PAUL SIMON - Stranger To Stranger (2016)

Etwas neues von PAUL SIMON ist relativ selten und immer hochwillkommen. Jetzt hat er sein 13tes Studio-Album STRANGER TO STRANGER rausgebracht und es ist wieder spannend, warm, überraschend und anheimelnd zugleich geworden. Es braucht sich hinter den besten Werken seiner Karriere nicht zu verstecken.

Paul Simon konserviert Bewährtes und erforscht Neues.

Er ist eine lebende Legende. Bereits 1957 nahm der Musiker mit seinem damaligen Partner Art Garfunkel eine erste Single auf. In den 60er-Jahren gelangten beide zu Weltruhm und auf der Höhe des Erfolges löste Paul Simon im Jahr 1970 nach der Veröffentlichung des Albums „Bridge Over Troubled Water“ die Beziehung auf, da ihm das musikalische Korsett zu eng wurde. Heute ist er immer noch aktiv und lebt nicht nur vom Ruhm vergangener Jahre, indem er seine alten Erfolge rauf und runter spielt. Paul Simon sucht die Herausforderung und bringt - wenn auch in größeren Abständen - immer noch neues, attraktives Material raus. Sein letztes Studio-Album „So Beautiful Or So What“ datiert aus dem Jahr 2011 und nun gibt es mit „Stranger To Stranger“, seiner 13. Solo-Studioplatte, aktuelle musikalische Stellungnahmen zu hören.
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Für „The Werewolf“ experimentiert Paul mit Sounds und mixt Delta Blues, Didgeridoo-Klänge sowie afrikanische Percussion aus dem „Graceland“-Fundus zu einem abenteuerlichen, völkerverständigenden Weltmusik-Pop. Auch „Cool Papa Bell“ profitiert vom Afro-Pop aus der „Graceland“-Phase. „Wristband“ stellt einen elastischen Jazz-Kontrabass und zappelige Rhythmus-Instrumente sowie Hand-Claps in den Mittelpunkt des Geschehens. Gleichförmigkeit im Takt wird zum Stilmittel, um diesen wagemutigen Song im Zaum zu halten.
Die zwei kurzen Zwischenspiele sind dem Theaterstück „Prodical Son“ von John Patrick Shanley entliehen und sollen das Gehirn für eine Weile von der Verarbeitung von Wörtern befreien: „In A Garden Of Edie“ ist eine teils wortlos gesungene romantische Jazz-Träumerei zur akustischen Gitarre und „The Clock“ macht in einer Minute nichts anderes, als den Lauf der Zeit anhand von tickenden und tropfenden Tönen nachzustellen. „Street Angel“ verarbeitet HipHop- und Rap-Einflüsse, denen verfremdete Jazz-Gesänge untergemischt werden. Die Melodie setzt sich bei dieser Kombination nicht durch. Paul war 2015 mit Sting gemeinsam auf Tournee. Das hat abgefärbt. „Stranger To Stranger“ klingt wie eine vergessene Ballade des ex-Police-Chefs.
„In A Parade“ bringt brasilianisch anmutende Polyrhythmen ins Spiel. Der Track klingt, als wäre er für den Karneval in Rio geschrieben worden.
„Proof Of Love“ ist ein Musterbeispiel an Stilfusionen. Hymnischer Pop, atmosphärische afrikanische Taktfolgen und Gospel sowie Glocken und Rock-Splitter finden harmonisch zueinander. „The Riverbank“ zeigt als Basis schwülen Swamp-Rock mit scharfen Rhythm & Blues-Gitarren. Dazu erklingen bewegliche, karibisch beeinflusste Takte. Mit „Insomniacs Lullabye“ wird zum Schluss eine verträumte, zerbrechliche Ballade geboten, die surreale Klänge transportiert. Paul Simon ist ein nachdenklicher Künstler. Die großen Abstände zwischen seinen Veröffentlichungen hängen damit zusammen, dass er nicht nur ein neues Album auf den Markt bringen möchte, weil es an der Zeit wäre, sondern die neue Musik soll es wert sein, gehört zu werden. Die Lieder sollen mindestens den eigenen in der Vergangenheit gesetzten Maßstäben entsprechen. Es geht also darum, das Bewährte zu erhalten und gleichzeitig neue Ausdrucksmöglichkeiten auszuloten sowie das Ergebnis geheimnisvoll klingen zu lassen.
So greift Paul auf den mittlerweile 81-jährigen Toningenieur Roy Halee zurück, der schon frühe Simon & Garfunkel-Aufnahmen und ein paar Simon-Solo-Aufnahmen betreut hat. Neben seiner immensen Erfahrung wird an ihm besonders geschätzt, dass er sich bei der Verwendung von Hall-Effekten, die oft verwendet werden, detailliert auskennt. Erstmalig arbeitet Paul mit dem italienischen Electro-Pop-Künstler Clap! Clap!, der auch gerne afrikanische Tonmuster in seine Musik einbringt, zusammen. Er hat die vertrackten Beats für die Tracks „The Werewolf“, „Wristband“ und „Street Angel“ konzipiert. Paul setzt auch selbstgebaute Instrumente des Komponisten und Musiktheoretikers Harry Partch ein, um bisher unbekannte Klangdimensionen zu erzeugen. Dazu gehört auch das Chromelodeon. Das ist ein Harmonium, das bis zu 43 Töne pro Oktave aufweist.
Paul Simon will es nochmal wissen. Er muss niemandem mehr etwas beweisen, möchte aber bewährte Qualität abliefern und sich musikalisch entwickeln. „Stranger To Stranger“ ist gleichzeitig ein Sound-Laboratorium und eine hinreißende Song-Sammlung. Das ist ein Paul Simon-Album, das sich gesanglich, kompositorisch und hinsichtlich der instrumentalen Ausgestaltung mit seinen besten Werken messen kann.

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