CHAT NOIR - NINE THOUGHTS FOR ONE WORD (2016)

CHAT NOIR haben mit NINE THOUGHTS FOR ONE WORD einen interessanten Beitrag zur Auflösung der Unterscheidung zwischen ernste Musik und Unterhaltungsmusik geleistet. 

Chat Noir haben einen Weg als Bindeglied zwischen Kunst und Unterhaltung gefunden, der beide Seiten zufrieden stellen sollte.

„Wir würden unsere Arbeit als eine Art Reise eines treibenden Schiffes bezeichnen. Wenn Jazz unser Ausgangspunkt war, so haben wir uns immer die Freiheit gegönnt, was das Erforschen von anderen Sprachen betraf“. So erläutert Luca Fogagnolo, der bei dem sechsten Studio-Album von Chat Noir Bass und Posaune spielt, das Konzept des Trios. Ihm stehen noch Michele Cavallari (Piano, Electronics) und der Komponist und Produzent Jan Peter Schwalm (Electronics, akustische Gitarre) zur Seite, um diese Visionen umzusetzen. „Nine Thoughts For One Word“ ist nicht mehr ausschließlich im Studio entstanden. Die Musiker haben sich aufgrund ihrer räumlichen Distanz über Cloud-Sharing ausgetauscht und an unterschiedlichen Wohnorten neue Ideen und Stimmungen aufgefangen. Nach wie vor ist die Musik also nicht nur vom Jazz, sondern auch von Ambient- und Filmmusik geprägt, was den Sound so anpassungsfähig erscheinen lässt.
„Eternally Tranquil Light“ hat einen räumlichen Klang und wird mit Glocken, schnarrender und flirrender Percussion, exotischen Saiten-Tönen und wenigen Piano-Akkorden ausgestattet. Der Stand-Bass und hölzerne, harmonisch ins Klangbild eingebettete Trommeln erden das exotisch-würdevolle und leidenschaftliche Geschehen. Der Rausch der Töne, in den auch noch ein freies, summendes Saxophon einfällt, führt zu einer Konzentration der Gedanken. Die vorherige, nachdrückliche Stimmung fällt bei „Fundamental Mind“ in sich zusammen, denn ein milde gestimmtes Piano glättet die Wogen und schafft zunächst Besinnlichkeit. Zischende, schwirrende und pustende Elektronik sorgt für bewegliche Hintergrundgeräusche und immer wieder versuchen neue Klangkörper, die Oberhand zu bekommen. Aber das im Verlauf spritziger aufspielende Jazz-Piano setzt sich letztlich gegen diese Tendenzen durch.
„Momentary Continual“ wird von dem klaren, ausdrucksstarken und variablen Gesang des großartigen italienischen Singer/Songwriters Alessandro Tomaselli beseelt. Dieser Art-Pop besitzt eine hypnotische Sogkraft, die durch schillernde, sich abwechselnde Keyboard-Untermalungen und behutsame Tempowechsel erreicht wird.
Minimalistische Rhythmusfiguren in gemäßigtem Techno-Groove bilden die Basis für „Blinking Neon“. Der Track hat es trotzdem nicht auf die Tanzfläche abgesehen. Er wird im Mittelteil auf eine atmosphärische Ebene zurückgeführt, bei der Gastmusiker Daniel Calvi klagende Lap-Steel-Gitarren-Läufe und monotone Akustik-Gitarren-Akkorde einbringt.
Für „Detuning Leaves“ werden Töne erzeugt, die an ein balinesisches Gamelan-Orchester erinnern. Diese fremdartige Exotik kann durch einen rau gestrichenen Bass sowie klimpernde Keyboards und stampfende Takte weiter intensiviert werden. Ein aggressives E-Piano und außer Kontrolle geratene Synthesizer-Kaskaden streuen gefährliche, spitze Splitter in die heile, unerforschte Welt. „Uneven“ und „Soft Ground“ orientieren sich am TripHop und tänzeln unentschlossen zwischen zappelig und besonnen hin und her. Romantik für Fortgeschrittene bietet „Crystallized Flow“. Das Piano kredenzt eine sentimentale Melodie und im Hintergrund grummelt der Bass und die Synthesizer zischeln fast gleichberechtigt. Hier kämpft der Intellekt nicht gegen die Schönheit an, sondern arrangiert sich mit ihr.
Chat Noir haben eine Kommunikationsform gefunden, die eine Brücke zwischen ernsthafter Kunst und anspruchsvoller Unterhaltung schlägt. Anpassungsfähige Musikhörer werden hier auf jeden Fall Anknüpfungspunkte finden, egal ob sie sich für Jazz, Soundtracks, elektronische Musik oder intellektuelle Songwriter interessieren.

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