Richard Thompson - Front Parlour Ballads (2005)

Richard Thompson muss man wahrscheinlich niemandem mehr großartig vorstellen. Der Erneuerer britischer Folk-Rock-Musik hat seine Spuren seit Mitte der 1960iger Jahre nicht nur in der angestammten Folk-Szene sondern genreübergreifend als markanter, unverwechselbarer Gitarrist, tiefemotionaler Komponist und Sänger hinterlassen. Er hat es nicht mehr nötig, irgendjemandem etwas zu beweisen. Man schaut zu ihm auf, auch wenn er nicht mit jedem neuen Album Maßstäbe setzt, Grenzen einreißt oder Meilensteine produziert. Enttäuscht hat er in seiner langen Karriere sowieso selten.
Front Parlour Ballads - Thompson, Richard: Amazon.de: Musik
"Front Parlour Ballads" ist ein eher akustisches Album geworden, nicht sklavisch traditionell und Folk-besessen, aber ohne die geliebten langen E-Gitarren-Exkursionen, die (ähnlich der klassischen Werke von Neil Young) immer den Höhepunkt seiner frühen Produktionen darstellten. 

Auf dem neuen Album spielt er trotzdem alle seine Trümpfe aus: Der Opener „Let lt Blow" ist ein lockerer Rocker, der vortrefflich von der Perkussionistin Debra Dobkin unterstützt wird. 
Es schließt sich die herzzerreißende Ballade „For Whose Sake?"
an. "Miss Patsy" kann den Irish-Folk-Einfluss nicht leugnen, erstrahlt aber unter den bewährten Händen von Richard Thompson zu einem vertrauten heimeligen Pop-Kleinod.
Eine weitere unnachahmliche Ballade ist "OId Thames Side": ergreifend und mächtig zugleich. Als Begleitung reicht die akustische Gitarre und man vermisst nichts.
Etwas zu gekünstelt ist „How does your garden grow ?" ausgefallen. Die Melodie will nicht recht zünden und auch die formidablen Gitarrenkünste entschädigen dafür nicht.
Hypnotisch-rockig kommt "My soul, my soul" daher.
Beinahe shakespearehaft konzertant muten dann "Cressida"
und „Row, Boys Row" an.
Ein eher gewöhnlicher uptempo-Folk-Song ist „The Boys of Mutton Street". Hier hätte eine Band einiges mehr an Spannung vermitteln können. „Precious One" wirkt wie ein Gebet und erinnert in der Melodieführung an Gershwin's "West Side Story". 
Bei „A Solitary Life" begleitet sich ein wortgewaltiger Mr. Thompson auf der akustischen Gitarre und der Mandoline zu einem quasi-Protest-Song.
Moderner Minnegesang begegnet einem anschließend bei „Should l betray?"
und zum Abschluss gibt es mit „When we were boys at school' noch eine versöhnliche chansonhafte ruhige Nummer. 

Richard Thompson paart wieder Tradition und Individualität, plündert alte Werte, ergänzt und verschiebt sie, bleibt einzigartig und ist seiten beliebig. Ein typisches, interessantes, forderndes Richard Thompson-Album also. 

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