TOSCA - Going Going Going (2017)

TOSCA sind der Musiker RICHARD DORFMEISTER und der Produzent RUPERT HUBER aus Österreich. Sie stellen mit GOING GOING GOING die Ambient-, Kraut-Rock- oder Art-Pop-Szene auf den Kopf, weil ihnen ein sehr inspirierendes Werk gelungen ist. 

Update statt Retro: Tosca kehren zwar zu ihren musikalischen Wurzeln zurück, entwickeln sich aber trotzdem weiter.


Jawoll! An „Going Going Going“ werden sich alle Ambient-, Kraut-Rock- oder Art-Pop-Produkte 2017 messen müssen. Selten wurde in diesem Umfeld gestaltete Musik so schwungvoll, belebend und prickelnd-interessant auf den Punkt gebracht. Tosca ist das Projekt des Musikers Richard Dorfmeister (höre auch: Kruder & Dorfmeister) und dessen !k7-Label-Produzenten Rupert Huber, das sich zurück zu ihren Wurzeln begibt. Denn die Künstler machen fast wieder reine Instrumentalmusik, von ein paar Stimmeinlagen und dem Gesang im Abschlusstrack „Shoulder Angel“ mal abgesehen.
Going Going Going - Tosca: Amazon.de: Musik
Jedenfalls wurde das Duo auf ihrem letzten Werk „Outta Here“ von 2014 noch von richtigen Gastsängern begleitet, das fällt hier weg. Aber die Musiker lassen sich nicht darauf reduzieren, dass sie sich wiederholen und auf Retro machen. Das wäre ja auch zu langweilig gewesen. Vielmehr wird versucht, ein neues kreatives Bindeglied zwischen Elektronik und Akustik, laut und leise sowie Groove und Sinnlichkeit zu erschaffen. Stilgrenzen werden dabei komplett aufgelöst. Ob nun Jazz-, Soundtrack-, Folk- oder Funk-Zutaten verwendet werden, ist für den Flow völlig nebensächlich, denn auf die erzielte Wirkung kommt es an.
Schon beim Opener „Export Import“ sprudeln, hüpfen, flimmern und brummen Töne unkonventionell und bilden sonderbare Sound-Landschaften. Nichts ist unmöglich, nichts wird überstrapaziert. Spaß und Intellekt gehen Hand in Hand. Das sind übrigens Prinzipien, die für die Konzeption des ganzen Albums gelten. Das E-Piano ist ein viel zu selten eingesetztes Instrument geworden. Dabei wirken die erzeugten Schwingungen doch so elegant.

Diese Wirkung wird für „Hausner“ ausgekostet. Selbst Schwell-Klänge aus dem Elektronik-Baukasten erschallen im Zusammenspiel mit diesem edlen Instrument unverbraucht und anregend. Dazu werden Dub-Reggae-Muster spielerisch zugeordnet und fremdartige Tonfarben regen gezielt die Fantasie an.
Eine dunkle, sakrale Kirchen-Orgel erhebt sich anfangs bei „Friday“ gegen das Rauschen und Knistern. Echoartige Downtempo-Gespinste verjagen die feierlich-gedrückte Grundstimmung und der Track bekommt einen federnden Funk-Groove verpasst. Dub-Reggae-Zutaten und anpassungsfähige Electronics gestalten den teils atmosphärischen, teils rhythmisch aktiven Ablauf von „Wo-Tan“. Ausflüge in Space-Sounds und akustische psychedelische Klänge komplettieren den über weite Strecken weihevollen Eindruck.
„Chin Bar“ wird mit einem angedeuteten asiatischen Ambiente versehen, bleibt aber grundsätzlich dem modernen House- und Chill-Out-Sound verpflichtet. Töne, die sich wie künstliche Maultrommeln anhören, eröffnen für „Loveboat“ den Klangreigen. Außerdem sind neben elastischen Funky-Sounds noch ausgefallene exotische Beigaben zugesetzt worden.
Wenn sich der experimentelle, mit Effekten und Stimmen versetzte Dub-Reggae aus dem Hexenkessel von Adrian Sherwood und der hypnotische Krautrock von Can in der Mitte treffen, dann hört sich das Schnittmengenergebnis wie „Tommy“ an. Die beruhigenden Piano-Klänge von „Supersunday“ versprechen einen gemütlichen Sonntag. Aber der einsetzende tickende Rhythmus ruft erbarmungslos zur Aktivität auf. Wellenartig verändert sich daraufhin das Niveau der Unternehmungslust. Ein geheimnisvolles, undurchsichtiges Klima schwebt über „Amber November“. Der Hörer wird wie in einem Kriminal-Hörspiel immer wieder mit anderen Sachlagen konfrontiert, ohne dass das Rätsel aufgelöst wird.
„A Horse With No Name“ der englischen Country-Folk-Pop-Band America bildet die Grundlage für „Dr. Dings“. Über das Thema des Songs wird improvisiert und es bleibt ein ähnlich gelassener Eindruck wie beim Original zurück. Allerdings gibt es eine Sound-Aktualisierung in Richtung Easy-Listening. Also inhaltlich genau solch eine Neudeutung, welche die Tosca-Männer insgesamt für das neue Album anstreben.
„Olympia“ kommt den verträumten Electro-Weichzeichnungen von Air recht nahe und für „Shoulder Angel“ wird Pool-Party-Stimmung erzeugt. Tosca setzen viele Stilmittel ein, die sie großgemacht haben, wirken aber trotzdem frisch und anregend. Die Produktion von Rupert Huber ist makellos, aber trotzdem lebendig sowie transparent und vielschichtig. Besser kann solche Musik kaum in Szene gesetzt werden.

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