Roger McGuinn - Original Album Classics

Die ersten fünf Soloalben des legendären Byrds-Leaders Roger McGuinn gibt es jetzt im Schuber. Prima Futter für Folk- und Country-Rock-Anhänger sowie The Byrds-Komplettisten.
Als Roger McGuinn im Jahr 1964 The Byrds gründete, waren zwar die Beatles seine Vorbilder, er hatte aber für sich andere Klangvorstellungen im Ohr. Folk und Rock & Roll sollten zu schwirrenden Tönen verbunden werden. Dabei spielte seine zwölfsaitige elektrische Rickenbacker-Gitarre eine zentrale Rolle, um diesen ländlichen Space-Sound entstehen zu lassen. Das war die Basis für ein Ensemblespiel, das unter anderem auch noch psychedelische Musik und Country verwertete und die Gruppe zu einer der einflussreichsten US-Bands werden ließ. 1965 kamen mit „Mr. Tambourine Man“ und „Turn, Turn, Turn“ gleich zwei Langspielplatten heraus, die auch die Vorliebe und das Geschick herausstellten, aus sperrigen Bob Dylan-Vorlagen wohlklingende Folk-Rocker zu entwerfen. Die Byrds gab es mit Unterbrechungen und zahlreichen Umbesetzungen noch bis 1973, Roger McGuinn war dabei stets eine Konstante und autoritäre Identifikationsfigur.
Original Album Classics - Mcguinn, Roger: Amazon.de: Musik
Das Original Album-Set beleuchtet lückenlos dessen Solo-Tätigkeit von 1973 bis 1977. Für die „Original Album Classics“-Reihe wurden fünf CDs in Papphüllen gesteckt, die mit dem Originalcover versehen sind, aber kein Booklet enthalten. Die Silberlinge sind zusammen in einer Pappbox erhältlich.
Das erste Solo-Album von McGuinn erschien kurz nach der The Byrds-Reunion-Platte im Jahr 1973 und war damals kein großer kommerzieller Erfolg, ist musikalisch aber sehr lohnenswert. Es enthält etliche interessante Songs, so wie den Psychedelic-Rock „My New Woman“, der von David Crosbys „If I Could Only Remember My Name“ (1970) inspiriert zu sein scheint. Dann noch die Cover-Version von David Wiffens „Lost My Driving Wheel“, die als cooler und cleverer Country-Rock überzeugt. „Bag Full Of Money“ hört sich wiederum wie ein gelungener Outtake aus dem Country-Rock-Referenzwerk „Sweetheart Of The Rodeo“ der Byrds an und „M`Linda“ offenbart mit einer exotisch-karibischen Note ungewohnte Klangwelten. „Roger McGuinn“ ist eine vielfältige, großartige Leistungsschau über die Soundvorstellungen des in Chicago geborenen Musikers mit hochwertigen Beispielen seiner Kunst, die auch auf den Byrds-Alben nicht negativ aufgefallen wären.
„Peace On You“ (1974) und „Roger McGuinn & Band“ (1975) waren von persönlichen Schwierigkeiten und Veränderungen wie Scheidung, Alkohol- und Drogenproblemen sowie einer religiösen Orientierung geprägt. „Peace On You“ wird völlig zu Unrecht oft als Flop eingestuft, dabei bietet die Platte mindestens solide Kost, hat aber auch ein paar herausragende Tracks zu bieten: „Going To The Country“ ist ein federnder Folk-Rock, der auch aus dem Repertoire von Stephen Stills‘ Manassas stammen könnte, und die schöne Gospel-Folk-Ballade „Do What You Want To Do“ wird mit himmlischen Steel-Guitar-Einlagen verziert. Das ruhige „Together“ überrascht mit Passagen, die an den Byrds-Song „Wasn`t Born To Follow“ aus dem Easy Rider-Soundtrack und an mexikanische Volksmusik erinnern. „Better Change“ und „The Lady“ sind gestandene, gefühlvolle Folk-Rocker mit gebremstem Temperament und akzentuierten Gitarren-Linien.
Auch „Roger McGuinn & Band“ versucht, an alte Großtaten anzuknüpfen, scheitert aber an der Umsetzung. Es wird ein Rocksound mit dicker Hose fabriziert, der die McGuinn-typischen Eigenarten, die ihn wie eine Mischung aus John Lennon und Bob Dylan klingen lassen, in den Hintergrund drängt. So verliert er auch bei bewährten Songs wie „Knockin` On Heavens Door“ von Dylan oder den Byrds-Klassikern „Lover Of The Bayou“ und „Born To Rock`n`Roll“ seinen eigentümlichen Charme und lässt sie wie gewöhnlichen Mainstream-Rock klingen. Nur der Country-Folk „Circle Song“ ist typisch für den ex-Byrds-Chef und fängt auf wundersame Weise sowohl Melancholie wie auch Lebensfreude ein. Das Album biete also im Vergleich zu dem, was dieser Musiker in der Lage ist zu leisten, oft nur Durchschnittskost an. Wohlgemerkt: Weniger begabte Künstler würden sich wahrscheinlich auch danach noch die Finger lecken. Bei Mr. McGuinn liegt die Messlatte aber höher. Roger ist zwar bemüht, an seine gute Form anzuknüpfen und gleichzeitig zeitgemäß zu klingen, dieser Spagat wirkt jedoch oft verkrampft und billig. Etwas mehr Lockerheit hätte den Kompositionen richtig gutgetan.
„Cardiff Rose“ (1976) zeigt Roger wieder in alter Stärke. Der typisch leidende Gesang bekommt bei „Take Me Away“ Fahrtwind und ist ein willkommener Gegenpol zur gut gelaunten Pop-Melodie mit Boogie-Drive. Für „Round Table“ werden einige Vorlieben kombiniert: Karibik, Space-Sounds, Folk-Intimität, schwelgende Streicher sowie zupackender, geschmeidiger Rock führen zu einem prickelndem Hörerlebnis. „Up To Me“ ist eine dylaneske Erzählung im Stil von „Tangled Up In Blue“ und „Pretty Polly“ bietet Bluegrass in Vollendung: Virtuos, authentisch und hochemotional. Besonders spannend ist die Cover-Version von Joni Mitchells „Dreamland“ gelungen. Der Song groovt geschmeidig und präsentiert durch ein Saxophon-Solo Ausflüge in den Jazz.
Mit seinem „Thunderbyrd“-Album im Gepäck machte Roger McGuinn 1977 auch Station im Rockpalast des WDR und lieferte eine packende Show ab. Das Album zur Tournee ist nicht ganz so ausgelassen gelungen und beherbergt nur vier Eigenkompositionen in Zusammenarbeit mit Jacques Levy. Die kraftvolle Cover-Version von Bob Dylans „Golden Loom“ sticht als besonders gelungen hervor. Ansonsten gibt es häufig wieder nette, aber nicht umwerfende Interpretationen von Fremdmaterial zu hören wie beispielsweise Tom Pettys „American Girl“.
Für Byrds- und Roger McGuinn-Fans ist die Zusammenstellung sicher ihren Preis wert. So kommen „Roger McGuinn“ und „Peace On You“ sogar mit Bonus-Tracks. Bei „Roger McGuinn & Band“ wurde leider auf die vorhandenen zusätzlichen Live-Versionen von „Wasn`t Born To Follow“ und „Chestnut Mare“ verzichtet. Dennoch: Einzeln gekauft zahlt man erheblich mehr für die Platten als zusammen in dieser Box.
Und hier noch ein wenig Musik dazu:

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