HISS GOLDEN MESSENGER - HEART LIKE A LEVEE (2016)

Americana war gestern. Hiss Golden Messenger konstruiert hoch attraktive, eindringliche Musik, die den gesamten Organismus anregt.
MC Taylor ist ein umtriebiger Musiker, der sich zwar grob im Americana-Umfeld tummelt, bei dem es aber hinter diesem musikalischen Horizont noch ein weites, zu erforschendes Gebiet gibt. Die Formationen Boxharp und Court & Spark waren geeignete Sprungbretter für ihn, um danach in Hiss Golden Messenger seine derzeitige Erfüllung und die nötigen Freiräume zu finden. Diese mit wechselnden Musikern operierende Formation gründete Taylor im Jahr 2007 zusammen mit seinem langjährigen Kumpel Scott Hirsch nach dem Umzug von San Francisco nach North Carolina. Jetzt legt die Gruppe ihr siebtes richtungsweisendes Studioalbum vor.
Bei „Biloxi“ erinnert der Gesang an Bob Dylan. Musikalisch lässt der coole Country-Folk/Southern-Rock-Verschnitt an „Brothers And Sisters“ (1973) der Allman Brothers Band denken. Der elektrische Anteil an der Instrumentierung wird für „Tell Her I’m Just Dancing“ erhöht. Der Groove schöpft aus dem Rhythm & Blues, Bläser sorgen für Schwung und der Takt wird unnachgiebig geklopft, was zu einer belebenden, antreibenden Sichtweise führt. Durch seine musikalischen Forschungen wurde Mr. Taylor in die Lage versetzt, jegliche Töne so in Schwingung zu versetzen, dass sie sowohl euphorisierend, optimistisch und vorwärtsstrebend wie auch emotional tiefgreifend wirken können. Und das unabhängig von den eingesetzten Stilmitteln.
Der Song „Heart Like A Levee“ ist eine Ballade, bei der sich das Klingeln von Mandolinen stimulierend auswirkt. E-Gitarren malen den Hintergrund mit weichen Farbtönen aus und Chor-Damen versüßen die Zeit. Vorsprung durch Wissen, unabhängig von Genres demonstriert „Like A Mirror Loves A Hammer“. Der Titel schwirrt, surrt, vibriert, pulsiert und bewegt sich förmlich auf und ab. Er entzieht sich durch seine Flexibilität geschickt jeglicher Kategorisierung. Danach gibt es mit „Smoky’s Song“ ein kurzes instrumentales Intermezzo, das zunächst dadurch auffällt, dass fast gar nichts passiert.
Wenn Schwermut tröstlich erscheint, dann kann von einer perfekten Ballade gesprochen werden. „Cracked Windshield“ erfüllt dieses Kriterium und geht deshalb mächtig unter die Haut. Bei Hiss Golden Messenger wird nicht mit Lautstärke, Geschwindigkeit oder dem Herausstellen von Einzelleistungen geprotzt und geprahlt. Selbst wenn Stilmittel wie temperamentvoller Soul, anfachender Boogie, schwüler Swamp-Rock und Gesang voller Gospel-Verzückung eingesetzt werden, überzeugt in erster Linie die musikalische Raffinesse und erst dann die Körperbetonung der Klänge. So wie bei „As The Crow Flies“.
Bitter-süßer, männlich-weiblicher Duett-Gesang begleitet das betörende und bewegliche „Happy Day (Sister My Sister)“ und auch bei „Say It Like You Mean It“, „Ace Of Cups Hung Low Band“ sowie „Highland Grace“ wird Überzeugungsarbeit geleistet. Die einnehmende Wirkung der Musik muss nicht in konzentrierten Sitzungen erarbeitet werden, sie infiziert den Hörer sofort, erweckt Neugier, erzeugt Spannung und schafft Wohlbehagen.
Der musikalische Kosmos von „Heart Like A Levee“ spiegelt entgegengesetzte Facetten des Lebens wider: Trauer und Zuversicht, Glück und Leid sowie Spaß und Ernst werden durch konzentriert auf den Punkt gebrachte Klänge symbolisch dargestellt und überzeugend vermittelt. Die Transformation von Empfindungen wird dabei mit Blick für die Magie des Augenblicks umgesetzt. MC Taylor hat die Lieder in einem Lebensabschnitt geschrieben, der von Veränderung und Zweifeln geprägt war, deshalb hören sie sich gleichzeitig wie Dur und Moll an, wie er bestätigt. Erstaunlich ist die reiche, vielfältige Gefühlswelt, die prachtvoll und kreativ zum Erblühen gebracht wird. Das ist ein Triumph der Sinne und der Sensibilität.

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