Daniel Romano - Mosey (2016)

Überzeugende Metamorphose.

Totaler Kurswechsel bei einem der talentiertesten Musiker unserer Zeit. Beinahe unter Ausschluss der Öffentlichkeit lief sein letztjähriges Country-Meisterwerk ab. Und nun gibt es eine völlig authentische Hinwendung zur Pop-Musik der 60er Jahre mit vielfältigen Abstechern in benachbarte Gefilde. Romano erweist sich auch hier als Kompositionsmeister und ideenreicher Arrangeur. Zudem spielt er auch die meisten Instrumente selber. Der Gesang hat einen quengelnd-schnarrenden Zwischenton und erinnert dadurch an Bob Dylan oder Jake Bugg. Daniel hat jetzt auch dieselbe schlaksig-coole Ausstrahlung wie His Bobness anno 1965/66 und trägt im Übrigen auch noch eine ähnliche Frisur. Seit seiner letzten Veröffentlichung „If I've Only One Time Askin'” von 07/2015 machte der Kanadier die Wandlung vom Country-Outlaw mit Schnauzbart zum Beatnik im Trainingsanzug durch.

Keyboard-Fanfaren, bewegliche, treibende Drums, künstliche Streicher und ein etwas nasaler, an Lee Hazlewood erinnernder Gesang sind die Hauptmerkmale in dem locker-flotten 60s-Retro-Pop „Valerie Leon“. 
Auch „Sorrow (For Leonard And William)” ist solch ein aufwändig gestaltetes Pop-Epos. 
„I Had To Hide Your Poem In A Song” könnte auch an der US-Westküste zur Zeit des Summer Of Love, also 1967, groß geworden sein. Dieser leicht psychedelische Folk-Rock hat Elemente des Hippie-Sounds von Jefferson Airplane und den aufrührerischen Charme von Dylans „Highway 61 Revisited“-Phase. 
Bei „Toulouse“ trifft sich Daniel mit der sinnlich agierenden Schauspielerin Rachel McAdams zum Duett. Musikalisch pegelt sich das zwischen dem Roots-Rock von The Band und dem Swamp-Rock von Tony Joe White ein und endet in einer albernen, aufgestachelten Ergänzung. „Hunger Is A Dream You Die“ bringt das sehnsüchtige Country-Flair des Vorgängers zurück, ist aber nicht ländlich-traditionell, sondern im akustisch/elektrischen Roots-Rock Mix belassen worden.
Eine geschickt-raffinierte Synthese von James Bond-Soundtrack und üppig ausgestattetem Pop mit Soul-Einschlag versteckt sich hinter „Mr. E. Me“. Nach dem eigentlichen Song folgt noch ein verwirrendes Pop-Anhängsel. 
„One Hundred Regrets Avenue“ ist eine kraftvolle Piano-Ballade mit jazzigen Abstechern, die mächtig unter die Haut geht. 
Beim Pop von „I`m Alone Now” wird Tex-Mex-Einfluss angedeutet. Am Ende folgt noch der Einwurf von Garagen-Funk-Rock mit verspielten Psychedelic-Elementen. Der Kanadier arbeitet gerne mit ungewöhnlichen Endungen. Beim Vorgänger wendete er schon phantasievolle Überleitungen an, hier wird diese Verzierung noch ausgedehnt und steht oft für sich selbst da. 
„(Gone Is) All About A Quarry Of Stone“ wirkt wie ein dylanesker Gospel mit Country-Folk-Hintergrund, der durch eine wohltemperierte Orgel und überlegt gesetzte Gitarren-Töne begleitet wird.
Zwischen einer furiosen Folk-Rock-Basis mit lieblich ausgerichtetem Gesang werden für „Maybe Remember Me“ wirkungsvolle Brüche und Tempowechsel eingebaut. Plötzlich ist der Song eine verwunschene Ballade oder ein Mid-Tempo-Pop. 
Und am Ende gibt es noch eine Voodoo-Funk-Zugabe. Blumiger Pop mit kammermusikalischer Romantik steht bei „The Collector“ im Vordergrund. 
„Dead Medium“ ist eine Live-Aufnahme eines Westcoast-Rock mit Karibik-Note, so wie er gerne von Stephen Stills & Manassas gespielt wurde.

Auf „Mosey“ herrscht ein famoser Einfallsreichtum und die Raffinesse beim Zitieren von Einflüssen ist enorm. Daniel Romano kippt ein Füllhorn an Ideen über dem Hörer aus und versetzt ihn in einen Zustand des Staunens und Schwärmens. „Mosey“ steht für Glanz, große Gefühle sowie Kontrast und zeigt eine überzeugende Metamorphose eines faszinierenden Musikers.

Erstveröffentlichung dieser Rezension: Fanzine ROADTRACKS #48


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