SUZANNE VEGA - Lover, Beloved: Songs From An Evening With Carson McCullers (2016)

SUZANNE VEGA hat sich einen lange gehegten Wunsch erfüllt und die Lebensgeschichte der Schriftstellerin Carson McCullers vertont und auf die Bühne gebracht. Das dazugehörige Album heißt "Lover, Beloved: Songs From An Evening With Carson McCullers" und funktioniert auch isoliert außerhalb der Bühne. 

Suzanne Vega hat sich einen lange gehegten Wunsch erfüllt und die Lebensgeschichte der Schriftstellerin Carson McCullers vertont und auf die Bühne gebracht.


Das Leben ist nicht fair. Aber manche Menschen haben die Gabe und die Kraft, aus ihrer misslichen Situation heraus noch schöpferisch tätig zu werden. Die Schriftstellerin Carson McCullers gehörte zu diesen bewundernswerten Geschöpfen. 1917 erblickte sie in Georgia das Licht der Welt und schnell zeigten sich ihre künstlerischen Fähigkeiten. Schon im Alter von fünf Jahren spielte sie Klavier und mit dreizehn wollte sie Konzertpianistin werden. Aber bereits mit fünfzehn erlitt sie einen ersten Rheumaanfall und der Krankheitsverlauf zerstörte ihre ursprünglichen Träume. Deshalb beschloss sie, es stattdessen als Schriftstellerin zu versuchen. Nach der High-School zog sie nach New York und 1936 erschien ihre erste Erzählung. Ein Jahr später heiratete sie und zog nach North Carolina. Trotz der Tatsache, dass sich die Beschwerden ständig verschlimmerten, stürzte sie sich als Kompensation und Ablenkung von ihrer Pein in die Arbeit und innerhalb von vier Jahren verfasste sie mit „Das Herz ist ein einsamer Jäger“ sowie „Spiegelbild im goldenen Auge“ zwei ihrer bedeutendsten Romane.
1941 erlitt Carson unter anderem einen Schlaganfall und war danach halbseitig gelähmt. Aber auch die folgende Scheidung konnte die Schriftstellerin nicht von ihrem Weg abbringen. So wurde sie Mitglied der Künstlerkommune February House im New Yorker Stadtteil Brooklyn Heights, der unter anderem auch Benjamin Britten und Salvador Dali angehörten. 1945 heiratete sie ihren Mann nochmal, lebte zwei Jahre mit ihm in Europa, überstand zwei weitere Schlaganfälle, Süchte, einen Suizidversuch und den Selbstmord ihres Gatten. In dieser Zeit entstanden ein weiterer Roman, ein Theaterstück und eine Novelle. Ihr Werk war entsprechend der Lebensumstände von nicht erfüllten Liebesbeziehungen und dem Leben mit psychischen und physischen Krankheiten durchzogen, beleuchtete aber auch die amerikanische Sozial- und Rassenproblematik. Ihre Erzählkunst wurde sogar mit Tennessee Williams oder Truman Capote gleichgesetzt. Das Leben von Carson McCullers war jedoch über lange Strecken eine einzige Tragödie: Nach etlichen Operationen und weiteren gesundheitlichen Rückschlägen starb sie 1967 an den Folgen eines weiteren Schlaganfalls.
Die Singer/Songwriterin Suzanne Vega entdeckte die Schriftstellerin schon als Teenager und war davon beeindruckt, wie sie die gesellschaftlichen Zustände des Südens der USA kritisch aufs Korn nahm und sich mit den Themen Transgender, Homosexualität und Behinderung auseinandersetzte, die sie auch persönlich betrafen. Für Suzanne haben die behandelten Probleme alle mit der Durchsetzung von Menschenrechten zu tun. Weil sie die Lebensgeschichte von Carson so tief berührt, beschloss sie, darüber ein Theaterstück zu verfassen und „Lover, Beloved: Songs From An Evening With Carson McCullers“ beinhaltet die Musik dazu.
Suzanne Vega: Lover, Beloved: Songs From An Evening With Carson ...
