SHANNON SHAW - Shannon In Nashville (2018)

Auf dem Easy Eye Sound-Label von DAN AUERBACH ist schon wieder eine besondere Platte veröffentlicht worden: SHANNON IN NASHVILLE ist das erste Solo-Album von SHANNON SHAW, die auch Frontfrau der Formation SHANNON & THE CLAMS ist. Die Dame hat großes Talent und einen Hang zu überschwänglichen Gefühlen, die sie aus Country-, Soul-, Rock & Roll-, R&B und Jazz-Quellen generiert. Hier gibt es einen Überblick:

Potzblitz! Was sich so alles aus Country-, R&B-, Rock & Roll-, Soul- und Jazz-Wurzeln destillieren lässt.


The Black Keys liegen auf Eis und Sänger/Gitarrist Dan Auerbach nutzt die Auszeit für Solo-Aufnahmen („Waiting On A Song“, 06/2017) und Talentförderungen. Er gründete das „Easy Eye Sound“-Label und unterstützt seine Schützlinge bei deren Veröffentlichungen als Produzent, Ratgeber oder Gastmusiker. So verschaffte Auerbach nicht nur dem Blues-Musiker Robert Finley mit seiner zweiten Platte „Goin` Platinum!“ (12/2017) eine späte musikalische Heimat, sondern er bot auch Shannon Shaw eine Plattform, um endlich mehr Aufmerksamkeit erlangen zu können. Im Februar erschien „Onion“, das fünfte Werk ihrer Combo Shannon & The Clams und nun gibt es mit dem ersten Solo-Album erneut einen Beweis dafür, welches Talent die Frau mitbringt. So bewegt sie sich souverän und stilvoll in diversen Genres. Dazu gehören früher Rock & Roll, lässiger Doo-Wop, aufwändiger Girl-Group-60s-Pop, knackige Surf-Music, melodischer Punk, rauer R&B und psychedelischer Garagen-Rock.
Shannon Shaw: Shannon In Nashville (CD) – jpc
Für das Solo-Projekt wollte Auerbach eine Aura erschaffen, welche der von „Dusty In Memphis“ ähnelt. Jenem legendären Soul-Pop-Werk von Dusty Springfield, für das in den American Sound Studios von Memphis mit herausragenden Studiomusikern die Instrumentalspuren aufgenommen wurden. Die englische Pop-Lady wurde dadurch im September 1968 direkt mit dem Southern-Soul der US-Südstaaten konfrontiert. Die sensible Diva war aber damals so gehemmt von dem Ort, an dem ihr Idol Aretha Franklin tätig war, dass sie nicht in der Lage gewesen ist, den Gesang aufzunehmen. Dieser wurde später in New York ergänzt und übertraf in seiner sinnlichen Eleganz und Brillanz alle Erwartungen.
Shannon Shaw ist keine Newcomerin mehr, dennoch hatte sie gehörigen Respekt, als Dan Auerbach sie zur Aufnahme in seine Studios in Nashville bat, denn der Black Keys-Frontmann besorgte in Anlehnung an „Dusty In Memphis“ eine Schar von legendären Begleitmusikern, um den speziellen Retro-Sound verwirklichen zu können, der ihm vorschwebte. So nahmen sich unter anderem der Schlagzeuger Gene Chrisman, der z.B. auf „Son Of A Preacher Man“ (Dusty Springfield), „The Letter“ (The Box Tops), „In The Ghetto“ (Elvis Presley) oder „Respect“ von Aretha Franklin zu hören ist und Bobby Wood, der Pianist von Elvis die Zeit, Shannon Shaw wissend zu begleiten. Im Laufe des Kennenlernens wich dann das Gefühl der Ehrfurcht dem Stolz und dem Ehrgeiz, hier etwas Besonderes erschaffen zu können.
