MALKY - Where Is Piemont (2016)

Der Sänger Daniel Stoyanov und der Keyboarder und Produzent Michael Vajner sind die Köpfe hinter dem Projekt MALKY. Mit einer Mischung aus Kunstlied, Popcorn-Kino-Soundtrack und Fernweh-Romantik sorgen sie auf ihrem zweiten Album WHERE IS PIEMONT für intensive Unterhaltung.

Kunstlied, Popcorn-Kino-Soundtrack und Fernweh-Romantik: Malky sorgen für intensive Unterhaltung.


Malky: Where Is Piemont (CD) – jpc


Die Region Piemont im Nordwesten Italiens steht als Sinnbild für eine friedvolle, landschaftlich schöne Gegend, aus der auch die berühmten Kirschen stammen, die gerne in Alkohol ertränkt und mit Schokolade überzogen angeboten werden. Dies Wahrnehmung einer Idylle kann durchaus mit der Musik von „Where Is Piemont“ verbunden werden. Das aktuelle Flüchtlingsdrama ist allerdings auch nicht spurlos an den Musikern von Malky vorbeigegangen, denn mit „Lampedusa“ gibt es einen Hinweis auf einen Ort, der für viele Vertriebene als Symbol der Freiheit steht. „Der Sinn und Zweck von Kunst besteht darin, das Unbewusste anzuzapfen, unter der Oberfläche zu forschen“, sagt Daniel Stoyanov, der für den Gesang bei Malky zuständig ist. Gemeinsam mit dem Keyboarder und dem für die Zusammensetzung der Klänge verantwortlichen Michael Vajner hat er den zweiten Longplayer der Formation kreiert, bei dem viel mit Assoziationen gespielt wird. Und zwar sowohl hinsichtlich der Titel der Songs, als auch mit den musikalischen Ausführungen.

Der Gesang von „The Only One“ klingt, als würde er in einem leeren Raum stattfinden. Die Schwebeklänge und der Hall vermitteln den Eindruck von Einsamkeit und Verzweiflung. Die Kraft in der Stimme lässt aber auch Raum für Zuversicht. Die Arrangements wechseln von flirrenden Streichern mit donnernden Bässen zu folkloristischen Einlagen mit akustischer Gitarre über mächtige Bläser bis hin zum extravagant fiependen Synthesizer-Solo. Es wird eine Tonlandschaft erschaffen, die zu Herzen geht. Das ist so gefühlvoll und spannungsgeladen wie ein gut gemachtes Kino-Erlebnis. Die Musik wirkt plastisch, dabei auch kompakt und kreativ.
„Theodore“ berücksichtigt musikalische Einflüsse des Balkans, der Heimat der beiden Köpfe dieses Projekts. Dies geschieht jedoch nicht durch schlichte Übernahme der Volksmusik, sondern äußert sich in der Einbeziehung von typischen Rhythmusstrukturen. Eine Vorgehensweise der Kompositionstechnik, die auch von Calexico angewendet wird. So ist das Ergebnis eine Ballade, die durch lebendige Takte deutlich an Optimismus gewinnt.
Für „Told I Must Die“ wurde als weibliche Duett-Partnerin Ibadet Ramadani gewonnen. Den Akteuren gelingt es, eine ähnliche erotisch-bedrohliche Intensität zu erzeugen, wie sie bei „Where The Wild Roses Grow“ von Nick Cave & Kylie Minogue herrscht. Das etwa einminütige Intermezzo „The Fish“ ist dann zu kurz für einen Song, zu lang für eine Überleitung und zu schön, um es einfach wegzulassen.
Operettenhaft, mit parodistischem Kitsch versehen, wird „Painlover“ stufenweise gesteigert und pompös aufgebauscht. Das wirkt überzeichnet und hört sich an, als würde die „Bohemian Rhapsody“ von Queen nachempfunden. Ohne deren Rock-Anteile, versteht sich. Exotisch und spannend beginnt „Play“, bevor durch die Konkurrenz von monotonen sowie flexiblen Rhythmen ein packender Groove aufgebaut und durch zackige Bläser noch verschärft wird. Gegen Mitte des Stücks wird dieses Konstrukt aufgegeben und urwüchsige Trommel-Takte übernehmen das Geschehen. E-Gitarren-Töne, die wie ein schwirrendes Insekt klingen, führen aus dem Dschungel und die Tanzbarkeit bekommt wieder mehr Einfluss.
„When You Talk To Me“ ist ein recht schnulziges Liebeslied, bei dem nicht zu erkennen ist, ob das Vorgehen ernst gemeint ist oder eine Persiflage darstellt. „Islands“ wartet wieder mit einer Gastsängerin auf: Nicola Rost begibt sich mit Daniel Stoyanov auf die Showbühne. Die beiden verleihen diesem Metier mit dem Song Würde und beweisen Haltung, wenn es darum geht, sich nicht in Kitsch zu verlieren.
„Lampedusa“, die erste Single aus dem Album, versucht sich den Erwartungen, Wünschen, Hoffnungen und Ängsten der Flüchtlinge zu nähern, die vom afrikanischen Kontinent kommend, häufig unter Lebensgefahr versuchen, Europa zu erreichen. Das ist für viele die letzte Möglichkeit, dem Hunger und Krieg zu entfliehen und somit ist Lampedusa für sie mit dem gelobten Land gleichzusetzen. Der Song wird von beklemmenden Streichertönen eingeleitet, bekommt dann aber ein eher transparent-sparsames Folksong-Gerüst verpasst, das durch zurückhaltende, klatschende Rhythmen aufgelockert wird. Dadurch verliert das Lied an Sentimentalität, verströmt aber immer noch eine angemessen getragene Stimmung. Eine ähnliche Strategie wird auch beim schmerzlichen „The Cage“ angewendet, um die Gefühle nicht in tiefer Melancholie verharren zu lassen.
Forsch, wagemutig und ereignisreich agiert das extravagante „Modern Ark“. Unerschrocken werden Samba-Party-Eindrücke neben Indie-Rock-Ausbrüche gestellt und sphärische Ruhepausen eingebaut. „Cup Of Hope“ schwelgt grundsätzlich in Wohlklang und versetzt den Hörer über weite Strecken in eine trügerische, wirklichkeitsfremde Sicherheit. Aber unter der harmonischen Oberfläche brodelt es, was sich in Beinahe-Ausbrüchen andeutet. Dadurch erhält der Titel eine aufregende innere Spannung. „Bulgaria“ ist eine Hommage an die Heimat von Daniel Stoyanov. Er zelebriert dieses Andenken mit einem strengen Chanson, dem es jedoch etwas an Würze und Abwechslung fehlt.
Malky haben mit „Where Is Piemont“ gezeigt, dass sie unvoreingenommen in der Lage sind, tief empfundene Gefühle zu vermitteln und dabei meistens unverbraucht klingen. Damit treten sie in Konkurrenz zu Get Well Soon, die einen ähnlichen Ansatz pflegen. Die Wahl-Leipziger verwenden oft ausladende, schwelgende Klänge, ohne dabei zu pathetisch oder rührselig zu werden. Kunstlied, Popcorn-Kino-Soundtrack und Fernweh-Romantik gehen eine Allianz ein und spinnen den Hörer in ein Geflecht aus bewegenden Tönen ein: Als würden der junge Scott WalkerLee Hazlewood und Beirut gemeinsame Sache machen.

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