NORAH JONES - Day Breaks (2016)

NORAH JONES ist ein Jazz-Pop-Superstar. Die Pianistin, Komponistin und Sängerin sucht aber immer noch die Herausforderung. Ob als Mitglied bei den LITTLE WILLIES oder PUSS N BOOTS oder im Duett mit BILLIE JOE ARMSTRONG ist sie stets bemüht, neben ihrer Solo-Arbeit ihren Horizont zu erweitern. DAY BREAKS ist jetzt ihre erstes Solo-Album seit vier Jahren und eine Besprechung kann hier nachgelesen werden:

Norah Jones besinnt sich auf ihre Jazz-Wurzeln und liefert das ambitionierteste Album ihrer Karriere ab.

Der Jazz hat in seiner mehr als 100-jährigen Geschichte eine Entwicklung von der Ausprägung als Tanzmusik über den intellektuellen Ausdruck von Profimusikern bis hin zur Fusion mit anderen Stilen durchgemacht. Und er ist lebendig und vielfältig geblieben. Norah Jones hat den Jazz Anfang des neuen Jahrtausends mal wieder von einem Schattendasein zu einem Mainstream-Thema befördert, indem sie Soul, Folk und Pop eingebaut und dabei ihre Sinnlichkeit offensiv eingesetzt hat. Jazz-Komplexität und Singer/Songwriter-Intimität waren plötzlich keine Gegensätze mehr und der Erfolg gab ihr recht. Sowohl die ernstzunehmende Musik-Presse wie auch Musikliebhaber aus den Pop- und Jazz-Lagern feierten sie ab.
Norah Jones: Day Breaks (Kritik & Stream) - Rolling Stone
Persönliche Probleme führten später zu einem leichten qualitativen Schlingerkurs, aber Norah ließ sich davon nicht aus der Bahn werfen und nun ist sie nach Seitenprojekten mit Catherine Popper und Sasha Dobson als Puss N Boots und einem Duett-Album mit Billie Joe Armstrong von Green Day, auf dem Everly Brothers-Songs gecovert wurden („Foreverly“, 2013), wieder da. Nach vier Jahren Solo-Pause findet sie mit „Day Breaks“ zu ihren Anfängen zurück. Nun ja, nicht ganz: Aktuell ist der Jazz-Anteil innerhalb der Interpretationen nämlich sogar noch höher als bei ihrem Jazz-Pop-Debüt „Come Away With Me“ von 2002. „Sleeping Wild“ und „Carry On“ halten allerdings genau die Balance zwischen Singer/Songwriter-Leichtigkeit und Jazz-Kreativität, die das Album damals ausmachte.
Die Situation vorsichtig abtastend, beginnt „Burn“ als dunkler Late Night Jazz mit unangestrengten Auslotungen des Klang-Raumes durch Wayne Shorters Saxophon. Der Kontrabass scheint seine eigenen Wege zu gehen. Die glaubwürdige Stimme, die grummelnde Orgel von Lonnie Smith und Norahs führendes Piano fangen die streunenden Instrumentalisten mit moderaten, nachvollziehbaren Improvisationen immer wieder ein. Das ist ein würdiger Auftakt, der die aktuellen Soundvorstellungen der engagierten Musikerin gut zusammenfasst: Jazz ist die Basis, Improvisation die Kür und Pop und Folk sind nur schmückendes Beiwerk.
Fast alle Songs sind ruhig gehalten und bewegen sich in der Laufzeit etwa zwischen drei bis fünf Minuten. „Flipside“ fällt dabei als nervöse, dynamisch-lebhafte Komposition aus dem Rahmen. Psychedelic Rock, Power-Pop und Groove-Jazz verschmelzen hier zu einer energischen, kurz vorm Bersten stehenden Einheit. Mit „Don`t Be Denied“ holt die amerikanische Musikerin ein rares Neil Young-Stück von dessen immer noch nicht offiziell wiederveröffentlichtem Live-Album „Time Fades Away“ von 1973, das ausschließlich unveröffentlichte Songs enthielt, aus der Versenkung hervor. Die neue Fassung bewegt sich so nah am Original, dass das entspannte Lied sofort wiederzuerkennen ist.
Mit der gewachsenen Jazz-Ausrichtung bewegt sich Norah Jones mit „Day Breaks“ stärker an gleichartigen Fusionsalben von Joni Mitchell („Hejira“, „Don Juan`s Reckless Daughter“) oder Madeleine Peyroux („Standing On The Rooftop“) als am Pop-Jazz-Mix ihrer Startphase. Dieser Eindruck wird auch durch den Einsatz von Wayne Shorter (ex-Weather Report) verstärkt, der sich teilweise sehr freizügig bewegen darf. Beim romantisch eingefärbten Titelstück hält er sich noch zurück, bei Horace Silver`s „Peace“ und Duke Ellington`s grandios spannendem „Fleurette Africane (African Flower)“ nutzt er seine Solo-Zeit jedoch ungezähmt aus.
Nach den eher mit Pop-Zitaten liebäugelnden letzten Alben ist Norah Jones jetzt zurück zu ihren Ursprungs-Vorlieben gekehrt, ohne sich zu sehr zu wiederholen. Die Seriosität und komplexe musikalische Begleitung stehen der 1979 geborenen Musikerin ausgesprochen gut und lassen den Weg offen für weitere Richtungswechsel und Experimente. Trotz des immensen Erfolgs ist der Künstlerin stets anzumerken, dass sie in ihrer Musik aufgeht und nicht durch den schnöden Mammon einfallslos und träge geworden ist. Geld verdirbt also doch nicht immer den Charakter.
Norah zeigt sich engagierter denn je. Der Jazz spielt als Stilmittel wieder eine größere Rolle, aber sie kann natürlich auch immer noch großartige Songs schreiben, wie z.B. CARRY ON:

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