlebt zu haben, obwohl U.S. Girls ihr Vorprogramm war ("Ich habe darauf geachtet, dass meine Kinder nicht in den See fallen"). Entsprechend wehmütig und schüchtern läuft der zurückhaltende, bescheiden funkelnde und schillernde Song ab.
Beim harmonisch gestimmten Folk-Jazz "Firefly On The 4th Of July" übernimmt die sich angetrunken windende und perlende E-Gitarre von Dillon Watson die melodische Führung. Zwischendurch hebt das vereinzelnd ruckelnde Stück ab und startet mit Sphärenklängen ins All. Das ist aber nur ein kurzes Intermezzo. Die Erdanziehung holt die Noten schnell aus der Träumerei zurück in die erlebte Realität: "Die Welt ist ein Traum, den wir alle noch nicht erlebt haben."
Die weitläufig konstruierte, die Sinne beruhigende Klanglandschaft in "The Clearing" wird von Charlie McCoys Mundharmonika aufgelöst und in ländlich-gelassene Töne überführt. Wenn sein Spiel versiegt, nimmt der akustische Blick in die Ferne wieder den Raum ein. Der Track lässt sich allerdings nicht zwischen Gleichmut und Empathie zerreiben, sondern geht in dem Kontrast auf. Es handelt sich hier um eine Cover-Version des Singer-Songwriters Micah Blue Smaldone, der das Lied ursprünglich im traditionellen Country-Gewand herausgebracht hat.
Die grundsätzlich schwebend-weiche Ballade "Walking Song" beherbergt als Gegengewicht zum puren Wohlklang aggressive Untertöne, die die E-Gitarre absondert. Das E-Piano und die Orgel glätten die Wogen und Meg Ryan ändert Tempo und Stimmung, um dem Titel einen frohen Aspekt zu verleihen, sodass es zu einem aufmunternden und aufbauenden Gospel-Soul-Finale kommt.
Der langgezogene Groove von "Bookends" erstreckt sich über 12 Minuten und hat seine Wurzeln im geschmeidigen Southern Soul der US-Südstaaten. Der Song tönt also im Kern warmherzig, hypnotisch und unbeeindruckt von den Zwängen, die Zeit und Raum üblicherweise mit sich bringen. Die Zeit ist sowieso eine tickende Zeitbombe und es ergibt keinen Sinn, sich dagegen anzustemmen, was der unnachgiebig klopfende Taktschlag anzeigt. In diese vom Ballast befreite Atmosphäre lassen sich abwechselnd Mundharmonika, Orgel, E-Gitarre und Piano fallen, um Soli, die den Geist öffnen, abzusondern. Charlie McCoy spielt dabei eine Abwandlung des Liedes vom Tod und die Orgel klingt so mächtig und zerrissen, als wäre Garth Hudson (von The Band) von den Toten auferstanden. Irgendwann kommt es zum Stimmungswandel: Der Track sprüht plötzlich vor Lebensfreude und lädt den partytauglichen Philly-Soul-Sound als Begleiter ein. Meg entpuppt sich bei dieser spirituell aufgeladenen Sitzung als Hohepriesterin des Vergnügens oder vorher als Schamanin der Totenwache. Der Track ist wie ein Trip auf nebenwirkungsfreien bewusstseinserweiternden Drogen, deren Wirkung nicht vorhersehbar ist. Das Stück ist Riley Gale gewidmet, dem verstorbenen Freund von Meg Remy, der Sänger der Band Power Trip war. Es befasst sich mit dem Tod als einem endgültigen Ereignis, bei dessen Eintritt alle Menschen gleichwertig sind.
Bei Jimador handelt es sich um eine Tequila-Marke. Der heftige Konsum dieses Getränks hat bei Meg nach einem Konzert in der Massey Hall von Toronto zu einem üblen Alkohol-Absturz geführt. Die Erinnerungen daran prägen das Lied "Emptying The Jimador", welches eine melancholisch-intime Beichte und eine Verarbeitung des Umgangs mit Alkohol beinhaltet.
"Pay Streak" ist transparent instrumentiert und läuft weitgehend in sich gekehrt ab. Dennoch gibt sich Meg unmittelbar kämpferisch und rettet den Song gesanglich vor dem Ertrinken in einem See aus Tränen.
Für "No Fruit" kratzt die E-Gitarre an der Oberfläche des Songs, der Bass pumpt aufgeregt und das Schlagzeug hält den charmanten Punk-Pop, der als Folk-Rock getarnt wird, stabil zusammen.
"Scratch It" will die Pop-Welt erobern, traut sich alles zu, scheitert niemals und ist unverfroren neugierig, ohne dabei Mauern radikal einzureißen. Der fein gewobene Country-Sound klingt ungenormt, die Soul- und Funk-Beigaben sind stürmisch-frech und manchmal unverblümt erotisch, die Traurigkeit zwischen den Noten ist aufrichtig und die Kompositionen offenbaren ein profundes Wissen über die Pop-Historie, berücksichtigen aber auch Eigenständigkeit. Kurzum: Die Einflüsse und Ideen auf dem Werk lassen sich nicht mit einem Durchlauf erfassen und lokalisieren. Die Songs stechen weit aus dem heraus, was landläufig unter Americana verstanden wird. Und sie sind es wert, dass man ihnen Zeit und Aufmerksamkeit widmet. Unter Umständen springt dabei sogar ein neues Lieblingsalbum heraus.
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