ROBYN HITCHCOCK - Robyn Hitchcock (2017)

ROBYN HITCHCOCK ist auch bei seinem selbstbetitelten Werk von 2017 ein verlässlicher Vertreter von skurrilen Song-Ideen.

ROBYN HITCHCOCK ist ein verlässlicher Meister von skurrilen Song-Ideen und er reaktiviert aktuell seine Power-Pop-Ambitionen und legt ein frisches, kompaktes Album vor.
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Der Meister der skurrilen Song-Ideen reaktiviert seine Power-Pop-Ambitionen und legt ein frisches, kompaktes Album vor.

Qualität setzt sich letztlich immer durch. Deshalb wird Robyn Hitchcock nicht nur von einer zwar überschaubaren, aber umso treueren Fangemeinde verehrt, sondern auch von einigen Musikerkollegen wie Peter Buck von R.E.M. hoch geschätzt. Der exzentrische Künstler begann seine Laufbahn 1976 als Chef der Psychedelic-New Wave-Band The Soft Boys, deren Aushängeschild ihr 1980er Meisterwerk „Underwater Moonlight“ ist.
Hitchcocks Solo-Karriere schloss sich nahtlos daran an und führte ihn über verschrobene Pop-Songs im Gedanken an Syd Barrett, dem Gründer von Pink Floyd, zu einer erlesenen, kunterbunten Singer-Songwriter-Welt, in der sich Bestandteile der Musik von John Lennon, Ray Davies, Nick Drake und der Incredible String Band wiederfinden.
Nach eigener Aussage war Robyn von den wegweisenden Alben der End1960er Jahre wie „Are Young Experienced“ von Jimi Hendrix, „The Piper At The Gates Of Dawn“ von Pink Floyd, „The Velvet Underground & Nico“, Captains Beefhearts „Safe As Milk“, The Doors, „Sgt. Pepper`s Lonely Hearts Club Band“ der Beatles und „Forever Changes“ von den Westcoast-Hippies der Band Love um Arthur Lee hingerissen. Ebenso schätzt er Roxy Music, The Psychedelic Furs, XTC und natürlich Bob Dylan. Dessen intensive Songs lösen bei ihm stets vielfältige imaginäre Bilder aus.
Robyn Hitchcock: Robyn Hitchcock (Kritik & Stream) - Musikexpress
Alle diese Einflüsse finden sich in Spuren in den Hitchcock-Werken wieder. Sie werden jedoch so verarbeitet und verändert, dass außer Zweifel bleibt, dass es sich im Ergebnis um originelle, eigenständige Musik handelt, die einen hohen Wiedererkennungswert besitzt. Robyns Stimme ist markant und seine Kompositionstechnik unverwechselbar. In der Welt des kreativen Musikers spielen für Popmusik-Verhältnisse eigenartige Darsteller wie z.B. Roman-Autoren („Raymond Chandler Evening“ von „Element Of Light“ (1986)) oder Menschen mit Glühbirnenköpfen („The Man with The Lightbulb Head“ von „Fegmania“ (1985)) eine Hauptrolle. Und allerlei Getier wie Eidechsen („The Lizard“ von „Black Snake Diamond Röle“ (1981)), Insekten („Madonna Of The Wasps“ von „Queen Elvis“ (1989)) oder Frösche („A Globe Of Frogs“ von „Globe Of Frogs“ (1988)) ist Gegenstand der Betrachtungen. Auch der Tod und die Vergänglichkeit werden thematisiert (z.B. „When I Was Dead“ von „Respect“ (1993)). Diese Schilderungen werden jedoch nicht auf destruktive Weise, sondern als Grundlage für schwarzen Humor eingesetzt.
Robyn Hitchcock scheint in einen Jungbrunnen gefallen zu sein: Aktuell gibt er sich aggressiv, angriffslustig und bissig. Seine Lieder sind gespickt mit prickelnden Widerhaken, scharfen Attacken, verführerischen Melodien und engagiertem Gesang. Dass er schon 64 Jahre alt ist, spielt keine Rolle. Robyn zog 2014 von London nach Nashville und in seiner dortigen Nachbarschaft wohnte der Singer/Songwriter und Produzent Brendan Benson. Bald war klar, dass er die Betreuung des neuen Werks übernehmen sollte. Und er tat das mit dem Wunsch, den Aufnahmen den aufrührerischen Geist der Soft Boys einzuhauchen. Benson war vorher schon positiv durch eigene Power-Pop-Aufnahmen und die Mitgliedschaft im Alternative-Rock-Projekt The Raconteurs um Jack White aufgefallen.
Die knackige, forsche Frischkost von „I Want To Tell You About What I Want“,
„Virginia Woolf” und „Mad Shelley`s Letter-Box“ setzt muskulös-jugendliche Akzente und die Tracks sind ein Beispiel dafür, dass es hier im Gegensatz zum folkigen Vorgänger „The Man Upstairs“ (2014) druckvoll und markig zugeht. „I Pray When I`m Drunk“ wechselt ins Rockabilly-Fach, ohne weniger aufmüpfig zu sein und „Sayonara Judge“ ist eine robuste Ballade, wie sie auch von John Lennon („Mind Games“) oder Steve Harley („Make Me Smile“) stammen könnte. „Detective Mindhorn“ präsentiert sich als erwachsener Pop-Song, wie er auch von den Beatles oder Kinks Mitte der 1960er Jahre erdacht worden sein könnte und „1970 In Aspic“ lässt den Country-Rock der End 1960er- und frühen 1970er Jahre in neuem Licht erstrahlen. Die Eagles oder Crosby Stills & Nash kommen als Referenz in Frage.
Für „Raymond & The Wires“ wurde barocker Pop entworfen, der ähnlich auch von Chris Stamey („Lovesick Blues“, 2013) oder Ben Folds auf „So There“ (2015) ausgedacht wurde. „Autumn Sunglasses“ ist ein besonders raffinierter Song: Die rauschhaft gestaltete Komposition lässt nämlich nebenher noch Raum für eine straffe, einnehmende Melodie. Da wird Tom Petty enttäuscht sein, dass ihm nicht das schwingende, coole „Time Coast“ eingefallen ist, das auch Referenzen an psychedelische Pop-Songs von The Byrds („Wasn`t Born To Follow“) aufweist.
Kultmusikern geht der Ruf voraus, dass sie besonders schwierig zu verstehen sind. Bei Robyn Hitchcock ist das nicht so. Sein neues Werk ist relativ unkompliziert, wäre in den 1990er Jahren unter College-Rock einsortiert worden und hält die kompositorischen Qualitäten von Beatles-Evergreens bereit. Hitchcock bezeichnet seine Songs wegen der bildreichen Texte gerne als Gemälde, die man anhören kann. Fans von R.E.M. oder Tom Petty sollten das unbedingt mal ausprobieren. Die Beschäftigung mit Robyn Hitchcock ist aber generell eine sehr lohnende Angelegenheit!

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