Andre Williams & The Sadies - Red Dirt (1999)

Andre Williams gehört zu der Garde schräger Rhythm & Blues-Künstler der 50er Jahre, die durch ihre rohe Ausdrucksweise - die dem wahren rebellischen Geist des Rock & Roll entspricht. - zu Kult-Musikern geworden ist. Er war auch Pate des Trash-Revivals der 1980er Jahre. Dessen Hohepriester, Lux Interior von den Cramps urteilte: "Little Richard klingt im Vergleich zu Andre Williams wie (der Schnulzensänger) Pat Boone". 

Auf „Red Dirt" stellt Williams sein raumfüllendes, voluminöses, teilweise bedrohlich klingendes Organ, welches in etwa zwischen Screamin` Jay Hawkins und Iggy Pop angesiedelt ist, in den Dienst der variablen, kanadischen Cowpunk/Country-Rock-Institution THE SADIES. Die gemeinsam eingespielten Songs bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Blues, Swing und Country-Soul.
Red Dirt - Andre Williams, Sadies: Amazon.de: Musik 
Bei der Umsetzung profitieren alle Beteiligten: Die SADIES betonen ihre erdige, bluesige, rumpelige Seite und Williams genießt die neue Erfahrung, wirkt unverkrampft, aber ernsthaft genug, um bei der Kollision der musikalischen Welten das Heft in der Hand zu behalten. Seine Stimme ist dominant, er zieht die Aufmerksamkeit auf sich, bildet das Bindeglied zwischen schwitzig-fiebrigem Soul und gefühlvollem oder rhythmischem Rockabilly. 

Er legt seine ganze Reife in die Waagschale und meistert alle stilistischen Abstufungen zwischen Hillbilly und Voodoo-Blues. Das Album beginnt locker groovend mit „Hey Truckers". Eine Aufwärmübung im bluesigen Country-Gewand. Die SADIES begleiten dabei kompetent, aber unaufdringlich.
Der trockene Harlan Howard-Walzer „Busted" lebt neben dem beschwörenden Gesang von der feinen, pointierten Saitenarbeit von Mandoline und E-Gitarre.
Der Western-Swing "She's a bag of potatochips" lädt zum mit dem Fuß wippen ein. Durch seine Schräglage hat der Titel aber nicht die Leichtigkeit, die Swing-Nummern im allgemeinen haben. Düster, fast in Zeitlupe, kommt „I can tell" daher. Hier spielt Andre Williams seine dramatische Seite aus. Die SADIES schaffen eine Atmosphäre, die zu „Twin Peaks" oder einem anderen morbiden David Lynch-Streifen passen würde. 
Die Mörderballade "Pardon me (I`ve got someone to kill)" Western-Stimmung hervor: weite Landschaften, Sonnenuntergänge und einsame Reiter erscheinen vor dem geistigen Auge. Musikalisch erinnert das Stück an Johnny Cash in slow motion.
Außergewöhnlich geht es auch bei „Weapon of mass destruction`" zu. Wann hat man schon mal einen Funky-Rhythmus, der von einer Cowboy-Fiedel umgarnt wird, gehört? Der mit Sprechgesang unterlegte Slow-Swing „Easy on the eyes" ist eher konventionell aufgebaut. Er wird ab und zu durch Twang-Akkorde wachgerüttelt.
Lefty Frizzell' s "I`m an old old man (Tryin' to live while I can)" wird als knarziger Rumpel-Country präsentiert. Eine Hillbilly-Nummer, die zunächst traditionell wirkt, durch die krude, schleifende Begleitung aber subversiv daher kommt. Definitiv findet man hier keinen schmierigen Trucker-Country-Sound. 
Bei „Tramp Trail" befürchtet man beinahe Stillstand. Ein Song in der Traditition von Porter Wagoner's „Rubber Room". Geheimnisvoll, düster, bissig, ungewöhnlich. Leon Payne`s großartige Ballade „Psycho" wurde schon häufig kongenial gecovert. Unter anderem von den Beasts of Bourbon oder von Elvis Costello mit T Bone Burnett. Hier liegt eine weitere mutige Interpretation vor.
„I understand (Do you)" ist tiefschwarz, funky, wild, rhythmisch und mitreißend.
„Old John" kommt als lupenreiner Country-Song voller Wehmut rüber,
während „Queen of the world" - eine Cover-Version eines Bottle Rockets-Songs - als traurige alternative Country-Ballade konzipiert wurde, die zu Herzen geht. Das Album schließt mit „My sister stole my woman", einer mid-tempo-Hillbilly-Nummer mit verschlepptem Gesang. 

Andre Williams macht seinem Ruf als enfant terrible auf „Red Dirt" alle Ehre. Er fügt seinem Output eine neue Facette hinzu, indem er geschickt unterschiedliche Stilelemente kombiniert und dadurch Hörgewohnheiten aufbricht und verbiegt. Die SADIES erweisen sich dabei als unbekümmerte Sparrings-Partner. Zum Nutzen Aller stacheln sich die Musiker zu Höchstleistungen an. That`s Entertainment!

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