Lost & Found-Portrait: Erinnerungen an den Roots-Rock der 1980er Jahre aus den USA.

Rückblickend könnte man die 80er Jahre grob als das Jahrzehnt, in dem Synthie-Pop, New Romantics und Drum-Computer die Musik bestimmten, bezeichnen. Also als ein Jahrzehnt voll von künstlichen Klängen und einfallslosen Interpreten, wo die Frisuren wichtiger waren als die Musik. Selbst alte Helden, auf die bisher immer Verlass war, schwächelten in dieser Periode. Gitarrenbetonte Rockmusik spielte sich da fast ausschließlich im aufkeimenden alternativen Untergrund ab. Dieser Artikel begibt sich auf Spurensuche nach Highlights und Geheimtipps aus einem verpönten Jahrzehnt.

Music of the United States - Wikipedia

Als Fan von Neil Young & Crazy Horse wurde man vom Meister in den achtziger Jahren nicht grade mit Gitarrenrock-Meisterwerken verwöhnt. Abhilfe versprach da die sogenannte Paisley Underground Bewegung, die Mitte der 80er Jahre  von Los Angeles ausging. Das war eine Sammelbezeichnung für Musiker, die Einflüsse aus dem Garagen-, dem Psychedelic- und dem  Folk- und Country-Rock der 60er Jahre verarbeiteten. Später wurde dieser Sound unter den Etiketten No Depression und Americana verfeinert.

Die Speerspitze des aggressiven, dröhnenden Sounds, der sowohl Neil Young`s Twin-Guitar-Exkursionen, wie auch den Druck von Creedence Clearwater Revival und die Raffinesse von Jefferson Airplane mit der Bedrohlichkeit von Velvet Underground garnierte, bildeten THE DREAM SYNDICATE um den Gitarristen, Sänger und Komponisten Steve Wynn.  Wynn setzte bei der Bandkonstellation auf die unschlagbare Kombination von 2 Gitarren + Bass + Drums, wobei er im Laufe der Bandgeschichte immer eigenwillige, markante Gitarristen rekrutierte.

In der Anfangsbesetzung war das Karl Precoda, der schneidende Feedback-Salven beitrug. Paul Cutler sorgte später für eine bodenständige, Blues-Rock-betonte Ausrichtung.

Die Debut-LP THE DAYS OF WINE AND ROSES von 1982 ist ein ungeschliffener Edelstein.

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Die Gitarren zerren, quietschen und kreischen ungezähmt. Der Rhythmus rumpelt und die Lead-Vocals  kommen  aggressiv und unpoliert rüber. Psychedelischer, feedback-getränkter Garagen-Rock mit dem Charme der Unvollkommenheit. So wie bei Velvet Underground oder den Modern Lovers mit der Wut der Stooges, gepaart mit dem Gitarrengewitter von Crazy Horse.

Das Folgewerk MEDICINE SHOW wurde 1984 vom Blue Oyster Cult-Produzenten Sandy Pearlman betreut und kommt professioneller und gradliniger, aber genau so energiegeladen daher.

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Will heißen: die Gitarrenparts sind strukturierter, es gibt weniger Feedback und als Verfeinerung auch mal perlende Piano-Passagen. Die Band entwickelte sich weiter, ohne an Biss zu verlieren.

Danach kam der neue Gitarristen Paul B. Cutler und die Tracks wurden kompakter, was auf den Alben OUT OF THE GREY (1986)

Out Of The Grey (deluxe edition) von The Dream Syndicate bei ...

und GHOST STORIES (1988)

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nachzuhören ist.

Die Band beendete das Jahrzehnt und ihr Bestehen mit einer druckvollen Live-Aufnahme (LIVE AT RAJI´s, 1989).

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STEVE WYNN ist bis heute unter eigenem Namen und in etlichen Projekten kreativ tätig, seine Schaffenskraft und Energie ist ungebrochen. In seine Live-Auftritte baut er immer noch Songs aus der Dream Syndicate Zeit ein.

1985 nahm er an den Sessions einer Paisley Underground All-Star-Band teil. Zusammen mit Dan Stuart von GREEN ON RED schrieb er 8 Songs, die ergänzt um den Dylan-Klassiker KNOCKIN`ON HEAVEN`s DOOR auf der Platte THE LOST WEEKEND erschienen. Als Interpreten wurden DANNY AND DUSTY genannt.

