Musik-Rezensionen und Musiker-Portraits aus den Gebieten: Individuelle Singer-Songwriter, Soul, Jazz, Blues, Folk, Rock, Country, Art-Rock und Pop.
Urge Overkill - Oui (2022)
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Voller Tatendrang: Urge Overkill haben auch nach 11 Jahren Pause mit "Oui" nichts von ihrer Bedeutung verloren.
Veröffentlichungen aus Nostalgie-Gründen führen in der Musik häufig zu fragwürdigen Ergebnissen, da sie häufig wegen der Verklärung vergangener Zeiten oder aus Geldmangel passieren. Urge Overkill, die sich nach einer Textzeile aus "Funkentelechy" von Parliament benannten, wurden 1986 in Chicago von Nash Kato (Gesang, Gitarre), Eddie "King" Roeser (Gesang, Gitarre, Bass) und dem Schlagzeuger Pat Byrne gegründet. Sie gehörten in den neunziger Jahren zum Non plus Ultra des alternativen Power-Pop und College-Rock. Ihre Popularität wurde dadurch angeheizt, dass sie 1991 auf der "Nevermind"-Tournee von Nirvana der Opening-Act waren und weil ihr "Girl, You`re A Woman Now" - eine Cover-Version des Neil-Diamond-Songs - im Soundtrack von "Pulp Fiction" auftauchten.
Insgesamt brachte die Gruppe von 1989 bis 1995 fünf Alben raus, danach war Funkstille. 2011 gab es mit "Rock & Roll Submarine" ein Reunion-Werk, das nahtlos an den beachtlichen Vorgänger "Exit The Dragon" anknüpfen konnte. Und jetzt kommt natürlich die Frage auf, ob solch ein überzeugender Anschluss mit "Oui" wieder gelingen konnte. Die Stimmen von Roeser und Kato haben natürlich seit den 1990igern eine andere Färbung erhalten. Sie sind sonorer, weniger lässig, dafür brüchiger, vom Leben gezeichnet und damit charaktervoller als früher. Aber diese Entwicklung fügt sich großartig in die neuen Songs ein.
Eddie Roeser (links) und Nash Kato (rechts) heute
"Freedom!" ist ein Wunsch, ein Aufschrei und eine Anweisung zugleich. Es handelt sich hier tatsächlich um eine Cover-Version des erstmals 1984 veröffentlichten Wham!-Songs, geschrieben von George Michael. Urge Overkill nähern sich dem gutgelaunten Original mit etwas Distanz und dosierter Härte an. Aber es kocht unter der Oberfläche und so vermittelt die neue Variante zwar Respekt, aber dennoch eine ruppigere, kraftvollere Sichtweise.
"A Necessary Evil" sollte ursprünglich "It`s Killing Me" heißen und dreht sich um Kommunikation in einer Beziehung: Nicht alles muss ausdiskutiert werden, es ist auch in Ordnung, Dinge offen zu lassen, lautet das Credo. Nicht nur Soul- oder Funk-Stücke können grooven, das funktioniert auch im Rock und macht diesen treibenden, swingenden Bubblegum-Track zu einem unwiderstehlichen Ohrwurm. Und häufig ist der Groove auch der Schlüssel dazu, dass ein Song den Zahn der Zeit
gut übersteht.
"Follow My Shadow" ist auch ein solcher Evergreen-Kandidat, der darüber hinaus das kompakt-stabile Format von "Sister Havana" besitzt.
Deftiger Druck, melodische
Finesse und jede Menge Hooklines steuern den Track unnachgiebig in Richtung Ziellinie, als würden sie von starken Magneten angezogen.
"How Sweet The Light" hat eine große persönliche Bedeutung für Nash Kato. Mitte der 2000er Jahre war er ausgebrannt, pleite und verzweifelt. Irgendwann stellte er sich die Frage, für welche Dinge es sich lohne, am Leben zu bleiben und auf Basis dieser Überlegungen entstand der Song, der auch Tom Petty gut zu Gesichte gestanden hätte. Southern-Rock und klirrender Gitarren-Pop gehen eine aufreizende Allianz ein, die den Song diskret vibrieren lässt.
Im Gegensatz dazu hört sich "I Been Ready" an, als wäre das robuste Grunge-Pop-Stück in Zusammenarbeit mit J Mascis
von Dinosaur Jr entstanden. Brachiale Gewalt trifft auf Pop-Süße.
"A Prisoner's Dilemma" wechselt in kurzer Zeit vom hymnischen College-Rock zum wogenden Boogie-Blues und verbindet dann beide Richtungen nahtlos miteinander, um später noch etwas Pop-Jazz-Flair einfließen zu lassen.
Wuchtig und kompromisslos legt der temperamentvolle Blues-Rocker "Forgiven" los. ZZ Top treffen gedanklich auf George Thorogood und sorgen für einen stürmischen Auftritt.
"Totem Pole" schaltet dann ein paar Gänge zurück und geht deshalb als kraftvolle Ballade durch, bei der der Schmuse-Faktor gegen Null geht.
"Litany" zeigt auf, wie es sich anhört, wenn sanftmütiger Pop mit bissigen Hard-Rock-Elementen bombardiert wird. Plötzlich entsteht dadurch ein feuriger Hybrid, der irgendwann vor Erregung zu bersten droht.
Für "I Can't Stay Glad@u" wird ein Zustand herbeigeführt, bei dem der Song in einer coolen Folk-Rock-Situation mit souveränem Power-Pop gleichgestellt wird.
"Won't Let Go" setzt alles auf eine Karte und klotzt mit zähflüssigem, bulligem Crazy-Horse-Garagen-Rock laut drauflos, um durch Imponiergehabe für Aufsehen zu sorgen.
Das stoische, gelassen rumpelnde "Snow" eignet sich vorzüglich als Rausschmeißer. Spätestens danach ist man von "Oui" so elektrisiert, dass umgehend der Repeat-Knopf gedrückt wird.
"Oui" ist überhaupt kein nostalgischer Aufguss geworden und fügt sich qualitativ hochwertig in die Diskografie von Urge Overkill ein. Die Songs verfügen über genügend Energie und Leidenschaft, um das Album, das keinen Durchhänger zu beklagen hat, in einem Rutsch mit Genuss und hohem Spaßfaktor durchhören zu können. Comeback gelungen, bitte mehr davon! Zu "Oui" kann also ohne Einschränkung ja gesagt werden!
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