Natalie Prass - The Future And The Past (2018)

Oh, wie wandlungsfähig! 2015 erschien das Debüt-Album von NATALIE PRASS unter der Regie von MATHEW E. WHITE und präsentierte schönen, schwelgenden Country-Folk. Jetzt hat die Dame mit THE FUTURE AND THE PAST einen Schlenker zum Soul und Funk vollzogen. Wie es dazu kam und ob das gelungen ist, kann hier nachgelesen werden:

Eine über weite Strecken überzeugende Verwandlung: Natalie Prass beschreitet selbstbewusst den Weg vom schwelgenden Country-Folk zum verlockenden Soul und Funk.

Die Sängerin und Komponistin Natalie Prass aus Richmond in Virginia macht einen Spagat zwischen unsicheren Zukunftsaussichten und guten Erfahrungen aus der Vergangenheit. Das bezieht sich sowohl auf ihre musikalische Entwicklung wie auch auf die Auswirkungen der Politik von Donald Trump, die alte Werte missbraucht und dadurch in eine unkalkulierbare Zukunft weist. 2012 wurde die fragile Sängerin vom angesagten Produzenten Matthew E. White, der auch ihr Highschool-Freund war, unter dessen Fittiche genommen. Seine Karriere startete grade mit dem Werk „Big Inner“ durch und so verzögerte sich die Veröffentlichung von „Natalie Prass“ bis 2015. Auf diesem Album-Debüt präsentierte Natalie eine zart gesponnene, intime Liedersammlung, die den Songwritern der 1970er Jahre ein Denkmal setzte. Dabei kam sie auch märchenhaft mit barocken Zutaten daher, am Rande flirtete sie sogar noch mit Southern-Soul.
The Future And The Past - Natalie Prass: Amazon.de: Musik
2016 verwarf Prass unter dem Einfluss der Präsidentschaftswahlen in den USA neue, fertige Aufnahmen und setzte bei der daraus resultierenden, aufmunternden musikalischen Neuausrichtung wieder auf die bewährte Hilfe aus der Vergangenheit. Denn auch bei „The Future And The Past“ gehört Matthew E. White wieder zu ihren musikalischen Partnern. Die Gegenwart der Karriere widmet die Musikerin hauptsächlich dem Soul und Funk. Auch Disco-Takte und Rhythm & Blues spielen neuerdings eine wesentliche Rolle. Ihre Folk- und Country-Wurzeln treten dabei aktuell in den Hintergrund. Die Inspiration für den Stilwandel bezog Natalie von „This Is My Country“ (1968) der Impressions um Curtis Mayfield sowie von Stevie Wonders bahnbrechenden Aufnahmen aus den 1970er Jahren.
Der pumpende Bass und die spitzen Akkorde der elektrischen Gitarre fordern bei „Oh My“ zur Bewegung auf. Natalie unterstützt diese Anregung mit laszivem und keckem Gesang. „Short Court Style“ vermittelt betörende sowie ermutigende Aspekte. Dadurch klingt das Lied wie ein Outtake aus den „Midnight Love“-Sessions von Marvin Gaye aus 1982. Das kurze, an Klassik geschulte, instrumentale Intermezzo „Your Fire“ leitet dann zum reifen Pop von „The Fire“ über. Der Song fühlt sich bewährten Art-Pop-Tugenden verpflichtet und verheiratet akustische und elektronische Instrumente harmonisch miteinander.
Das theatralisch-dramatische, Jazz-infizierte „Hot For The Mountain“ streckt seine Fühler sowohl nach Bolly- wie auch nach Hollywood aus. „Lost“ vermittelt dagegen verzweifelte Trennungsgefühle und rührt auf angenehm sentimentale Art und Weise zu Tränen. Es ist fast unmöglich, sich diesem von Verletzlichkeit geprägtem Charme zu entziehen. Konnte Natalie auf ihrem Debüt noch eine klare, reine, beinahe unschuldige Gesangsleistung vorweisen, so agiert sie auf „Sisters“ als verruchter, selbstbewusster Vamp. Sie deckt dabei verführerisch die Erotik zwischen den Noten auf. Der vom Funk beeinflusste, groovende Soul geht zurück auf ähnliche Arbeiten von Ann Peebles oder Valerie Carter aus den 1970er Jahren. „Ship Go Down“ stellt im Gegenzug einen raffinierten Mix aus Jazz und sphärischen Soundtrack-Visionen dar. Bei „Ain't Nobody“ handelt es sich dann nicht um den Chaka Khan-Song, sondern um eine rege Dance-Pop-Nummer mit leichtem Funk-Einschlag.
Aber es gibt auch Einschränkungen beim ansonsten uneingeschränkt genüsslichen Hörvergnügen: „Never Too Late“ kommt modernem, kitschig-süßlichen R&B gefährlich nahe. Auch der zerbrechlich wirkende und an manchen Stellen romantisch schwärmerische Pop-Song „Nothing To Say“ schielt auf die kalkuliert-suggestive Wirkung, die das polierte Chart-Material von heute ausmacht. Und „Far From You“ ist ein sentimentaler Song, der eine Spur zu glatt geraten ist. The Carpenters („(They Long To Be) Close To You“; „Yesterday Once More“) lassen grüßen.
Ähnlich wie etwa Frazey Ford hat auch Natalie Prass - vom Country-Folk kommend -, den Soul der 1960er und 1970er Jahre in die Jetztzeit gerettet. Das klingt leidenschaftlich und qualifiziert, ist aber auch nicht gänzlich frei von Klischees. Dennoch bietet „The Future And The Past“ engagierte Unterhaltung, die über weite Strecken eine überzeugende Stil-Wandlung demonstriert.
Eine Hörprobe gibt es hier:

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Waiting For Louise - Rain Meditation

Jahresbestenliste 2023

Lesestoff: Pop steht Kopf