SPIDERGAWD - IV (2017)

Etwas Retro-Hard- & Heavy-Rock gefällig? Dann kann unumwunden die norwegische Formation SPIDERGAWD empfohlen werden. Ihr Album IV erfüllt alle Erwartungen, die mit dem Aufleben des End-1960er und 1970er-Sounds verbunden werden.
Retro-Hard- & Heavy-Rock ohne Patina: In dieser Form sind Spidergawd dafür ein Aushängeschild mit Gütesiegel.
Hard- und Heavy-Rock der 1970er Jahre standen schwerpunktmäßig Pate für die kompakten Soundwände, die den Hörer bei Spidergawd erwarten. Während der 2016er Tournee hörte die Band Musik von DioMotörheadThin LizzyIron Maiden und Judas Priest. Das hat natürlich auch seine Spuren auf „IV“ hinterlassen.

Spidergawd wurde oft als das Spaßprojekt der aus Norwegen stammenden Motorpsycho-Musiker Kenneth Kapstad (Schlagzeug) und Bent Sæther (Bass) bezeichnet. Aktuell gibt es mit Hallvard Gardlos jedoch einen neuen Bassisten, so dass der Motorpsycho-Sideproject-Hinweis noch mehr hinkt. Schließlich war schon immer der Sänger/Gitarrist Per Borten das Aushängeschild sowie treibende Kraft des Quartetts und Saxophonist Rolf Martin Snustad das originelle schmückende Beiwerk. Sein Einfluss ist bei „IV“ weiter zurückgegangen, was schade ist. Sorgte er doch stets für eine extra Portion Individualität, weil sein Instrument im Hard- und Heavy-Rock-Genre bisher wenig Verbreitung gefunden hat.
„Is This Love“ ist ein hymnischer Song mit Referenzen an Deep Purple und Black Sabbath sowie Grand Funk Railroad.

Bei „I Am The Night“ quengeln die WahWah-Gitarren schön fies und das Konstrukt klingt eine Spur bösartiger als der Opening-Tune. Dennoch wird Wert auf einprägsame Riffs und eine nachvollziehbare Melodielinie gelegt. Und Sänger Per Borten ist mit allen Ian Gillan-Wassern gewaschen, erweist sich also als Kraftpaket mit Timing.
Und tolle Songs können die Musiker von Spidergawd auch schreiben: „Loucille“ hat das Zeug zum Rock-Klassiker. Das Stück verbreitet die Schwere von Black Sabbath, gepaart mit der Beweglichkeit von Aerosmith. „Ballad Of A Millionaire (Song For Elina)“ gibt Nachhilfe für die Scorpions. Behäbig-erhaben wälzt sich der Track ohne Zweifel an der eigenen Größe voran. Das ist eine Vorzeige-Rock-Ballade, nicht „Wind Of Change“! „What You Have Become“ kann aufgrund seiner aufmüpfigen Grundhaltung sowohl bei Alternative-Rock-Fans wie auch bei Punk- und Metal-Anhängern punkten und „The Inevitable“ besitzt die stoische, zähe Beharrlichkeit von Mountain um Leslie West. Das Gitarren-Solo tangiert den psychedelischen Folk-Rock von Neil Young & Crazy Horse.
Bei „Heaven Comes Tomorrow“ schlagen die Assoziationen Purzelbäume. So kommt unter anderem „School`s Out“ von Alice Cooper in den Sinn. Auch „Deep Purple In Rock“ und Southern-Rock Brocken fliegen durcheinander, prallen aufeinander und explodieren in einem glanzvollen Sinnestaumel. „Stranglehold“ ist genau der richtige Song für diejenigen, die sich für AC/DC immer einen gehaltvollen Shouter statt einem quiekenden Schreihals gewünscht haben. Dieser Boogie groovt unwiderstehlich und schraubt sich präzise und messerscharf in die Ohrwindungen. Widerstand zwecklos. Roger Daltrey (The Who) und Robert Plant (Led Zeppelin) würden angesichts der schieren Kraft in der Stimme von Per Borton anerkennend nicken und sich an ihre besten Tage zurückerinnern.
Wer in den End-1960ern und den 1970ern mit Hard- und Heavy-Rock groß geworden ist, wird bei „IV“ zufrieden das vielleicht nicht mehr vollständige Haupthaar schütteln. Das ist Retro-Rock mit Frische, Biss und Kreativität!

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