Susanna & The Brotherhood Of Our Lady - Garden Of Earthly Delights (2019)

Susanna Karolina Wallumrød erschafft mit „Garden Of Earthly Delight“ originellen Art-Pop auf hohem Niveau.

Die am 23. Juni 1979 in Kongsberg (Norwegen) geborene Susanna Karolina Wallumrød veröffentlicht mit „Garden Of Earthly Delight“ bereits ihr dreizehntes Album. Die geschulte Pianistin, Sängerin und Komponistin kommt aus einer musikalischen Familie. Deshalb war es für sie eine Selbstverständlichkeit, im Jahr 2000 zusammen mit dem Keyboarder Morten Qvenild das Duo Susanna And The Magical Orchestra zu gründen. Die dabei entstandenen Eigenkompositionen und kreativ umgestalteten Cover-Versionen werden von ihr unter anderem als introvertierte Pop-Kunst oder Song-Dekonstruktionen bezeichnet. Susanna arbeitete auch noch in anderen Konstellationen, wie z.B. mit der Künstlerin Jenny Hval an einer Klanginstallation oder mit dem Kollektiv NeOn, das sich mit Neuer Musik beschäftigt. Das waren alles Projekte mit überwiegend künstlerischem Anspruch.
„Garden Of Earthly Delight“ wurde mit der neuen Begleitband Brotherhood Of Our Lady eingespielt, die neben Susanna (Gesang, Klavier, CP80, Rhodos, Elektronik) aus Stina Moltu (Gitarre, Tonbandgerät und Gesang), Ida Løvli Hidle (Akkordeon), Ina Sagstuen (Stimme, Synthesizer und Elektronik) sowie Natali Abrahamsen Garner (Stimme und Elektronik) besteht. Die auf dem neuen Album versammelten Songs basieren auf Eindrücken, die die Malereien von Hieronymus Bosch hinterlassen haben und beinhalten deshalb existentielle Gegensätze wie Glück und Elend, Wahnsinn und Erleuchtung, Sanftmut und Hass. Verheißungsvolle Ungewissheit bestimmt das Flair des Liedes „Garden Of Earthly Delight“. Susanna verwöhnt mit besinnlichen, hingebungsvollen Klängen, wodurch eine verwunschene Ausstrahlung zwischen Zauber und Verzückung entsteht.
„Wayfarer“ macht dann einen gefestigteren, aber dennoch verträumten Eindruck. Das versponnene Folk-Chanson gerät gegen Ende immer mehr aus den Fugen und wird durch schleifende Störgeräusche, die sich wie ein undeutlich eingestellter Radio-Sender anhören, aus der Reserve gelockt. Den psychedelischen Track gibt es in zwei Ausführungen, wobei die zweite Ausprägung dunkler und unheimlicher ausgefallen ist. Das Szenario der ersten Fassung bereitet auf das experimentelle, unheimliche „Ecstasy X“ vor. Später gibt es mit „Ecstasy“ und „Exterior“ noch weitere bedrohlich anmutende Stücke. Alptraumhafte Szenen spielen sich hier ab und es wird mit verstellten, fremdartigen, manipulierten Stimmen gearbeitet.
Stoische Piano-Akkorde und gleichförmige Stimm-Einlagen leiten den wie benebelt ablaufenden Minimal-Art-Pop „Death And The Miser“ ein. Im Vergleich dazu ist das kurze „Ship Of Fools“ gradezu ein unbeschwertes Pop-Stück geworden, obwohl es objektiv betrachtet von milder Melancholie begleitet wird. Der Dschungel-Beat dient bei „Wilderness“ anfangs zur Steigerung der Intensität. Der Track verliert jedoch zunehmend an Elan und geht in einen bewusst herbeigeführten, sanft gleitenden Sinkflug über. „Gluttony And Lust“ enthält dann zwei begleitende Komponenten: Dramatik, die an Tori Amos („Cornflake Girl“) erinnert und ein fordernder Kunstanspruch, wie ihn Laurie Anderson („O Superman“) einbringt.
In „Beautiful Life“ sehnt sich Susanna danach, Teil des schönen Lebens mit all seiner Nacktheit und Unschuld zu sein, das im Hieronymus Bosch-Gemälde „Garten der Lüste“ dargestellt wird. Sie singt allerdings sehr bedrückt, weil sie weiß, dass dies nur ein nicht zu erfüllender Wunschtraum ist. Wie eine zufällige Eingebung wird der kurze, sakrale Art-Folk „By Earth And Starry Heaven“ in das Gesamtkonzept eingebettet. Auch „City Of Hope“ ist rhythmisch minimalistisch aufgestellt und vermittelt trotz einer gewissen Tristesse glaubhaft die im Titel angekündigte Zuversicht. „River To Hell“ wiegt sich niedergeschlagen im Betroffenheits-Modus. Es gelingt aber dennoch, durch unterschiedliche Instrumentierungen aufhellende Farbkleckse zu installieren. „Gathering Of Birds“ erzeugt zum Abschluss eines bewegenden Albums wehmütig aufwühlende Momente von inniger Schönheit.
„Garden Of Earthly Delights“ enthält fünfzehn sozio-politische Klangerlebnisse zwischen Pop und Kunst. Laut Susanna geht es dabei um „die Schönheit des Lebens, um Überkonsum, um Kapitalismus, verbunden mit religiösen, mythischen und okkulten Bildnissen und Symbolen“. Die Produktion der Stücke ist glasklar. Die Instrumente werden dadurch unmittelbar erlebt. Die Töne transportieren ausgeprägt bildhafte, phantastische Vorstellungen, die manchmal über den Rahmen des landläufigen Song-Schemas mit Melodie und Refrain hinausgehen. Hypnotisch, verwirrend und mysteriös streifen die Kompositionen durch eine verführerische, abenteuerliche, teils fremdartige, teils vertraute Klangwelt.
Die Verbindung von Pop und Kunstlied muss nicht zwangsläufig anstrengend oder überfordernd sein. Stimme und Stimmung wirken auf „Garden Of Earthly Delight“ weder exzentrisch noch überspannt. Sie sind Bestandteile einer teils entrückten, teils bodenständigen, provozierend andersartigen Ausdrucksweise, die nach aktiver Stimulierung der Empfindungen strebt. Susanna ist eine respektable und furchtlose Musikerin, die abseits von ausgetretenen Pfaden ihren Weg sucht und diesen anspruchsvoll mit interessanten Tönen ausfüllt. Ein prominenter Verehrer des Schaffens der Norwegerin ist Bonnie Prince Billie (= Will Oldham), der sie schon musikalisch begleitete und sogar ihr Solo-Debüt „Sonata Mix Dwarf Cosmos“ von 2007 im letzten Jahr vollständig unter dem Titel „Wolf Of The Cosmos“ neu aufgenommen hat.
Die Musik von Susanna könnte unter anderem auch Fans von Björk, Anja Garbarek, Agnes Obel, Tori Amos oder Joni Mitchell gefallen.
Und hier gibt`s das Titelstück:

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