R.E.M. - Monster (1994 / 2019)

25 Jahre „Monster“: Als R.E.M. 1994 ihre Rock-Wurzeln reaktivierten.

2008 gaben sie ihr letztes Konzert in Mexico City, Anfang 2011 nahmen sie für „Collapse Into Now“ in den Hansa Studios in Berlin das letzte Mal gemeinsam Songs auf und im September 2011 verkündeten sie das Ende von R.E.M.. Damals hatten (nicht nur) Michael Stipe (Gesang), Peter Buck (Gitarre) und Mike Mills (Bass) den Eindruck, alles sei gesagt und getan worden. Weitere Aktivitäten würden nur noch Wiederholungen mit sich bringen. Heute werden die Musiker allerdings schmerzlich vermisst, weil sie eine Konstante für ehrliche, aufrichte Statements, bedeutende Songs und Integrität gewesen waren. Begonnen hatte alles 1980 in Athens, Georgia, als sich die Musik-Nerds zusammen mit dem Schlagzeuger Bill Berry in der Subkultur herumtrieben, um kantigen, lauten Garagen-Rock wieder hoffähig zu machen.
Mit ihrer ersten Single „Radio Free Europe“ trug das Quartett 1981 zur Verbreitung des Alternative-Folk-Rock und College-Rock bei. „Lifes Rich Pageant“ war dann 1986 das erste Album mit Gold-Status. Mit dem Nachfolger „Document“ und der ersten Top-10-Single „The One I Love“ feierte die Gruppe 1987 den endgültigen kommerziellen Durchbruch. Das abwechslungsreiche, üppig instrumentierte „Out Of Time“ von 1991, welches die Mega-Hits „Losing My Religion“ und „Shiny Happy People“ abwarfen, ließ die Musiker schließlich zu international anerkannten Superstars aufsteigen. Dieser Erfolg konnte 1992 mit dem intimen, behutsamen „Automatic For The People“ noch übertroffen werden, was auch an den Single-Auskopplungen „Drive“, „Everybody Hurts“ und „Man On The Moon“ lag.
Die Musik war im Laufe der Jahre immer detailverliebter, variantenreicher und nachdenklicher geworden, so dass den Künstlern mal wieder der Sinn nach Rock & Roll stand. Ein krachendes Album sollte her und mit dem Produzenten Scott Litt bot sich ein guter Bekannter als Wunsch-Partner an. Der Glam-Rock der 1970er Jahre von T. Rex oder David Bowie wurde offiziell als Inspiration für „Monster“ genannt, dessen Realisierungszeit zwischen Oktober 1993 und Mai 1994 lag. Einige Songs des Werkes klingen jedoch eher nach Punk und Grunge oder referenzieren auf Iggy & The Stooges. Beim Live-Favoriten „What’s The Frequency, Kenneth?“, bei „Crush With Eyeliner“ oder „I Took Your Name“ vibriert die Luft durch heftig schwirrende, an- und abschwellende Resonator-Gitarren-Läufe. Das stumpf rockende „King Of Comedy“ und der Ohrwurm „Bang And Blame“ vermitteln noch die stärksten Assoziationen an den Glam-Rock. „I Don`t Sleep, I Dream“ und „Star 69“ führen in die Garagen-Rock-Vergangenheit der Band zurück: „I Don`t Sleep, I Dream“ zeigt sich zwar gefühlvoll, ist aber von einem elektrisch geladenen Stacheldrahtmantel umgeben, während „Star 69“ punkig aufrüttelt.
Die ursprünglichen Studioaufnahmen wurden am 05. April 1994 durch die Nachricht des Todes von Kurt Cobain jäh unterbrochen. Michael Stipe stand dem Nirvana-Frontmann sehr nahe, so dass er als Reaktion den mit wütend-gleißenden E-Gitarren durchzogenen Song „Let Me In“ als Widmung schrieb. „Circus Envy“ trägt die zerstörerische Wut von „You Really Got Me“ der Kinks in sich. Mit fräsenden Gitarren-Tönen wird noch zusätzlich Störfeuer gelegt, während der psychedelische Schleicher „You“ seine Wurzeln, die im Westcoast-Rock von The Doors und Quicksilver Messenger Service liegen, offenbart.
Aber nicht alle Songs sind aggressiv gestimmt und geraten aus den Fugen: Im Geiste von „Everybody Hurts“ (von „Automatic For The People“) geht „Strange Currencies“ anrührend zu Herzen und die wohligen Orgelschübe sowie der Falsett-Gesang lassen „Tongue“ zu einem andächtigen Gospel-Soul aufblühen. Die vorliegende Doppel-CD-Ausgabe zum 25jährigen Jubiläum enthält das von Greg Calbi remasterte neunte Album von R.E.M. und erstmalig auch eine Remix-Version, die von Scott Litt betreut wurde. Der Unterschied zum Original liegt darin, dass Veränderungen bei der Abmischung vorgenommen, alte Effekte minimiert und neue Bestandteile hinzugefügt wurden. Vor allem der Gesang kommt durch die Bearbeitung besser zur Geltung, denn er ging bisher manchmal im Klanggewitter unter.
Auch wenn es auf der Doppel-CD anders als beim Deluxe-Box-Set (bestehend aus5 CDs und einer Blu-Ray) keine Bonus-Tracks gibt, lohnt sich die Anschaffung. Die Remaster-Version belegt, dass das Album in Würde gealtert ist und der Remix gibt eine Vorstellung davon, was Scott Litt im Nachhinein an der Produktion verändert hätte, da ihm sein Mix nie so richtig gefiel. Da gibt es durchaus interessante Erkenntnisse: So wurden die prägnanten Stakkato-Overdub-Gitarren im Refrain von „What’s The Frequency, Kenneth?“ entfernt 


und „Crush With Eyeliner“ erhielt einen geschmeidigen Pop-Anstrich, ohne danach jedoch seicht zu klingen. „Tongue“ bekam eine stärkere rhythmische Unterstützung und bei „Let Me In“ steht in der Überarbeitung der verletzte Ausdruck in der Stimme von Michael Stipe im Vordergrund, nicht die rabiate Gitarre von Peter Buck.
Auch wenn derzeit keine Neuauflage von R.E.M. geplant ist, gibt es gute Nachrichten für die Fans, denn Michael Stipe hat bereits achtzehn Songs fertiggestellt, die für ein erstes Solo-Album zur Verfügung stehen.
Erstveröffentlichung dieser Rezension: R.E.M. -Monster (25th-Anniversary-Edition)

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