Curly Strings - HOOLIMA (2018)

"HOOLIMA" präsentiert Blue- und Newgrass aus Estland: Curly Strings kennen ihre folkloristischen Wurzeln, liebäugeln aber auch mit dem Sound ihrer Vorbilder aus den USA.

Blue- und Newgrass wird nicht nur in den USA gespielt, sondern zum Beispiel auch in Estland. Und das sehr virtuos, wie CURLY STRINGS beweisen. Ihr zweites Album heißt HOOLIMA und ist hier detailliert beschrieben:

Es gibt nicht viele Kulturkreise, bei denen die traditionelle Volksmusik des Landes Einzug in die aktuelle Pop-Musik hält. In Estland scheint das anders zu sein. Zumindest sind dort Curly Strings seit vier Jahren eine feste Größe. Sängerin und Geigerin Eeva Talsi sorgt in diesem Ensemble für die erste und klar herausstechende Stimme. Bassist Taavet Niller, Jaan Jaago (Gitarre) und Villu Talsi an der Mandoline unterstützen sie tatkräftig zusätzlich beim Gesang. 2014 wurde das Quartett schlagartig durch das Debüt „Üle Ilma“ in seinem Heimatland bekannt und schob 2015 noch die EP „Elümang“ nach. Mit „Hoolima“ (das bedeutet: Pass auf dich auf) wollen die Künstler nun ihren Ruf festigen und auch den Rest der Welt von ihren Qualitäten überzeugen.
Der Sound der Esten orientiert sich am Folk, Blue- und Newgrass solch stilprägender Bands wie New Grass Revival, The Seldom Szene oder Hot Rize aus den USA, die alle dadurch herausragen, dass die Musiker ihre Saiteninstrumente virtuos bedienen können. Bei den volkstümlichen Kompositionen werden Elemente aus Jazz, Swing, Gospel, Blues oder Pop intuitiv integriert und so die Grenzen traditioneller Volksmusik weit hinter sich gelassen. Genau so gehen auch Curly Strings vor, die die Texte in ihrer Landessprache vortragen, sich ihrer estländischen Kultur jedoch bewusst sind, aber eben auch gerne über den großen Teich blicken, um sich von den Könnern aus den USA inspirieren zu lassen.
„Miks sa murrad mind“ ist um Friedfertigkeit bemüht: Die weibliche Lead-Stimme bleibt frei von Extravaganzen und der männliche Harmonie-Gesang vermittelt Sicherheit und Einheitlichkeit. Die Musik vermengt dazu biedere Folk-Strukturen mit perlend-lebendigen Mandolinen-Tönen. „Aastapäev“ wird sachte bis hin zum Ausdruck purer Lebensfreude gesteigert. Die Bausteine dafür bilden Mandoline und Geige, die die Fröhlichkeit in Form von hüpfenden Akkorden provozieren. Für „Avarus“ werden Psychedelic-Rock-Elemente in den Ablauf eingeschleust, der von überlieferter Folklore und progressivem String-Band-Sound geprägt ist. Eeva Talsi übernimmt bei „Kuu“ wieder den feenhaften, hellen Hauptgesangsanteil. Neben klangmalerischem Newgrass gibt es auch Jazz-Einflüsse, die vom Bass in das beschaulich verträumte Lied getragen werden. Der Instrumental-Titel „Firebird/Kribu-kribu polka“ wird von einer schnellen Mandoline und einer Geige befeuert, die im Tanzmusik-Modus unterwegs ist. Eeva gibt „Edasi anda“ durch ihren beherrschten Gesang eine brave Ausrichtung, die aufgrund des ernsten, trockenen männlichen Begleit-Gesangs noch unterstrichen wird.
Das Stück „Hoolima“ sprüht und blitzt vor Ideenreichtum. Galoppierender Bluegrass, gefühlvoller Folk und attraktiver Jazz gehen dabei Hand in Hand ein kreatives Bündnis ein. Die Ballade „Teisipaeval“ trumpft mit einer betörenden Melodie auf, die sowohl einfühlsam-fragil wie auch dynamisch-fantasievoll untermalt wird. Das an slawischer Folklore orientierte instrumentale „Turia masurka“ stellt die Fingerfertigkeit der Musiker unter Beweis und rochiert zwischen lautmalerisch-sanft und tanzbar-lebendig. „Unne peitu homseni“ nimmt sich viel Zeit, um in Gang zu kommen, bleibt aber in den über fünf Minuten Laufzeit im ruhigen, sakralen Modus.
Curly Strings stehen ihren US-amerikanischen Folk-, Blue- und Newgrass-Kollegen hinsichtlich der handwerklichen Klasse, der Kreativität und des perfekten Ensemble-Spiels in nichts nach. Ihre Songs sind ausgewogen, haben laute und leise, schnelle und langsame Anteile und vermitteln dadurch ungezügelte Spielfreude. Der Gesang ist ausgewogen und sauber. Manchmal sogar so perfekt, dass er etwas steif, gezwungen und akademisch wirkt und deshalb dann einige emotionale Ausdrucksmöglichkeiten unberücksichtigt lässt.
Eine Live-Version des Songs "Avarus" kann hier angesehen werden:

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