Jetzt ist es tatsächlich schon 31 Jahre her, seit Suzanne Vega ihr gleichnamiges Debütalbum veröffentlichte. Schon damals verströmte sie ihre charmante Persönlichkeit mit einem ureigenen, teils lässigen, teils eleganten Gesangsstil. Ihre laszive, klare Stimme kann unter hunderten von Sängerinnen identifiziert werden. Das zweite Album „Solitude Standing“ von 1987 warf die Hits „Luka“ und „Tom`s Diner“ ab. Danach hat die Künstlerin aber nicht krampfhaft versucht, an diese Erfolge anzuknüpfen, sondern ist über die Jahre kompositorisch immer neugierig und eigenständig geblieben. Deshalb wurden im Verlauf der Karriere die unterschiedlichsten Stilmittel ausprobiert. Auch wenn Suzanne im Kern eine Geschichtenerzählerin - also eine Folk-Sängerin ist - sind ihre Lieder nie bieder, sondern haben kleine Widerhaken und werden stets mit Niveau und Raffinesse produziert.
Für die neue Platte hat sie mit dem Singer/Songwriter Duncan Sheik und dem Pianisten Michael Jefry Stevens zusammengearbeitet. Dadurch konnten ihrer Musik auch neuartige Aspekte hinzugefügt werden, die sie für die Theaterbühne qualifizieren, ohne dass dabei der Wiedererkennungswert der Musikerin gefährdet wurde. Denn die Songs bilden die Grundlage für das Bühnenstück, bei dem Suzanne zusammen mit einer anderen Schauspielerin in die Rolle der verehrten Schriftstellerin schlüpft. Für „Carson`s Blues“ verwendet sie frankophilen Late Night Jazz-Blues. Das Akkordeon ist dabei das dominierende Instrument und eine Posaune vermittelt unterhaltsamen Brass-Band-Sound. Suzanne singt dazu mit ihrer durchweg betörenden, sanften, fast hypnotischen, erotisierenden Stimme. Eine beschwingte Klarinette, eine zurückhaltende Gitarre, ein feinperlendes Piano und ein optimistisches, zurückgenommenes Schlagzeug begleiten dann das jazzige „New York Is My Destination“. Ins Chanson- oder Cabaret-Fach kann „Instant Of The Hour After“ einsortiert werden. Die Piano-Ballade wird zwar ernsthaft aufgeführt, bekommt aber durch den sinnlichen Gesang erotische Schwingungen verpasst.
Harmonischen Folk-Pop gibt es bei „We Of Me“ zu hören. Durch den offensiven Mandolinen-Einsatz kommen Erinnerungen an R.E.Ms „Losing My Religion“ auf. „Annemarie“ ist eine spannende, dunkel angelegte, getragene Ballade mit Klassik-Verweisen und das geheimnisvolle, kunstvoll verschachtelte „12 Mortal Men“ kann zu den besten Arbeiten der Musikerin gezählt werden. Beim Südstaaten-Jazz von „Harper Lee“ agiert der reservierte Gesang oft gegenläufig zur beschwingten Musik
und „Lover, Beloved“ wartet mit einer Gänsehaut erzeugenden Melodieführung und einem vielschichtigen Instrumenteneinsatz auf. „The Ballad Of Miss Amelia“ vereinigt die schon in anderen Songs anklingenden Chanson-, Oldtime-Jazz- und Folk-Zutaten in einem Track und der Folk-Walzer „Carson’s Last Supper“ schließt den Lieder-Zyklus ausgleichend und harmonisch ab.
Suzanne Vega malt die Lebens-, Leidens- und Kunstgeschichte von Carson McCullers in von ihr vertraut klingenden Tönen wie auch mit aufgefrischten Noten nach. Die Musikerin wirft dabei ihre ganze Erfahrung und Leidenschaft für das Thema dieses Konzeptalbums in die Waagschale. Die 57-Jährige präsentiert eine abwechslungsreiche Arbeit, die sich nahtlos ins Gesamtwerk einfügt. Als eine professionelle Künstlerin, die stets ihr Niveau bewahrt, aber für Neuerungen aufgeschlossen ist, lässt die Singer/Songwriterin natürlich auch moderate Anpassungen zu. Das Hauptaugenmerk liegt aber bei der Schaffung eines Klangbildes, das den Erzählstoff unterstützt. Und alleine unter diesem Aspekt ist die Musik durchweg gut gelungen und funktioniert auch isoliert vom Theaterstück.
Hier kommt die Künstlerin selbst zu Wort:

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Waiting For Louise - Rain Meditation

Jahresbestenliste 2023

Lesestoff: Pop steht Kopf