Spidergawd - V (2019)

Und es folgt der fünfte Streich: Spidergawd gehört inzwischen zur festen Größe des Retro-Hard- und Heavy-Rock.
Hard- und Heavy-Rock kann besonders impulsiv und nachvollziehbar Aggressionen, Wut und Hass ausdrücken, steht aber auch für gelebte Freiheit, alternative Lebensweise, Mut und Kraft. Spidergawd aus Norwegen haben mit „V“ ein weiteres Werk geschaffen, das letztgenannte Erfahrungen fortschreibt, ausbaut und einer Frischzellenkur unterwirft. Die Musik weist auch mild-melodische Bestandteile auf, die die wuchtige Darstellung nicht zu einem verkrampften Kraftakt verkommen lässt oder aushöhlt, sondern dafür sorgt, dass die Klänge neue Ausdrucksformen erschließen. So funktioniert Massenkompatibilität ohne Anbiederung an Trends und Erwartungen. Damit hat sich die Band auch einen Rahmen geschaffen, der sie für die großen Sommer-Festivals wie Wacken, Hurricane, Rock am Ring und sogar A Summer`s Tale vorbereitet und prädestiniert.
„All And Everything“ wird durch mächtige, massiv-majestätische Saxophon-Töne eingeleitet. Donnernde Trommeln und reißerische Gitarrensalven lassen das Stück vital wie eine Herde wild gewordene Büffel erscheinen. Die Musik wirkt dabei ebenso euphorisierend wie eine rasante Autofahrt. „Ritual Supernatural“ ist smart und hochkonzentriert zugleich. Das Schlagzeug lässt die Luft schäumen, der Gesang bleibt bei allem Enthusiasmus cool und die Gitarre zieht strahlende Kondensstreifen am Firmament. „Tentyfourseven“ fusioniert den ungehobelten Dreck des Garagenrocks der Bottle Rockets mit dem eleganten Schwung von Bad Company miteinander. Das zerrende Gitarrensolo treibt dabei die ekstatische Stimmung auf die Spitze. „Green Eyes“ tarnt sich zunächst als Ballade, baut aber im Verlauf immer mehr Druck auf, so dass jegliche Romantik baden geht. Gut so.
Der Speed-Boogie „Knights Of C.G.R.“ erinnert stellenweise an „Whole Lotta Love“ von Led Zeppelin, ohne dabei dessen dämonische Seite zu imitieren. Im etwas geduldigeren Southern-Rock-Modus bewegt sich „Avatar“. Durch eine Van Der Graaf Generator-Gedächtnis-Saxophon-Einlage wird hier auch ein Hang zum Art-Rock deutlich. Ungebändigt, hymnisch und aufstachelnd verschafft sich „Whirlwind Rodeo“ seinen Weg durch eine staubige Sound-Landschaft. Zum Schluss wird mit „Do I Need A Doctor“ nochmal Gas gegeben. Der Track nimmt ordentlich Fahrt auf und gibt sich atemlos und gehetzt.
„V“ zündet nach ein paar Durchläufen vollständig und macht dann immer mehr Spaß. Die speziellen Fähigkeiten von Kenneth Kapstad (Schlagzeug), Hallvard Gaardløs am Bass, Sänger/Gitarrist Per Borten und Teilzeit-Saxophonist Rolf Martin Snustad lassen die Songs in einem ehrgeizigen, energiereichen Licht erscheinen. Was für „IV“ aus 2017 galt, gilt im Prinzip auch für „V“: Spidergawd sind ein Aushängeschild für frischen Retro-Hard- und Heavy-Rock mit Biss und Kreativität. „V“ erscheint übrigens sowohl als Vinyl-Ausgabe mit beigefügter CD wie auch zusammen mit „IV“ und einer B-Seiten-Zusammenstellung als streng limitierte 3-CD-Box.
Hier kann All And Everything angehört werden:

Erstveröffentlichung dieser RezensionSpidergawd - V


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