Dean Wareham Vs. Cheval Sombre (2018)

Karge Lieder auf der Basis von Country & Western und Folk-Songs: Dean Wareham und Cheval Sombre bauen eine emotionale Brücke zwischen gestern und heute auf.

Dean Wareham wurde am 01. August 1963 in Wellington (Neuseeland) geboren. Als er sieben Jahre alt war, zogen seine Eltern nach Sydney (Australien) und im Jahr 1977 ging es dann weiter nach New York. Dean platzte genau in den Punk hinein und sah Bands wie die RamonesBlondie, Talking Heads, Suicide und die B-52s, die genau wie The Velvet Underground seine musikalische Entwicklung prägten. Wareham ging anschließend in Boston zum College, verbrachte ein Jahr in Deutschland und kehrte danach nach Boston zurück. Hier gründete der Sänger, Gitarrist und Komponist 1986 zusammen mit Damon Krukowski (Schlagzeug) und Naomi Yang (Bass) eine nach dem Ford Galaxie 500 benannte Band. Die Musik von Galaxie 500 speiste sich vorwiegend aus coolem, behäbigem Folk-Rock, sowie aus unschuldigen, blumig-vernebelten Tönen. Das Ganze lief in der Regel unaufgeregt und langsam ab. Träge schleifende, traum- und rauschhafte, zumeist langsame Songs machten die Gruppe zum Kult-Tipp und zum Vorläufer von dem, was später unter der Schublade „Shoegazer“ vermarktet wurde.
Nach drei Alben lösten sich Galaxie 500 im Jahr 1991 auf und Dean Wareham schuf noch im selben Jahr mit der Formation Luna eine Dream-Pop-Variante seiner einflussreichen vorigen Band. Die neue Formation war quasi eine Alternative-Super-Group, denn sie beherbergte zu Beginn mit dem ehemaligen Chills-Bassisten Justin Harwood und dem ex-Feelies-Schlagzeuger Stanley Demeski zwei weitere Musiker aus anerkannten Insider-Bands. Der drogengeschwängerte, mild-psychedelisch aufgefrischte Vintage-Sound blieb nicht unbeachtet und fiel sogar The Velvet Underground auf, die Luna 1993 als Support-Act für ihre Reunion-Tour buchten. Bis zur Auflösung im Jahr 2004 traten noch weitere Künstler der Formation bei, unter anderem auch Deans spätere Ehefrau Britta Phillips am Bass, die vorher für Ben Lee und bei Ultrababyfat gespielt hatte. Wareham war dann nach dem Luna-Split weiterhin zusammen mit seiner Frau und Solo aktiv. 2017 gab es eine neue Luna-Studio-Platte mit Cover-Versionen und die Band ging wieder auf Konzert-Reise. Jetzt sucht Dean Wareham zusammen mit dem Poeten und Musiker Chris Porpora, der sich Cheval Sombre nennt, nach neuen Herausforderungen. Herausgekommen ist dabei eine Cover-Versionen-Platte, die mit Kindheitserinnerungen und Heldenverehrungen gespeist wird. Bei der Umsetzung halfen Britta Ohillips (Bass, Gesang, Keyboards), Jason Quever (Keyboards, Gitarre, Produktion), Anthony La Marca von The War On Drugs (Schlagzeug und Lap-Steel-Gitarre) und der Schlagzeuger Will Halsey von Sugarcandy Mountain.
Staubtrocken interpretieren die beiden Individualisten die Country & Western-Schnulze „The Bend In The River“ von Marty Robbins. Süßliche Western-Romantik wird so durch griffige Intimität ersetzt. Bei der Version von „Tomorrow Is A Long Time“ von Bob Dylan wird die Sensibilität des Originals bewahrt und in den Fokus der neuen, schlichten Sicht gerückt. Das poetische, zärtliche „Mountains Of The Moon“ hat der Bluegrass-Musiker Michael Holland im Jahr 2005 für seine Song-Sammlung „Tomorrows American Treasures“ aufgenommen. Das Duo fährt das Tempo noch weiter runter und setzt bei ihrer Fassung auf die Erzeugung von Demut und Zuversicht. „If I Could Only Fly“ klingt wie ein trauriger Minimal-Folk aus dem dritten The Velvet Underground-Album, ist aber im Original ein intimes, zerbrechliches Lied des texanischen Troubadours Blaze Foley.
Das Traditional „Wayfaring Stranger“ wurde schon vielfach ergreifend und hymnisch interpretiert. Auch diese Version reiht sich nahtlos und unauffällig in den Reigen der reifen, schönen Interpretationen ein, während das Volkslied „Alberta“ einen elektrischen, stampfenden Alternative-Rock-Anstrich erhält. „Wand'rin' Star“ stammt aus dem Soundtrack des Western „Paint Your Wagon“ und wurde 1969 mit tiefer Brummstimme von Lee Marvin mehr gesprochen als gesungen. Wareham & Sombre gestalten das Lied im leichtgängigen Country-Surf-Sound. Das zärtlich-intime „Greensboro Woman“ der Country-Folk-Ikone Townes Van Zandt wird dann in einen introvertierten Song mit psychedelischer Note transferiert. „My Rifle, My Pony And Me“ haben Dean Martin und Ricky Nelson im John Wayne-Western-Klassiker „Rio Bravo“ von 1959 sehnsuchtsvoll gesungen. In der neuen Fassung wird die romantische Wild-West-Atmosphäre mit singender Säge und zaghafter Akustikgitarre nachgestellt. „Grand Canyon“ von The Magnetic Fields um Stephin Merritt ist in der Vorlage ein hymnischer Electro-Pop und als Cover-Version ein leicht sperriger Folk-Song geworden.
Die beiden Musiker wissen, dass ein Song berühren muss, um wahrgenommen zu werden. Dabei ist es egal, ob es sich um eine sentimentale Schnulze aus einem Western oder um einen coolen, bizarren, elektrischen Folk-Song handelt. Wareham & Sombre zelebrieren ohne großen Schnickschnack die aufbauende, helfende Kraft, die einem Song innewohnen kann. Dass dabei die eine oder andere Träne verdrückt wird, gehört dazu. Denn auch die harten Männer in den Western hatten häufig einen weichen Kern und das hat sie schließlich liebenswert erscheinen lassen. Diese von den Künstlern als „Western Dream Pop“ bezeichnete Musik ist auf natürliche Weise berührend. Sie setzt auf die Wirkung von übersichtlich angeordneten Tönen, die transparent erschallen und eine gedämpfte Stimmung verbreiten. Flirrender und filigraner Folk-Rock mit psychedelischen Spritzern und leicht vernebelter Gesang bilden dabei die Basis dieser sympathischen Nabelschau. Der Sound ist nicht neu, wird aber mit Übersicht und Gefühl aufbereitet, so dass das Ergebnis durchaus als zeitlos bezeichnet werden kann.
Vom Album gibt es auch einen Trailer:

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