RODNEY CROWELL - CLOSE TIES (2017)

Da macht sich Begeisterung breit: RODNEY CROWELL hat mit CLOSE TIES ein wunderbares Werk veröffentlicht, dass ihn erneut als großen Songschreiber und Interpreten ausweist. Sein Gesang ist vielschichtig, reicht von schmeichelnd bis aggressiv. Die Arrangements sind delikat und die Lieder haben Seele und Kraft. Meisterlich!

Rodney Crowell gehört zur ersten Liga der US-amerikanischen Singer/Songwriter und belegt das erneut mit „Close Ties“.

Rodney Crowell ist inzwischen ein Urgestein der US-amerikanischen Singer/Songwriter-Szene. Seine Karriere bekam von 1975 bis 1977 ersten Aufwind, als er Mitglied in Emmylou Harris Hot Band war und dadurch seine Komposition „Bluebird Wine“ bekannt gemacht wurde. Endgültige Anerkennung als Interpret und Komponist fand er allerdings erst mit seinem 1988er Album „Diamonds & Dirt“, aus dem fünf Hit-Singles ausgekoppelt wurden. Aber Rodney ist nicht unbedingt ein Mann für den schnellen, oberflächlichen Erfolg. Im Laufe der Jahre wurden seine Songs immer nachdenklicher und vielschichtiger. Werke wie „The Houston Kid“ (2001), „Fate`s Right Hand“ (2003) oder „Sex And Gasoline“ (2008) wiesen ihn dann endgültig und nachhaltig als ausgereiften, eigenständigen Künstler aus.
Close Ties - Crowell, Rodney: Amazon.de: Musik
„Close Ties“ ist Rodneys erstes Soloalbum seit „Tarpaper Sky“ aus 2014. „Traveling Kind“, die Zusammenarbeit mit Emmylou Harris von 2015 nicht mitgerechnet. Die eröffnende Lebensabschnittsgeschichte „East Houston Blues“ wird kämpferisch und mutig erzählt. Der akustische Boogie mahnt zum Durchhalten und Weitermachen. Der Song versprüht Aufbruchsstimmung und Beweglichkeit. Der Takt ist munter, die Gitarre setzt coole Duftmarken und der Background-Gesang tröstet und schenkt Vertrauen. „Life Without Susanna“ trägt zornige Züge, behält aber Übersicht und Fassung. Der Folk-Rock ist spritzig und wurde mit innigem Gesang ausgestattet. Inbrunst und Hoffnung geben sich dabei gegenseitig die Klinke in die Hand.
Bei „I Don’t Care Anymore“ sind zumindest unterschwellige Aggressionen spürbar, die dem Gesang Kraft und der Musik Muskeln verleihen. Es ist selten im Country-Folk-Umfeld, dass sich eine rebellische Haltung in solch angriffslustigen Tönen offenbart. Der Hintergrund-Gesang beschwichtigt zwar noch, aber die leicht aufsässige Haltung verschafft dem Genre frische Ausdrucksmöglichkeiten. Mit „Storm Warning“ gibt es später noch einen knackig-flotten Roots-Rocker mit frech-flirrenden Streicher-Attacken und aufhellenden weiblichen Chor-Gesängen zu hören.
Eine gelöst und salopp ablaufende Folk-Nummer mit Rockabilly-Anklängen, die an den großen texanischen Songwriter Guy Clark erinnert, hat Rodney mit „It Ain`t Over Yet“ geschaffen. Uneigennützig helfen John Paul White (ex-The Civil Wars) beim Gesang.

Auch „Nashville 1972“ beinhaltet eine Rückbesinnung auf ergreifende und kritische Songwriter der 1970er Jahre wie Townes Van Zandt, Richard Dobson, Tom T. Hall oder Willie Nelson. Damals trafen unvereinbar scheinende Hippie-Neuerungen und Nashville-Traditionen aufeinander, was zu positiven Reibungen führte. „Reckless“ ist ein von flimmernden Tönen umrandetes langsames Lied, das traurig klingt, ohne sentimental zu sein. Diese geschmackvolle Nabelschau ist erzählerisch stark, emotional tiefschürfend, gesanglich seriös-melancholisch sowie weise und wurde instrumental filigran umgesetzt.
„I`m Tied To Ya`“ ist eine Ballade mit einer Gitarrenbegleitung, die an Santana erinnert, ohne aufdringlich zu sein. Durch die leichte, anmutige Duett-Stimme von Sheryl Crow geht die vorhin beschworene grundsätzliche Schärfe ein wenig verloren. „Forgive Me Annabelle“ hält sanft die Spannung, obwohl der Track einen Hang zur Rührseligkeit aufweist. Letztlich siegt aber Mut und Zuversicht über Trübsal. Das ruhige „Forty Miles From Nowhere“ wird wieder von Streichern verziert. Das Lied ist allerdings etwas zu konturlos geraten, um vollends zu überzeugen. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Etliche Musiker würden sich alle Finger nach dieser Komposition lecken.
Rodney Crowell kann sensationell gute Songs schreiben und zeigt auch mit seinen neuen Aufnahmen, dass er zur ersten Garnitur US-amerikanischer Geschichtenerzähler und Liedschreibern gehört. Sein Gesang geht unter die Haut und die Arrangements weisen etliche Feinheiten auf. Alles in Allem schrammt „Close Ties“ jedenfalls nur knapp an der Höchstwertung vorbei.

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