David Gray - Gold In A Brass Age (2019)

Nicht zu verachten: David Gray sucht mit "Gold In A Brass Age" nach neuen Ausdrucksformen innerhalb seines musikalischen Spektrums.

Den kommerziellen Durchbruch erreichte David Gray mit dem Werk „White Ladder“ (1999) und dem Song „Babylon“, nachdem vorher schon drei Longplayer kaum Aufmerksamkeit erregt hatten. „Gold In A Brass Age“ ist jetzt bereits das elfte Album in der seit 1992 bestehenden Platten-Karriere des Singer-Songwriters aus Großbritannien. Der 50jährige Musiker hatte den Anspruch, seine neuen Songs etwas anders als bisher zu gestalten: „Von Storytelling wollte ich erst mal nichts wissen. Statt also Melodien zu schreiben, suchte ich nach Phrasen, die für sich schon einen Tonfall und einen Takt vorgeben; der Rhythmus basierte also auf den Wortfolgen“, wird er dazu zitiert. Diese Vorgehensweise führt nicht unbedingt zu einem gänzlich neuen Sound, sondern zu einer Neuordnung des Verhältnisses zwischen analogen und digitalen Klängen. Es gibt also keinen radikalen Umbruch oder eine Umwälzung in der musikalischen Ausrichtung, sondern eine Feinjustierung, die zu einer Qualitätssicherungsmaßnahme im Rahmen der abgesteckten musikalischen Folk-Tronic-Grenzen führt. Bei den aktuellen Liedern geht es jedenfalls laut dem Verfasser inhaltlich um „Zerbrechlichkeit, um Erneuerung und um einen Perspektivwechsel“.

Gray kommt auf „The Sapling“ sehr direkt rüber. Seine angeraute, raumgreifende, kräftige Stimme bestimmt unmittelbar und beherrschend das Geschehen. Der hochmelodische, verschlungene Gospel-Pop bildet das ideale Vehikel dafür, den Sänger durch Solo- und Chorgesang wirksam in Szene zu setzen. Diese erste Single-Auskopplung wurde anspruchsvoll arrangiert, bleibt aber trotzdem geschmeidig und straff organisiert. Die Besinnung auf Traditionen, gepaart mit Wagemut führt letztlich zu diesem geschmackvollen Ergebnis. Beim Stück „Gold In A Brass Age“ kommen filigrane und sich permanent wiederholende und nur unmerklich ändernde Zutaten zum Einsatz, wie sie auch der Minimal-Art-Künstler Steve Reich z.B. für sein Werk „Music For 18 Musicians“ 1978 erfunden hat. Dennoch bleibt der Track von jeglicher Kopflastigkeit verschont und präsentiert sich letztlich als melancholisch eingefärbter, sanft fließender Art-Pop.
„Furthering“ wirbt nachdenklich mit elektronischer Folk-Jazz-Basis um die Gunst des Hörers und gewinnt diese auf unaufdringlich-charmante und anregend-intime Weise. Verschachtelte Rhythmen bringen sich bei „Ridiculous Heart“ immer wieder lebendig in Stellung. Das hinterlässt im Zusammenhang mit dem mehrstimmigen Gesang mitunter einen afrikanisch geprägten Eindruck. Das kurze, zweiminütige „It`s Late“ bündelt Harmonien und klappernde sowie raumfüllende elektronische Spielereien zu einem angenehm unverkrampften Zwischenspiel. „A Tight Ship“ spielt mit Assoziationen und Zitaten: Fetzen von „All You Need Is Love“ (The Beatles, 1967), „Ride A White Swan“ (T. Rex, 1970) und „Losing My Religion“ (R.E.M., 1991) fliegen durch den Raum und bilden eine unverbrauchte, unspektakulär erscheinende, flüchtig vorbei rauschende Einheit.
Wie es der Titel schon andeutet, ist „Watching The Waves“ von einer unaufgeregten Betrachtungsweise geprägt. Piano und akustische Gitarre erzeugen zusammen mit einfühlsamen, elektronischen Takt-Beigaben einen gemächlich plätschernden Sound, der durchaus als meditativ empfunden werden kann. „Hall Of Mirrors“ bedient sich wieder der hypnotischen Wirkung von gleichförmig wiederkehrenden Strukturen, wird dabei aber über weite Strecken munter vorangetrieben, ohne allerdings melodisch voll überzeugen zu können. Das bedächtige, sich fast in einem Schwebezustand befindliche „Hurricane Season“ entwickelt durch seine gelegentlichen, recht dezenten Opern-Arien-Einspielungen und feinen, unscheinbaren Bläser-Sätzen einen bizarren, künstlerischen Ansatz, der den Song in einem kultivierten Licht erscheinen lässt. „Mallory“ einfach als schön zu bezeichnen, ist profan, trifft aber den Kern dieser ausgeruhten, hymnischen Ballade. Das sachte aufblühende, sich zur Sonne streckende „If 8 Was 9“ gibt einen Hinweis darauf, wie aufkeimender Optimismus in Noten gekleidet werden und als Hoffnungsträger wirken kann.
David Gray hat eine wechselvolle Karriere hinter sich. Einst wurde er von den Mayor-Labels umworben, heute veröffentlicht er bei unabhängigen Firmen. Künstlerische Hochphasen mit dem Willen zur Neuorientierung und die bloße Verwaltung seines Erfolgsrezeptes gingen über die Jahre Hand in Hand. Mit „Gold In A Brass Age“ legt der erfahrene Songwriter jetzt eines seiner ambitioniertesten Werke vor. Die Qualität der Songs ist fast durchgängig hoch. Die Melodien sind anschmeichelnd und dennoch gediegen. Die Instrumentierung ist eigen und ausgewogen zwischen analog und digital angesiedelt. Bei unaufmerksamer Betrachtungsweise mögen die Songs teilweise unscheinbar erscheinen. Aber bei intensiver Beschäftigung offenbaren einige Kompositionen ihre vollständige Güte, die unter dem Mantel der Harmlosigkeit versteckt ist. Die Lieder scheinen gewissermaßen aus einer tief empfundenen inneren Einkehr und überzeugten Spiritualität heraus entstanden zu sein. David Gray hat sich von allen Zwängen gelöst, ein Hit-Album abliefern zu müssen und wird dadurch seinen inneren Frieden gefunden haben. „Gold In A Brass Age“ symbolisiert das Ende eines Karriere-Abschnitts und den Anfang eines Weges, der zu einer noch nicht vollständig definierten, subtilen künstlerischen Reife führen kann.
Hier folgt der Opener des neuen Werkes von David Gray:

Erstveröffentlichung dieser RezensionDavid Gray - Gold In A Brass Age

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Waiting For Louise - Rain Meditation

Jahresbestenliste 2023

Lesestoff: Pop steht Kopf