„Shannon In Nashville“ beginnt mit „Golden Frames“, einer Country-Ballade mit Jazz-Bass-Gegrummel. Der Gesang wird mit Hall unterlegt, so dass er wie aus dem Untergrund kommend, langsam an die Oberfläche steigt. Dann übernehmen Streicher das Kommando und der Song wird in eine orchestrale, dramatische Stimmung überführt. Shannon bringt Pathos, Verzweiflung und Wut mit ein, so dass überschwängliche Emotionen erzeugt werden. Sehnsüchtige James-Bond-Soundtrack-Klänge und straffer Country-Twang machen danach aus „Bring Her The Mirror“ einen verführerischen und geheimnisvollen Track.
Das von Liebeskummer und Gewissensbissen gebeutelte „Broke My Own“ wird als üppige Jazz-Ballade mit Funk-Bezügen inszeniert,
während der schlichte Pop-Song „Leather Metal Steel“ auf mexikanischer Folklore basiert. Bei „Freddies N Teddies“ entsteht anfangs der Eindruck, Shannon würde sich auch am modernen Dance-Pop orientieren. Dieses Empfinden relativiert sich jedoch im Verlauf des Stücks zu Gunsten eines angedeuteten Soul-Grooves. Dennoch kann dieses Lied melodisch nicht voll überzeugen. Beinahe selbstquälerisch windet Shannon ihre wunde Stimme um die Noten von „Love I Can`t Explain“ und erzeugt so ein Lied, das zwischen Trauer und Zorn wandelt.
„Cryin My Eyes Out“ setzt sich mit der Trennung der Eltern auseinander. Trotz der belastenden Thematik erzeugt der schmachtende Song auch kämpferische Schwingungen. Dem Titel entsprechend strahlt das gleichförmig gleitende „Goodbye Summer“ eine lässig-zufriedene, aber dennoch leicht melancholische Atmosphäre aus. Das lässt an Lana Del Rey denken, mit der Auerbach schon 2014 für „Ultraviolence“ zusammengearbeitet hat. „Cold Pillows“ geht musikalisch zurück in die Zeit der 1950er-Jahre-Schlager, steckt also voller Sentimentalität und übertriebener Gefühlsergüsse.
„Lord Of Alaska“ ist eine kraftvolle Ballade, was kein Widerspruch sein muss. Die vom Rhythm & Blues infizierte Nummer verbindet nämlich auf eindrucksvolle Weise Empathie mit Selbstbewusstsein. Gleiches gilt auch für „I Might Consider“, dessen Wurzeln im Soul von Bobby Womack zu suchen sind. Sein „Trust Me“, das Janis Joplin für „Pearl“ (1971) coverte, ist ein ähnlich berührender Song. Der Girl-Group-Pop von „Make Believe“ vereint hoffnungsvolle Erwartung und Romantik, während „Coal On The Fire“ gemächlich Country und Pop mit etwas Jazz mischt.
Der Retro-Pop von Shannon Shaw ist nicht frei von Kitsch. Aber das ist Kitsch in gut. Große Gefühle werden mit Hang zur Übertreibung aufwändig inszeniert und mit samtener oder kratziger Stimme gefühlvoll sowie leidenschaftlich vorgetragen. „Shannon In Nashville“ klingt vertraut, frisch, sensibel, zupackend und sinnlich. Auerbach hat als Produzent ganze Arbeit geleistet und die Lieder trotz der Bezüge zu vergangenen Zeiten dreist, unverfroren und frech klingen lassen.
Somit entsteht bei weitem nicht der Eindruck eines Nostalgie-Werkes: Bewährte Methoden und Ausdrucksformen bekommen durch clevere Kniffe eine Frischzellenkur verordnet und wirken somit oft so, als wären sie grade erfunden worden. Shannon protzt nicht mit ihrem Stimmumfang, wie es Adele gerne macht, sondern bringt ihren Gesang homogen und teamfähig ein, so dass die Songs davon hinsichtlich ihrer Durchschlagskraft und Ausstrahlungskraft profitieren. Die Zusammenarbeit von Auerbach und Shaw ist auf fruchtbaren Boden gefallen und heraus kam eine Darbietung, die die Fähigkeiten beider Künstler bündelt und so zu zeitloser, sehr ansprechender Unterhaltung beiträgt.

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