Anders Enda Barnet - You Are The River

 
Anders Enda Barnet ist der Künstlername des schwedischen Musikers Anders Göransson und "You Are The River" ist sein zweites Album nach "I Was Quiet" von 2016. Anders ist unter anderem Fan von Warren Zevon und Elton John. Dessen Musik brachte ihm sein Vater - ein Jazz-Schlagzeuger - nahe, um ihn als Kind zum Klavier spielen zu animieren (hat ja auch geklappt).
Auf "You Are The River" wird der Schwede von erfahrenen Musikern auf seinem Weg begleitet. Das sind im Einzelnen: Anders Grahn, der auch für die Black Eyes Peas und Anastacia arbeitete und in der Band von Daniel Norgren Bass spielt. Dann unterstützt ihn noch Daniel Skoglund, der als Songs Of Boda beispielsweise im Jahr 2018 das wunderbare Album "Iago" einspielte sowie der Schlagzeuger Per Svenner, der Mitglied der Bands Räfven und Maybe Canada ist. Vervollständigt wird das Ensemble noch durch Lars Niklas Hedström, der als Rambling Nicholas Heron "Indiefolkrockboogieblues" zu seinem Markenzeichen gemacht hat.

Anders Enda Barnet liebt das Spiel mit Identitäten und Verweisen. Für das unkompliziert groovende "Sunshine Hits Your Eyes" setzt er eine quäkend-fiepsende Farfisa-Orgel ein, die direkt an The Black Keys erinnert. Andere schwirrende Keyboard-Töne lassen eher an Creedence Clearwater Revival denken. Rhythm & Blues, Roots-Rock und Sunshine-Pop begegnen sich hier auf Augenhöhe.
Der erste Eindruck bei "Easy Way Of Living" war: Das ist leichter Pop fürs Radio, sicherlich angenehm bei langen Autofahren, gewinnt aber keinen Innovations-Preis. Helle, hohe Keyboard-Töne unterstützen die Melodie und wirken wie aus einem Billig-Synthesizer der 1980er Jahre entliehen. Die Rhythmus-Fraktion hält stark, druckvoll und tapfer dagegen und am Ende des Stückes gibt es durch ein engagiertes Gitarren-Solo noch Rettung vor dem klebrigen Pop-Sumpf. Der zweite Eindruck war: Was für ein freundlicher, gradliniger Ohrwurm!
Bei "You Turned Off All The Lights" erinnert der Gesang und der Songaufbau tüchtig an Conor Oberst und Bright Eyes. Das ist sicher nicht unbedingt eine schlechte Referenz, aber die Ähnlichkeit ist doch zu frappierend. 
Allerdings sorgt die Flöte für eine besondere, seltene Klangfarbe.
Im Rahmen der Entwicklung von "A Heavier Lid" hat Anders dann jedoch sein Gespür für interessante, geschmackvolle Arrangements eingebüßt. Der Song ist seicht und schmalzig. Die Panflöte vermittelt außerdem noch den Eindruck von aufgesetzter, schnöder Touristen-Unterhaltung.
"Easy To Leave" entstand, als Anders mit einer alten Drum-Machine rumspielte, die aus dem Bestand seines Vaters stammte. Der elektronische Beat erinnert an "In The Air Tonight" von Phil Collins, zumindest meint Anders das. Die schwermütige Ballade wird von schwirrenden Tönen umgeben, die sie in einen Traum-ähnlichen Zustand versetzt.
Der Track "You Are The River" beschwört gesangstechnisch die Eindringlichkeit und bittere Süße von Gram Parsons. Aber dessen wehmütiger Schmerz in der Stimme bleibt wohl einzigartig und unerreicht. Zumindest beweist Anders Enda Barnet, dass er starke Vorbilder hat, nach denen er sich ausrichtet.
Mit "High Like Mountains" legt es der Schwede wieder einmal darauf an, einen anrührenden Dauerbrenner zu installieren. Das Prinzip: Eine sanfte Melodie, die zum schwelgen einlädt, macht den Türöffner. Der zuckersüße Refrain erwischt einen dann eiskalt, wickelt die Sinne ein und ob man will oder nicht, der Song hakt sich fest. 
Der Instrumentaltitel "Back To Back" verbindet danach Tragödien-Soundtrack-Stimmung mit Jazz-Improvisation und schafft sowohl eine spannende wie auch undurchsichtige Atmosphäre. 

Anders Enda Barnet setzt leichte Duftmarken, aber noch keine eindeutigen, bedeutenden Zeichen, was seine musikalische Souveränität angeht. Jeder Song liefert Referenzen, transportiert verlässliche Werte und schmeichelt den Ohren. Aber bei der Einverleibung von Inspirationen leidet manchmal doch die Originalität, weil das Gedankengut zu offensichtlich eingesetzt wird.

Die besondere Stärke von Anders Enda Barnet liegt darin, dass er entwaffnende Pop-Songs schreiben und interpretieren kann. Diese Lieder sind zwar einfach und durchsichtig strukturiert, aber man kann sich ihrer einnehmenden Wirkung nicht entziehen ("Sunshine Hits Your Eyes", "Easy Way Of Living", "Easy To Leave", "High Like Mountains"). Das abschließende Instrumental-Stück geht in die entgegengesetzte Richtung und zeigt den Musiker als ernsthaften Erzeuger von Kopfkino stiftenden Tönen. Auch das gelingt überzeugend. Wie gesagt, "You Are The River" ist noch nicht der große Wurf, dürfte aber ein wertvoller Schritt auf dem Weg zur eigenen Identität sein.

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