Casper Clausen - Better Way (VÖ: 08. Januar 2021)

Casper Clausen ist nicht nur Mitglied des Electro-Pop-Projektes Liima, sondern vor allem mit der im Jahr 2000 gegründeten dänischen Gruppe Efterklang (was so viel wie Nachhall heißt) bekannt geworden. Dieses Trio lässt seinen Art-Pop mathematisch exakt erklingen, musiziert dabei aber auch sinnlich-entrückt. In dieser Tradition spielt sich auch der Solo-Einstand des Sängers ab. Unter eigenem Namen hantiert er gerne mit Gegensätzen und siedelt seine Kompositionen unter anderem zwischen wohlklingendem Anspruch und hymnisch verklärter Eingängigkeit an. 

Die erste Single-Auskopplung "Used To Think" beginnt mit stoisch-hektischen Krautrock-artigen Loops, die an solche Bands wie Neu! oder Kraftwerk erinnern. Erst nach etwa drei Minuten werden die gleichförmigen Takte milder gestimmt und von selbstbewusstem, sanft gedehntem Gesang umweht, so dass der mechanisch wirkende Eindruck eine menschliche Facette verliehen bekommt. 
Casper Clausen sucht das Risiko. Er versteht seine Kunst nicht als statisches Konstrukt, sondern forscht nach Verbindungen, die zumindest den Eindruck vermitteln sollen, in dieser Konstellation bisher unentdeckt gewesen zu sein. "Feel It Coming" ist solch eine Erfindung, die sich gängigen Mustern entzieht. Abenteuerlich werden hier windschiefe Sounds, energiegeladene Beats und geheimnisumwobene Gesänge montiert. Auf diese Weise entstehen Geräusche, die herausfordernd erscheinen, obwohl ein melodischer Grundgedanke erhalten bleibt. Das ist freigeistiger Pop, der mehr Klangmalerei als ausgestalteter Song ist.

"Dark Heart" tritt nicht offensiv ins Bewusstsein, denn die Musik trägt einen Schleier, wirkt rauschhaft oder schlaftrunken oder wie ein benommener Moment zwischen Traum und Erwachen. Rhythmen kreiseln stoisch wie Gedanken im Fiebertraum und die Stimme taumelt träge dahin, ist leicht verfremdet, aber tapfer um Harmonie bemüht. Auch für "Snow White" werden Dauerschleifen so eingesetzt, dass die Musik irritierend und fremd wirkt. Erst mit dem Einsatz einer verwehten Trompete und dem melancholisch flehenden Gesang kehren warme Emotionen in das Stück ein. Brüche und gesangliche Verwerfungen sorgen jedoch immer wieder für seltsam-skurrile Wendungen in diesem rhythmisch unnachgiebigem Track.

Elemente aus der anglo-amerikanischen und indigenen Folklore begleiten "Falling Apart Like You", das wie ein aus dem Rahmen gefallener Pop-Song erklingt, dem versehentlich die falschen Background-Spuren zugeordnet wurden. Ätherischer, teils hoher Gesang, schwirrende psychedelische Töne und grummelnd-blubbernde Hintergründe bestimmen die Klangfarben von "Little Words". Dieser Soundwall wird in eine Melodie eingepasst, die isoliert betrachtet leicht und locker klingen würde. Diese Collage-Technik macht den Reiz der Casper Clausen-Tracks aus: Avantgarde trifft sich mit Pop-Mainstream zu einer Gartenparty im LSD-Rausch. Das ist sonderbar, aber unterhaltsam.

Die New Wave-Disco der 1980er Jahre lebt mit "8 Bit Human" wieder auf. Streiflichter von New Order oder The Sisters Of Mercy sorgen für bildhafte Erinnerungen. In der Mitte des Stückes kommt es zu einem abgründigen, destruktiven Zwischenspiel, bevor sich der Track wieder fängt und als ungeordnet erscheinender Pseudo-Power-Pop zu Ende geführt wird. Das finale "Ocean Wave" verbindet verträumte Space-Sounds, ausdauernde Minimal-Art-Takte im Science-Fiction-Look und sanft-introvertierten Gesang zu einer berührend-intimen Liebeserklärung an das Meer und an Lissabon, wo der Musiker derzeit lebt. 

Die Sound-Landschaften auf "Better Way" wurden von Peter Kember alias Sonic Boom in Szene gesetzt. Das Gründungsmitglied von Spacemen 3 kennt sich mit halluzinogenen und avantgardistischen Klängen aus, so dass er die Ideen von Casper Clausen verstehen und klangtechnisch sinnvoll zuordnen konnte. Clausen geht keine Kompromisse ein, besinnt sich auf seine Vorstellungskraft, scheut nicht das Experiment, bewahrt sich aber sein Pop-Verständnis, so dass die Songs nicht völlig aus dem Ruder laufen. Das macht sie sowohl für Freunde des anspruchsvollen Pop, wie auch für Entdecker, die zwischen ernster und unterhaltsamer Musik keine grundsätzliche Unterscheidung machen, interessant.

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