Danny & Dusty - The Lost Weekend (1996, CD) | Discogs

Danny ist Dan Stuart, Dusty ist Steve Wynn. Weitere Mitstreiter waren die Gitarristen Sid Griffin und Stephen McCarthy sowie Bassist Tom Stephens der Neo-Country-Rock-Band THE LONG RYDERS. Außerdem Chris Cacavas von GREEN ON RED am Piano und der DREAM SYNDICATE Drummer Dennis Duck. Bei diesen tatsächlich an einem verlängerten bierseligen Wochenende eingespielten Aufnahmen kam ein munteres,  gutgelauntes Country-Rock-Album heraus.

Und da wären wir schon bei einer anderen All -Star-Band aus dem Paisley Underground Dunstkreis, nämlich den schon erwähnten GREEN ON RED. Sie spielten Roots-Rock im Spannungsfeld zwischen Folk, Blues und Country mit quengelndem Gesang, knackigen Gitarren und trockenem Rhythmus. In der Band haben Dan Stuart (Gesang, Gitarre), Chris Cacavas (Keyboards, Gesang), Jack Waterson (Bass, Gesang) und Chuck Prophet (Gitarre, Gesang) mitgewirkt, die später alle Solo-Karrieren gestartet haben.  Angefangen hatte alles 1982 mit einer 7-Song EP, die genau wie die erste LP von 1983 (GRAVITY TALKS) noch Referenzen an die DOORS enthielt.

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Mit GAS FOOD LODGING

Green On Red - Gas Food Lodging (1985, CD) | Discogs

und NO FREE LUNCH

No free lunch [Vinyl LP] - Green on Red: Amazon.de: Musik

fanden sie dann 1985 endgültig ihre eigene Identität. Produzentenlegende Jim Dickinson (u.a. von Alex Chilton, The Replacements, Big Star, Ry Cooder) verpasste ihnen auf THE KILLER INSIDE ME (1987) eine dunklere Färbung.

Green On Red - The Killer Inside Me | Veröffentlichungen | Discogs

Die Songs wirkten wenig hoffnungsvoll, die Atmosphäre hatte was von einer verräucherten Spelunke, Gospelreferenzen sorgten für andächtige Stimmung.

Nach 2 Jahren Pause überzeugte das von Dickinson und Joe Hardy in den legendären Sun- und Ardent Studios in Memphis produzierte HERE COME THE SNAKES mit knalligem Drum-Sound und einprägsamen Melodien.

Green On Red - Here Come The Snakes (1989, Vinyl) | Discogs

Die Band schloss das Jahrzehnt mit dem unter der Regie von Glyn  Johns entstandenen harmonischen THIS TIME AROUND ab.

Green On Red - This Time Around (1989, CD) | Discogs

Von der Kernmannschaft waren da nur noch Dan Stuart und Chuck Prophet übrig. Etliche Gäste, darunter der EAGLES-Mitgründer Bernie Leadon, rundeten das Klangbild ab. Nach 2 weiteren Veröffentlichungen löste sich die Band 1992 auf. 

Weitere Pioniere auf dem Americana-Sektor waren GIANT SAND.

Giant Sand – laut.de – Band

Kopf und einzige Konstante im Gefüge ist HOWE GELB. Gelb ist ein kreativer Wirrkopf, ein musikalischer Messie, der anscheinend jede Idee verwertet. So gibt es auf seinen CD`s immer wieder Schnipsel von angefangenen Stücken, rüde Abbrüche, Improvisationen, Spielereien, aber eben auch großartige Songs. Mag man diese Herangehensweise des öffentlichen Lernens, dann kann man bedenkenlos alle CD`s kaufen, sie haben alle ihren Reiz.

Ihre musikalischen Sporen verdienten sich in dieser Combo lange Zeit Joey Burns und John Convertino, die sich ab 1994 als Duo zusammentaten und später die wundervollen CALEXICO gründeten. Die schräge Alternative-Country Variante von GIANT SAND war THE BAND OF BLACKY RANCHETTE, eine lose Formation, die ebenfalls von HOWE GELB geführt wurde.

 The Band Of Blacky Ranchette - Code Of The Road | Discogs

Unter der Bezeichnung BAR BAND AMERICANUS wurden 2008 die Einspielungen von CHARLIE PICKETT aus Miami wiederveröffentlicht.

Charlie Pickett & The MC3 - The Wilderness (1988, CD) | Discogs

Pickett überzeugte mit seinem lässigen Boogie-Blues-Garagen-Rock, der an den Sound der Stones, an George Thorogood ohne Saxophon oder an die Flamin` Groovies denken ließ, aber doch ein Stück derber als die eben genannten rüber kam. Sein Highlight ist für mich die COWBOY JUNKIE AU GOGO  5-Track-EP von 1984. Supercool spielen sie sich durch rumpeligen, verschlafenen Country-Rock, wobei das Stück LIKE IT A LOT den Vogel  abschießt. Kurz vor dem Stillstand sorgen Feedback-Einsätze und Trash-Riffs für zusätzliche Schräglage.

