Sugarfoot - In The Clearing (2019)

Leicht veränderte Perspektiven führen bei den Americana-Jüngern von Sugarfoot aus Norwegen bei "In The Clearing" wieder zu einem außerordentlichen Ergebnis.
Sugarfoot ist Norwegens bestgehütetes Americana-Geheimnis, denn leider ist das famose Projekt bisher nur wenigen eingeweihten Kennern ein Begriff. Dabei gibt es seit 2012 schon vier Longplayer von der Gruppe, die kaum Wünsche offen lassen. Den Kern des Ensembles bilden Øyvind Holm und Hogne Galåen, die je nach Bedarf weitere Künstler in ihren Cosmic American Music-Sound einbetten, den sie weiter und buchstabengenauer fassen, als es sich Gram Parsons, der Erfinder dieser Stilrichtung, wohl vorgestellt hatte. Er wollte lediglich Musik kreieren, die Country-Liebhaber und Hippies unter einen Hut bringt. Sugarfoot erweitern ihre ländlich geprägten Tongebilde bisweilen um berauschende, wahrlich himmelwärts strebende, psychedelische West-Coast-Rock-Bestandteile.
„The Santa Ana“ von 2017 wurde noch im kalifornischen Wüstenstädtchen Joshua Tree aufgenommen, wo Gram Parsons 1973 vermutlich an einer Überdosis aus Morphium und Alkohol starb. Für „In The Clearing“ - das jetzt als Zweitauflage der Vinyl-Pressung mit CD oder als Download erscheint - zog es die Musiker um den Bassisten Bent Sæther (Motorpsycho) und Roar Øien an der Pedal Steel Guitar ins ländliche Noyant-La-Gravoyère in Frankreich, das zwischen Nantes und Rennes liegt. Hier bezogen die Musiker das Black Box Recording Studio, welches in einer ehemaligen Scheune untergebracht wurde.
Die neue Aufnahmesituation löste vermutlich auch eine etwas veränderte Wahrnehmung aus, die zu einem im Detail angepassten Kurs führte: Für „Changing Times“ paart sich eleganter, melodisch verwinkelter Pop mit schwelgendem Country-Rock unter Hinzunahme von rhythmisch beweglicher Exotik und brodelnden Orgel-Salven. Das klingt, als würden Steely Dan, die Ozark Mountain Daredevils („Jackie Blue“) und 749, Santana aufeinandertreffen. Der schüchterne, intime Country-Folk „Cotton Candy Clouds“ strahlt danach Ruhe, Harmonie und Gelassenheit aus. Er zeigt deutlich auf, dass nicht nur die Eagles ein stimmiges „Peaceful Easy Feeling“ erzeugen können. Der pulsierende, energische Country-Rock „In The Clearing“ weist komplexe Harmonien und Taktarten auf, gönnt sich aber auch eine Verschnaufpause, die mit zerbrechlich-schwebendem Folk ausgekleidet wird. 
Schmeichelnde Soft-Rock-Tendenzen verleihen dann „Ladybug Fly“ einen Wohlfühl-Charakter, der das Lied als milden Seelentröster erscheinen lässt. „Just A Dream Away“ füllt im Anschluss die Lücke, die die Beatles zwischen dem Power-Pop von „Revolver“ (1966) und den bunten Klängen auf „Sgt. Pepper`s Lonely Hearts Club Band“ (1967) hinterlassen haben. Bei „The House On The Hill“ trifft Groove überraschenderweise auf Pop und Funk-Rock auf sphärischen Dark-Country. Der akustische, sensible und verspielt arrangierte Country-Folk „Pretty Miss Darkness“ offenbart als Kontrast dazu eine raffiniert verschachtelte Melodik.
„Original Sin“ mutiert von einem hastig angetriebenen, Bass-lastigen Pop-Song zu einem Steel-Guitar-getränkten, monoton stampfenden Desert-Rock-Monster. Gesanglich bleiben die beiden Frontmänner auch hier stets zurückhaltend. Das rocken überlassen sie dem Rhythmusgespann und den Gitarren. Das finale „Foggy Town/Pt.2 (Noyant-La-Gravoyère)“ bewegt sich gekonnt haarscharf an der Grenze zwischen Schnulze und bitter-süßer Romanze entlang, bevor ein perkussiv-hypnotischer Jam-Rock folgt, der die gefühlvolle Stimmung auflöst und damit auch die Vielseitigkeit der Gruppe unterstreicht.´Die Erstpressung der LP wurde noch durch eine beiliegende Bonus-7inch-Single bereichert: „Another Tinfoil Morning“ ist ein gradliniger, stürmischer Titel, der zu Recht als Vorzeige-Lied auf eine Single gepresst wurde, um hoffentlich oft im Radio zu laufen. Mit „Valentine“ gibt es dann auf der anderen Seite einen nicht minder interessanten und verlockenden Harmony-Pop reinsten Wassers zu hören, der sich unter den richtigen Bedingungen genauso zum Hit mausern könnte.
Sugarfoot ist auch mit „In The Clearing“ wieder ein außergewöhnlich durchdachtes, faszinierendes Gesamtkunstwerk gelungen, das die Norweger auf der vorsichtigen Suche nach alternativen Ausdrucksmöglichkeiten zeigt. So binden sie Pop- und Funk-Elemente nahtlos in ihren speziellen, traditionsverbindenden, verzückenden und harmoniesuchenden Americana-Sound ein. Die Platte ist nahezu makellos: Der Gesang begleitet die Songs souverän, die Melodien wirken inspiriert und die Soli sind prägnant, aber nicht ausufernd. Das meisterliche Album kann nicht nur jedem West-Coast-Rock-Fan wärmstens empfohlen werden. Wer sich in neuerer Zeit z.B. an The Psychedelic Cowboys, Beachwood Sparks oder Israel Nash erfreut hat, wird auch von Sugarfoot besonders zufrieden gestellt werden. Und alle anderen Leser, die an anspruchsvoller Americana interessiert sind, sollten sich die großartigen Platten der norwegischen Frei- und Feingeister auch nicht entgehen lassen.
Erstveröffentlichung dieser Rezension: Sugarfoot - In The Clearing

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