CHUCK PROHET - BOBBY FULLER DIED FOR YOUR SINS (2017)

CHUCK PROHET war Gitarrist bei den legendären GREEN ON RED, ist aber schon seit 1990 immer wieder Solo aktiv. Für BOBBY FULLER DIED FOR YOUR SINS taucht er tief in die Rock & Pop-Geschichte der 1960er und 1970er Jahre ein.
Chuck Prophet schrieb selber mit der Band Green On Red Rock-Geschichte. Jetzt geht er auf Spurensuche in den 60er- und 70er-Jahren.
Green On Red sind offenbar wohl leider Geschichte. Die einflussreichen Alternative-Rock- und Americana-Pioniere schlossen sich 1981 in Tucson, Arizona, zusammen und 1993 löste sich die durch ständige Wechsel gekennzeichnete stilbildende Formation offiziell auf. 2005/2006 kam es allerdings noch mal zu einer kurzen Reunion. Chuck Prophet war während der gesamten Band-Karriere neben Sänger Dan Stuart das einzig konstante, bestimmende Mitglied. Der Gitarrist, Sänger und Komponist veröffentlicht seit 1990 Solo-Platten und gehört den Projekten Go Go Market und Raisins In The Sun an. Er brilliert immer wieder mit außergewöhnlichen Songs, die eine spezielle Attraktivität besitzen, wie z.B. das ultra-coole „Summertime Thing“ von „No Other Love“ aus 2002.
Bobby Fuller died for your sins | AVE THE SOUND !
Chuck beschreibt seinen neuen Liederzyklus „Bobby Fuller Died For Your Sins“ als California Noir. Der US-Bundesstaat Kalifornien steht eigentlich stellvertretend für die Erreichung des amerikanischen Traums, bei dem es jeder vom Tellerwäscher zum Millionär bringen kann. Dass die Realität natürlich eine andere ist, wird häufig verdrängt. Die traurige Geschichte des Rock & Rollers Bobby Fuller musste in diesem Zusammenhang als Inspiration für das neue Album herhalten. Der Autor des Hits „I Faught The Law“ - der unter anderem auch im Repertoire von The Clash war - wurde am 18. Juli 1966 mit nur 23 Jahren tot in seinem Auto aufgefunden. Die offizielle Todesursache lautete Selbstmord, es gibt aber diverse andere Spekulationen darüber.
Chuck Prophet beschäftigt sich hier dreimal mit zu früh eingetretenem Tod. Neben dem Titelstück beklagt er in „Bad Year For Rock And Roll“ das Ableben von David Bowie
und wendet sich mit „Alex Nieto“ der Geschichte des ermordeten Sicherheits-Mannes zu. Der Mann mit lateinamerikanischen Wurzeln wurde von vier Polizisten in einem Kugelhagel durch vierzehn Treffer getötet, während er im Park sein Abendessen verspeiste. Die Polizisten wurden später trotz widersprüchlicher Beweislage freigesprochen.
Wird ein Vergleich benötigt, um Prophets neue Platte musikalisch einzuordnen, fällt immer wieder Tom Petty ein. Genau wie der Superstar aus Florida hat Chuck einen Stil entwickelt, der sich nicht scheut, eingängige Strukturen zu nutzen, um attraktive Roots-Music-Formen populär zu machen. Ohne dabei beiläufig und austauschbar zu werden, versteht sich. Die individuelle Klasse bleibt stets erhalten und steht im Vordergrund des Handelns. Stampfender Sixties-Pop, den auch die Ramones manchmal als Grundlage für ihre Lieder verwendeten, bildet die Ausgangslage für den Titeltrack „Bobby Fuller Died For Your Sins“. Twang-Country- und Power-Pop-Abstecher vervollständigen den munteren Opener und geben ihm eine Richtung, die ihn in den 60er- oder 70er-Jahren sogar hitverdächtig gemacht hätte.
Fuzz-Gitarren-Riffs, psychedelische Ausflüge, Duett-Gesang mit Stephanie Finch und eine feine Melodie zeichnen „Your Skin“ aus und „Open Up Your Heart“ besticht als unaufdringliche, feinfühlige Folk-Pop-Ballade. Am Anfang von „Coming Out In Code“ gackert doch tatsächlich ein Huhn. Zumindest wurde ein Geräusch erzeugt, das zu dieser Assoziation führt. Produktions-Späße haben eine lange Tradition in der Pop-Musik. Schon die Beatles oder Beach Boys haben sogenannte Easter Eggs, in dem Fall also versteckte Geräusche von Alltagsbegebenheiten, Gimmicks oder textliche Doppeldeutungen heimlich in die Songs einfließen lassen. Aber das Lied hat mehr zu bieten als nur spaßige Laute. Der durch eine wimmernde Farfisa-Orgel angereicherte Roots-Rocker wird zwischendurch noch zu einem flotten Rockabilly aufgemotzt.
„Killing Machine“ schleicht sich aus dem Hintergrund als abwechslungsreicher, eindringlicher Gitarren-Rock mit überraschenden Wendungen in die Wahrnehmung und „Bad Year For Rock & Roll“ ist Roots-Rock, der sich aufgrund seiner Eingängigkeit als Single-Auskopplung anbietet. „Jesus Was A Social Drinker“ beginnt als trockener, langsamer Rock & Roll im Stil von Lou Reed und klingt später durch den strammen, alarmierenden, schwellenden Synthesizer-Einsatz nach den frühen Roxy Music. Die Grundlage bei „In The Mausoleum“ bilden zackige New Wave-Rhythmen, die durch engagierte Gitarreneinschübe aufgewertet werden. „Rider Or The Train“ gefällt als grundsympathisches Lied im melodisch verlockenden Tom Petty-Stil und „If I Was Connie Brutto“ bezieht sich auf den Glam-Rock von T. Rex.
Souligen Sixties-Pop mit anfeuerndem Klatschen bietet „Post War Cinematic Dead Man Blues“ und die Keyboard-gestützte Ballade „We Got Up And Played“ kommt zwar anfangs unspektakulär rüber, offenbart aber bei häufigerem Hören, dass sie recht raffiniert komponiert wurde. Für „Alex Nieto“ lässt Chuck dann zum Schluss noch den deftigen Garagen-Rocker sprechen. Fazit: Chuck Prophet bewegt sich stilsicher im Umfeld des Pop und Rock der 60er- und 70er-Jahre. Trotz etlicher Referenzen bewahrt sich der Kalifornier jedoch seinen eigenen Stil und haut durchweg gute Songs raus.

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