Neil Young & Crazy Horse - Americana (2012)

Ein gebürtiger Kanadier definiert alte US-amerikanische Volkslieder neu und konfrontiert seine Zuhörer mit Geschichten und Werten, die teilweise bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. NEIL YOUNG adaptiert Lieder, die jeder schon mal gehört hat, wie Oh Susannah, (Oh my Darling) Clementine oder (Hang down your head) Tom Dula so, als kämen sie aus seiner Feder. Bei der Umsetzung wird er von seiner Backing-Band CRAZY HORSE unterstützt. Diese Kumpane stehen ihm schon fast alle seit Ende der sechziger Jahre treu zur Seite. Dementsprechend blind, fast telepathisch verstehen sich die Akteure und veredeln das traditionelle Liedgut mit ihrem Trademark-Sound.Die rumpelnde, stoische, mächtige Basis legen Billy Talbot und Ralph Molina an Bass und Schlagzeug. NEIL YOUNG und FRANK PONCHO SAMPEDRO steuern oft in bewährter Weise dröhnende, sich duellierende, mehr oder weniger verzerrte Gitarrenlinien dazu. Diesen Garagenrock mit Folkeinschlag zelebriert niemand sonst so vibrierend, energetisch und lebendig. Da darf es auch ruhig mal nicht ganz so perfekt sein. Hauptsache, die Spielfreude ist überschäumend. Und das spürt man hier bei jedem Titel. Die Band findet die richtige Balance aus eingängigen Melodien sowie brachialer und auch einfühlsamer Begleitung. Die Interpretationen sind für CRAZY HORSE-Verhältnisse sehr variabel und reichen von massiv rockig bis intim folkig mit verschiedensten Schattierungen dazwischen.
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Die besondere kreative Leistung des Quartetts wird gleich im Eröffnungstrack OH SUSANNAH deutlich: Das Stück beginnt wie ein lockerer Jam, relativ konturlos und dann grooven sich die Musiker plötzlich in den Song rein, bauen Spannung und pure Magie auf. Der Aufbau der Melodie ist völlig anders als beim Original, man erkennt das Lied zunächst nur am Text. So verfahren sie z.B. auch mit CLEMENTINE und TOM DULA.

Jeder Song bekommt seinen speziellen Zuschnitt. Bei GALLOWS POLE geben sie sich ungewöhnlich spritzig und gut gelaunt. Mit GET A JOB wagen sie sich auf Doo-Wop-Terrain. Natürlich nicht puristisch sondern kantig vorgetragen, schon fast als Parodie zu deuten. TRAVEL ON könnte auch von ZUMA stammen, so stramm und trocken rockend ist der Song arrangiert. So werden einem ständig Erinnerungen an andere Großtaten von Mr. Young vor Ohren geführt. Bei HIGH FLYIN`BIRD ist das Tempo anfangs verschleppt, wie z.B. auch bei DOWN BY THE RIVER. JESUS` CHARIOT ist intensiv und fordernd. Ständige Wiederholungen des Textes und des Rhythmus geben dem Track eine hypnotische Wirkung. Rechtzeitig zum 100sten Geburtstag von WOODY GUTHRIE geben sie ihm die Ehre und spielen THIS LAND IS YOUR LAND als lockereren Sing-Along-Titel. YOUNG verwendet hier die weniger bekannten kritischeren Original-Texte.

WAYFARIN` STRANGER wurde schon häufig eindringlich gecovert, so z.B. im letzten Jahr von MICHAEL J. SHEEHY`s MIRACULOUS MULE oder in den 60er Jahren von der Psychedelic-Rock Combo HP LOVECRAFT. Auch NEIL YOUNG`s Vertonung kommt sehr in sich gekehrt und gefühlvoll rüber. Eine würdevolle Verneigung vor einem großen Song. Kurioserweise schließt das Album mit GOD SAVE THE QUEEN. Diese Melodie war tatsächlich bis 1931 in den USA die inoffizielle Nationalhymne, bis dann STAR SPANGLED BANNER diese Funktion offiziell übernahm. NEIL YOUNG singt hier betont gegen den Strich gebürstet, ein Kinderchor bemüht sich dagegen, Seriosität zu vermitteln, aber RALPH MOLINAs stumpfes Getrommel zerlegt jede Ernsthaftigkeit. Das kann so nicht ernst gemeint sein.

Dies ist die überzeugendste NEIL YOUNG & CRAZY HORSE CD seit SLEEPS WITH ANGELS von 1991. Long Live NEIL YOUNG. KEEP ON ROCKIN` IN A FREE WORLD!  

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