ROBERT COYNE - OUT OF YOUR TREE (2018)

Sein neues Werk heißt OUT OF YOUR TREE und ist sehr anregend ausgefallen. Hier gibt es eine Beschreibung:

Trance-Folk oder Hypno-Pop: Robert Coyne vermittelt zwischen alten Werten und unverbrauchten neuen Strömungen.


Künstlerkinder stehen häufig im Schatten ihrer bekannten oder berühmten Eltern, wenn sie sich auch an die Öffentlichkeit wagen. Sie werden mit ihren Erzeugern verglichen oder bekommen von vornherein ein subjektiv erstelltes Image zugewiesen. Aufmerksamkeit ist ihnen also meistens gewiss, aber zu welchem Preis?
Robert Coyne ist der Sohn des sperrigen, knurrigen, englischen Folk- und Blues Musikers Kevin Coyne, der 1969 von dem BBC-Kult DJ John Peel mit seiner Band Siren unter Vertrag genommen wurde. In den 1970er Jahren begann er unter eigenem Namen aufzunehmen und wurde als singender Sozialarbeiter bezeichnet, weil er die Erfahrungen aus seinem bürgerlichen Beruf mit der Musik und den Texten verband. Durch seinen kompromisslosen Stil gewann er eine kleine, aber treue Hörerschaft und avancierte zum Kritikerliebling. Anfang der 1980er Jahre wurden seine Veröffentlichungen nur noch auf Independant-Labels veröffentlicht und kaum wahrgenommen. Daraufhin verfiel Kevin in Depressionen, die er versuchte mit Alkohol zu bekämpfen, was ihn jedoch im Zusammenhang mit dem Scheitern seiner Ehe in einen Nervenzusammenbruch stürzte. Mitte der 1980er Jahre hatte er sich wieder gefangen, zog nach Nürnberg und frönte neben der Musik auch der Malerei.
Ab 1993 kam der 1969 geborene Robert ins Spiel und wirkte auf einigen Platten seines Vaters als Gitarrist mit. Zunächst fühlte er sich noch nicht als Sänger wohl und war unsicher, was seine Stimme anging. So betätigte er sich zunächst als Musiker für z.B. Eric Burdon, die Garagen Rocker The Barracudas und The Scientists, sowie als Sideman bei Amy Rigby oder Spooky Tooth. Nachdem sein Vater 2004 gestorben war, wagte sich Coyne jr. langsam auch daran, seine Rolle als Sänger und Komponist anzunehmen. 2006 komponierte Robert den Soundtrack für den preisgekrönten Dokumentarfilm „The Great Happiness Space“ und 2007 kam sein erstes Soloalbum „Death Is Not My Destiny“ raus. Es folgten unter anderem drei Platten, bei denen er vom monoton-federnden Can-Schlagzeuger Jaki Liebezeit begleitet wurde. Dessen Tod im Jahr 2017 beendete leider jäh diese fruchtbare Zusammenarbeit. Das neue Werk „Out Of Your Tree“ ist nun in erster Linie eine Verneigung vor seinem ehemaligen musikalischen Partner, aber auch ein Neubeginn unter veränderten Vorzeichen.
Es war Robert schon von vornherein gelungen, sich vollständig vom eigenwillig-schroffen Stil seines Vaters zu lösen. Er präsentiert sich als ein smarter Typ mit Sinn für sanft-coolen Gesang, Trance-ähnlichen Abläufen und fein gesponnenen Melodien. Nach eigenen Aussagen sind seine größten Vorbilder der Folk-Avantgardist John Martyn, der Folk-Jazzer Ryley Walker und die Punk-Art-Rock-Minimalisten von Suicide. Beim neuen Album begleitet sich Coyne hauptsächlich auf der akustischen Gitarre, spielt aber auch E-Gitarre, Bass, Keyboards und Effekt-Geräte. Werner Steinhäuser aus der Band seines Vaters verstärkt ihn am Schlagzeug und spielt Percussion, außerdem singt seine Frau Wendy bei zwei Tracks mit.
Robert Coyne: Out Of Your Tree (LP) – jpc
„I Am The Sun“ eröffnet die Platte temperamentvoll. Die galoppierend-hüpfenden Drums werden von der akustischen Gitarre angestachelt, Roberts Gesang bleibt aber in dieser gut gelaunten Situation relativ gedämpft. Die sich wiederholenden Abläufe erzeugen für „Bonus Track“ eine swingende Spannungsebene, die die Grundlage für die Einbettung von harmonieverträglichen, psychedelischen E-Gitarrenläufen legt. „Secret Messages“ nutzt dann ähnliche Mechanismen, um eine alternative Form von Groove-Folk herzustellen.
Für „Consider The Cod“ lässt Robert seine Stimme am Ende der Textzeilen sanft ausgleiten, was dem monoton gestimmten Lied eine laszive Note verleiht. „O Julia“ wurde schon 2014 für das Hörspiel „Leben und Ansichten von Tristram Shandy, Gentleman“ des Autors und Kritikers Karl Bruckmaier realisiert. Das Lied ist eine betont leise Ballade, die von exotischer Percussion, Echo-Effekten und melodischen E-Gitarren-Akkorden getragen wird. Eine Echo-Gitarre prägt „Hound Of Fate“ und verleiht dem munteren Stück eine skurrile Eigenart und einen bizarren Charme.

Der Art-Pop „Out Of Your Tree“ gibt sich sowohl gedankenverloren, wie auch aufgeheitert. „Arty-Farty“ setzt dagegen auf einen durchgängigen Beat, der dem Pop-Song Druck verleiht. Das mechanisch ablaufende „True For You“ gewinnt durch die manchmal kurz eingesetzte zweite Stimme von Wendy Coyne an Grazie. Ansonsten wäre der Track unnahbar und kühl geblieben. Der liebliche Folk-Jazz „Not Good Enough“ verzaubert durch eine geschmeidige Melodie, die durch feinen Gesang geadelt wird und die ätherische Gospel-Hymne „It Might Never Happen“ verglüht kurz nach ihrem Erscheinen schon wieder.
Von Robert Coynes charmant-hypnotischem, nüchternem Stil könnten sich auch Menschen angesprochen fühlen, die z.B. über Jack Johnson, Oren Lavie oder Ben Howard das Singer-Songwriter-Genre entdeckt haben. Bemerkenswert an den Robert Coyne-Songs ist die Tatsache, dass sie bei aller gewollten rhythmischen Gleichförmigkeit und Risikobereitschaft einen sympathischen, eingängigen Pop-Kern offenbaren. Der sentimentale Coyne lässt sich gerne von der Melancholie leiten und die Isolation ist ein wichtiges Thema auf „Out Of Your Tree“, wie er betont. Es ist ihm wichtig, sich zu verändern, das kann durchaus radikal erfolgen. Damit ist er seinem Vater sehr ähnlich. Seine Musik soll der Hörerschaft ein besonderes, spezielles Erlebnis verschaffen. Dieses Versprechen löst er mit seinem neuen Werk schon oft ein, indem er eine versöhnliche Brücke zwischen avantgardistischem Folk und zeitgenössischem Pop aufbaut.

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