Kids Return - Forever Melodies

Das französische Duo Kids Return setzt in diesen verwirrenden Zeiten auf Klarheit, Freundlichkeit und Optimismus.

Wer Pop-Musik aus Frankreich nur mit den großen Chansoniers verbindet, der wird überrascht sein, was es noch alles aus unserem Nachbarland zu entdecken gibt: Dazu gehören die charmanten Electronic-Tüftler von Air genauso wie die sinnlich-betörende Schauspielerin Charlotte Gainsbourg, das energisch zupackende Garagen-Rock-Duo The Limiñanas, die leider aufgelösten Groove-Spezialisten Blow oder die genialen Art-Pop-Künstler von BED, um nur einen kurzen Abriss über die Vielfalt und Güte der Szene zu geben, die sich meistens jenseits der Charts abspielt (wo sonst?).

Und nun machen sich Adrien Rozé und Clément Savoye als Kids Return mit ihrem Erstlingswerk "Forever Melodies" auf, das musikalische Spektrum Frankreichs weiter zu bereichern. Zu ihrem Projekt-Namen hat die Cineasten der Film "Kids Return" von Takeshi Kitano inspiriert, dessen Titelmelodie Adrien Rozé als Initialzündung für die Gründung der Formation diente.

Zehn Songs haben die Franzosen für "Forever Melodies" zusammengetragen, die dem Titel des Albums gerecht werden, weil die Lieder allesamt außerordentlich melodieverliebt sind.

Aus einem Nebel von wabernden Space-Sounds und verwehten Gitarren schält sich langsam das sanft gesungene, mit Beach Boys-Harmonien versehene, sehnsüchtig schmachtende "Orange Mountains" heraus. Die Orgel verbreitet ein barockes Milieu, der Rhythmus ist locker-flockig dem Folk-Rock-Genre entliehen und die Gitarren schicken zwischendurch ein paar dezente, hintergründig-undurchsichtige Surf-Akkorde in den blumig-süßen Äther, der nicht klebrig-verklärt, sondern einfach nur durchgängig erhaben und schön ist.
"Lost In Los Angeles" bestätigt diesen leichten, dabei komplexen Easy-Listening-Sound und bietet damit ein ausgewogenes Verhältnis zwischen unbeschwertem Sunshine- und ernsthaftem Adult-Pop.
Und als ob es noch nicht genug Nostalgie zu hören gäbe, wartet "Make You Stay" mit altmodischen, romantischen Arrangements auf, die aus schnulzig-lustigen Liebes-Komödien der 1960er Jahre zu stammen scheinen. Alles fein und stilecht in einem aktuellen Retro-Entspannungs-Klang verpackt.
Die Ballade "You Are The Chorus Of My Song" kann auch durch den Stimmen verzerrenden - allerdings moderat eingesetzten - Vocoder-Sound nicht aus ihrem Gleichgewicht gebracht werden. Dennoch führt der "La la la"-Text im letzten Drittel doch zu einer Abwertung der Songsubstanz, diese Sequenz hätte das Duo intelligenter lösen und überbrücken können und müssen.
Das von den Beatles und Oasis beeinflusste "Am I A Fool?" bekommt leider einen parodistisch-operettenhaften Schlenker zugeordnet, der an das Electric Light Orchestra oder an Supertramp erinnert. Das Lied hat dadurch einen faden Beigeschmack bekommen. Kids Return wären besser beraten gewesen, wenn sie stattdessen den anfangs eingeschlagenen Power-Pop-Weg weitergegangen wären.  Witzig ist übrigens der kurze Verweis nach einer Minute und 55 Sekunden auf "Come Together" der Beatles.
Der Geist des "Imagine"-John Lennon schwebt über "Forever", allerdings nicht konsequent, sondern nur ansatzweise, so dass es dem Song letztendlich an Straffheit und Durchschlagskraft fehlt, wenn er auch gute Ansätze für eine hymnische Ballade zeigt.
"My Life" ist im Grunde genommen hinsichtlich der Melodieführung so einfach gestrickt wie ein Kinderlied. Die Musiker machen sich diesen unschuldigen Ablauf zu Nutze, um einen sympathischen Eindruck zu hinterlassen. Das wäre allerdings nachhaltiger über packend-zündende Refrains und eine prickelnde Melodie gelungen.

Die orchestrale Feinjustierung von "Our Love" lässt den Track wie ein Outtake von ABC`s "The Lexicon Of Love" erscheinen. Die Noten sind von einem mondänen Fluidum umgeben, so dass diese Teenager-Sinfonie eine zeitlose Eleganz erhält.
In seiner Unbefangenheit wirkt "Going Places" naiv-kalkuliert. Das Lied besitzt zwar keinen großen Tiefgang, kann aber aufgrund seiner unverstellten Arglosigkeit als freundlicher Ausblick gelten.
"Melody" fasst die Konzeption der Tracks von "Forever Melodies" sinnvoll zusammen: Klarheit, Freundlichkeit und Optimismus spielen hier die Hauptrolle und wer kann in diesen verwirrenden Zeiten nicht eine unbeschwerte, aufmunternde Auszeit gebrauchen!

Wer Easy Listening nicht als Schimpfwort empfindet und gerne zwischen Feingeist und Schmalz unterscheidet, wer das Besondere am Sound von Burt Bacharach und The Carpenters erkannt und schätzen gelernt hat und wer aktuelle Bands wie Young Gun Silver Fox oder Zervas & Pepper mag, der wird auch einige Songs von "Forever Melodies" gerne in seine Playlist aufnehmen. 

Kids Return haben durchaus das Potential, die Nachfolge solcher aus den 1960ern stammenden, erfinderisch-ästhetisch klingenden Ensembles wie The Association, Harpers`s Bizarre oder Left Banke anzutreten, sie sollten sich aber vor der kommerziellen Versuchung in Acht nehmen, sich an den seichten, aber gut verkäuflichen Sounds von Supertramp oder Electric Light Orchestra zu orientieren. Dadurch büßen sie ganz schnell ihren besonderen mild-verführerischen Charme ein, anstatt ihre besonnene Lieblichkeit zu kultivieren und geschmeidig zu transportieren. Das nächste Werk wird den Weg des Duos offenbaren: Geht er in die Anpassung oder führt er zu vermehrter Eigenständigkeit?

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