Eric Pfeil - 13 Wohnzimmer (2017)

Abenteuer Wohnzimmerkonzert: Eric Pfeil macht mit "13 Wohnzimmer" Lagerfeuerromantik wieder salonfähig.

Eric Pfeil ist ein Kulturschaffender, der davon getrieben ist, seine Ideen draufgängerisch, provokant und schelmisch-charmant auszubreiten. Egal, ob als Autor oder Musiker. Als letzterer ist er bislang weniger bekannt geworden, sein Name dürfte eher als Pop-Kolumnist für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Spiegel online oder den deutschen Rolling Stone aufgefallen sein. Hier lässt er auch ab und zu seine musikalischen Vorlieben durchblicken. The Flaming Lips gehören zu seinen Lieblingsbands und die Neue von „Robyn Hitchcock“ hält er für eine der besten Veröffentlichungen des laufenden Jahres (wie wahr!). Alleine diese Auswahl deutet an, dass wir es nicht etwa mit einem weiteren romantisch-verklärten, pseudo-intellektuellen Deutsch-Pop Interpreten zu tun haben, sondern mit einem eigenständigen Singer-Songwriter, der eine alternative Sprache gefunden hat und dazu handgemachte, Folk-basierte Musik anbietet.


Zwei Studio-Platten gibt es schon von dem in Köln lebenden Künstler: „Ich hab mir noch nie viel aus dem Tag gemacht“ von 2013 und „Die Liebe, der Tod, die Stadt, der Fluss“ aus 2015. Jetzt betritt er Neuland, denn „13 Wohnzimmer“ ist die erste Platte, deren Aufnahmen vollständig in fremden Wohnzimmern stattfanden. Für die Teilnahme an diesem Vorhaben gab es im Vorfeld die Möglichkeit zur öffentlichen Bewerbung. Um die Konzertsituation spannender zu gestalten, wurden dann unterschiedliche Wohnverhältnisse ausgewählt: Das ging von einer Single-Wohnung voller Vinyl über eine überheizte WG bis hin zu einer kalten Garage. Eric war für die Auftritte Solo oder mit bis zu vier musikalischen Begleitern unterwegs.
Immer dabei waren der Produzent Lorenz Naumann sowie der Kameramann Alfred Jansen. Die Zusammenfassung von Tournee-Ereignissen kann übrigens als einstündige Dokumentation im Internet angesehen werden. Eine weitere Besonderheit von „13 Wohnzimmer“ ist, dass die Platte ausschließlich aus neuen Stücken besteht, es also keinen Bühnenaufguss bekannter Lieder gibt. Der Musiker wählte diese Verfahren, um Spontanität festzuhalten, Unerwartetes einzufangen und unterschiedliche Stimmungen und akustische Ausgangsvoraussetzungen nebeneinander zu stellen.
Musikalisch dem ruhigen Singer-Songwriter-Folk verhaftet, besteht „Die Zukunft“ inhaltlich sowohl aus der Aufzählung von floskelhaften Ratschlägen und Beobachtungen wie auch aus den von Zweckoptimismus getriebenen Gedanken zu Zukunftsperspektiven. So kann es kommen, nichts ist planbar: Wenn es im regenärmsten Tal der Welt regnet und man grade zufällig dann dort ist und der Auftritt bei einem Nachwuchswettbewerb mit einem Sturz ins Publikum endet, dann sind unwahrscheinliche Wahrscheinlichkeitseintritte aufgetreten. Diese können entweder als dummer Zufall oder aber als Fluch oder Verschwörung eingestuft werden. „Der Feind ist nicht der Tod, der Feind ist nicht die Zeit, der Feind ist die Vergeblichkeit. Das Blöde kommt im Plural, das Böse kommt in Horden. Und manchmal gibt`s nur eins was hilft, nämlich warten“, heißt es dazu in „Im regenärmsten Tal der Welt“.
„Vielleicht das ganze Jahr“ hört sich an, als wäre der Track eine Cover-Version eines Nils Koppruch-Songs, ist er aber nicht. Gibt es den Begriff „Liedermacher“ eigentlich noch? Also eine Bezeichnung für deutschsprachige Sänger, die ihre eigenen Kompositionen meistens zur Begleitung von akustischen Gitarren vortragen und dabei Geschichten erzählen, die sinnlich, lustig oder lehrreich sein können. Das trifft jedenfalls weitgehend auf „Um einen Sarg zu tragen, braucht man vier Leute“, „Hund“, „Die Zeit des Sterbens ist vorbei“ und „Zum letzten Mal jung“ zu.
Leicht überdrehte Ausgelassenheit verursachen die Chor-Damen in „Wecken“. Das Banjo klappert fröhlich, ein Akkordeon verbreitet Schunkelstimmung und die akustische Gitarre bestimmt den Rhythmus. Kratzige E-Gitarren-Akkorde verleihen „Ein Lied ist wie ein nackter Mann“ ein punkiges Image, das an die erste Platte von Billy Bragg denken lässt. Vielleicht sind schon alle harmonischen Akkorde einmal gespielt worden. Vielleicht erinnert „Zuckergewehr“ deshalb an einen akustischen Neil Young-Song.
Die Bass- und Gitarren-Begleitung von „Leute, die`s eilig haben“ geben der Komposition einen coolen Folk-Jazz-Anstrich und „Kino“ ist ein Lied über ein Paar, das sich dringend mal trennen sollte, erklärt Eric zu Beginn. Das leitet er davon ab, dass sie nicht mehr gemeinsam ins Kino gehen. Denn dort wird die Welt abgebildet, in der man gerne leben möchte. Ohne diese Anregung könnte ein Teil der Grundlage für die Bildung von Träumen verloren gehen. Nicht nur das Akkordeon erzeugt Schwingungen, die bei „In deinen Augen“ an Element Of Crime denken lassen. Auch das Versmaß und die Art, wie die Texte zwischen den Noten platziert werden, erinnert an die Kompositionstechnik von Sven Regener.
Das Experiment, das unkalkulierbare Element bei Live-Auftritten herauszufordern, ist geglückt. „13 Wohnzimmer“ ist so professionell ausgefallen, dass an der Tonqualität nichts auszusetzen ist und so lebendig geblieben, dass jeder Track ein Eigenleben vorzuweisen hat. Besetzung, Vortragsstil und Ausdruck wechseln sich ständig ab, so dass die Grund-Melancholie in unterschiedlichsten Grautönen erstrahlen kann. Das Publikum verhält sich durchgehend diszipliniert und nimmt die neuen Songs erwartungsvoll auf. Als Entertainer versteht es Eric, die jeweiligen, eventuell befremdlichen Auftritts-Situationen zu seinen Gunsten zu nutzen. Seine intelligenten, assoziativen Wortspiele und der intime, akustische Vortragsstil sind prädestiniert für diese spontanen, teil-improvisierten Konzerte.
Eric Pfeil gehört in die Kategorie solcher Komponisten wie Nils KoppruchGisbert zu Knyphausen oder Tom Liwa. Seine bildreiche, Gedankenspiele hervorrufende Lyrik und die Folk-nahe Begleitung bereichern die alternative deutschsprachige Pop-Musik und „13 Wohnzimmer“ stellt eine attraktive Variante zu herkömmlichen Konzert-Mitschnitten dar.
Und eine Doku kann über die Wohnzimmer-Tournee kann hier angesehen werden:

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