Bob Dylan - Modern Times (2006)


Glücklicherweise bedeutet der Titel "Modern Times" nicht, dass Dylan jetzt auf im Trend liegende Musik zurückgreift. Ganz im Gegenteil. Sie spiegelt quasi seine Sicht auf alte US-amerikanische Musiktraditionen wider. Er betätigt sich seit einiger Zeit als DJ und spielt auch da Lieder, die lange vor dem Rock`n`Roll entstanden sind. Das hat wohl abgefärbt und so hat Bob Dylan seine Adaptionen der alten Stile entworfen.
Modern Times - Dylan, Bob: Amazon.de: Musik
Eingespielt wurde das neue Werk mit seiner aktuellen Tourband: Tony Garnier am Bass, Schlagzeuger George G. Receli, den Gitarristen Mike Hansen, Stu Kimball und Denny Freeman sowie dem Multiinstrumentalisten Donnie Herron. Der Meister selber hat wieder unter dem Pseudonym Jack Frost produziert.

Die CD beginnt unspektakulär mit dem lockeren Boogie "Thunder on the mountain", bei dem die Begleitband ihre ganze Routine ausspielt. Es folgt "Spirit on the water", ein federleicht hingetupfter Swing, der aus den goldenen 20er Jahren zu stammen scheint, aber wie alle Titel ein Dylan-Original ist. "Rollin' and tumblin'" bildet einen ersten Höhepunkt. Hier assoziiert man einen stoisch treibenden Blues-Rock-Klassiker in der Interpretation von z.B. Canned Heat als Vorlage. Bobs brüchig, raspelnde Stimme ergänzt den Song perfekt.

Bei "When the deal goes down" wird es beschaulich. His Bobness croont sich durch eine waschechte Schnulze. "Someday baby" bietet wieder souveränen, abgeklärten Boogie-Blues und die anschließende Ballade "Workingman's Blues" bietet sich förmlich als Cover-Version fürs Americana-Umfeld an. "Beyond the horizon" bemüht wieder die Swing- und Ragtime-Ära als Referenz. Die raffiniert aufgebaute Ballade "Nettie Moore" ist mit einem monoton-primitiven Drum-Beat unterlegt. Wenn dieser ausgesetzt wird, übernehmen Streicher die Untermalung. "The Levee's gonna break" ist ein flotter Rockabilly-Swing. Den Ausklang und Höhepunkt des Albums bildet der über 8 1/2minütige Song "Ain't talkin'". Die mehrschichtige, fein abgestimmte Instrumentierung verbreitet eine mysteriöse Atmosphäre, wie man sie von der CD "Oh mercy" kennt. Der Refrain kriecht nach und nach in die Gehörgänge und nistet sich da ein.

Unbestritten ist Bob Dylan einer der bedeutendsten Musiker unserer Zeit. Mit "Modern Times" legt er kein Meisterwerk à la "Highway 61 revisited" oder "Blood on the Tracks" vor, er bietet aber solides Handwerk mit nicht alltäglichem Material. Und dass er damit die Charts stürmen konnte ist erfreulich, weist er damit doch einigen der gut verdienenden talentlosen Selbstdarsteller auch umsatzmäßig auf die Plätze.

Wer an der CD interessiert ist, sollte sich ein Exemplar der limitierten Auflage mit beigelegter DVD und verbesserter Aufmachung sichern. Die DVD enthält das Promo-Video von "Blood in my eyes" (auf "World gone wrong" von 1993), den Auftritt bei der Grammy-Verleihung anlässlich von "Love sick" von 1998, das Video zum Song "Things have changed", der im Film "Wonder boys" mit Michael Douglas verwendet wurde sowie die komplette Band-Version von "Cold irons bound" aus dem Film "Masked and anonymous", in dem Dylan selbst mitspielt. Die 3 Gitarristen (u . a. das texanische "Gitarren-Wunderkind" Charlie Sexton) liefern sich hier einen heißen Ritt.

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