 

DIVINE HORSEMEN waren die Inkarnation der ROLLING STONES der Jimmy Miller Ära (Beggars Banquet bis Exile On Main Street) in den 80er Jahren. Einige Kritiker sahen in ihnen auch die neuen STEPPENWOLF. It`s Only Rock`n`Roll but I like it. Der Wechselgesang zwischen Chris D und Julie Christensen verlieh dem Sound eine harmonische Note. Der Shouter Chris D kam ursprünglich vom Punk. Er leitete die FLESH EATERS, rettete deren Energie zu den Horsemen rüber, sorgte aber für mehr Melodie und schuf so die Plattform für eine Hörerschaft, denen die Rock-Dinosaurier zu behebig und die Punker zu destruktiv waren. Sie gingen mit 4 Veröffentlichungen an den Start, wobei DEVIL`s RIVER

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und die EP MIDDLE OF THE NIGHT von 1986 ihre stärksten Werke waren.

Paul Westerberg gründete 1979 die Garagen Rock Band THE REPLACEMENTS. Spätestens mit ihrem Album HOOTENANNY von 1983 hatten sie einen eigenen Sound, der Anteile von Power Pop, stürmischem Rock`n`Roll sowie Folk enthielt, entwickelt.

The Replacements Hootenanny UK CD album (CDLP) (435698)

Auf LET IT BE von 1984 haben sie ihre ungestüme Wut mit  gemäßigteren Titeln optimal ausbalanciert. Als College-Radio-kompatibel erwies sich das nächste Album (TIM, 1985). Der Hit auf PLEASED TO MEET ME (1987)

The Replacements: Pleased to Meet Me....a messy pleasure to listen ...

ist eine Hommage an den großen ALEX CHILTON:

Eine tolle Power-Pop-Nummer mit großartigen Hooklines! 

DON´t TELL A SOUL von 1989 präsentiert sich noch melodieverliebter.

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Leider bewegen sich ein paar rockigere Titel auf der Schwelle zum Stadion-Rock.

Nach einer weiteren LP (ALL SHOOK DOWN, 1990) löste sich die Band 1991 auf.

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Es lohnt sich auch, nach den Solo Alben von Paul Westerberg, Tommy Stinson (Bash & Pop), Slim Dunlap und Chris Mars zu fahnden. Sie führten den REPLACEMENTS-Sound auf ihre Weise abgewandelt weiter.

Die Gitarren-Tüftler THE FEELIES aus New York haben sich 1976 gegründet und erst 1980 ihre erste Platte veröffentlicht. CRAZY RHYTHMS wartet dafür aber auch mit einem sehr speziellen Klang auf.

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Man hört einzigartige Gitarrenstimmungen, sie produzieren zitternde, nervöse Töne, die betörend, exotisch und auch filigran klingen. Sich ständig wiederholende Motive sorgen für suggestive Effekte, wie man sie von der Minimal-Art von Künstlern wie STEVE REICH kennt.

Diesen speziellen Sound haben sie auf späteren LP`s nicht ausgewalzt. Auf THE GOOD EARTH (1986)

The Feelies: The Good Earth (CD) – jpc

und ONLY LIFE (1988)

The Feelies - Only Life (1988, Blue Labels, Vinyl) | Discogs

erinnert ihr Schrammel-Sound schon mal an VELVET UNDERGROUND, die Folk-Rock-Passagen an die frühen REM und die Gitarrensoli an TOM VERLAINE. 

Von den CRAMPS lernte ich, dass Rockabilly der Punk der 50er Jahre war. Die CRAMPS transformierten den klassischen Rock`n`Roll und seine Abwandlungen durch Reduzierung ohne Nostalgie auf seine Grundbestandteile. Unter Hinzunahme einer gehörigen Dosis Wahnsinn brachten sie ihn in eine zeitgemäße Form.

The Cramps (With images) | The cramps, Cramp, Punk rock

Poison Ivey`s Gitarre spuckte Gift und Galle und Lux Interior sang wie ein Besessener. Sie waren die festen Größen im Bandgefüge. Gitarrist Kid Congo Powers wechselte zwischen ihnen und dem GUN CLUB hin und her. Drummer und Bassisten wurden ständig ausgetauscht. Die ersten Aufnahmen von 1979 und 1980 wurden von der  BOX TOPS/BIG STAR-Legende ALEX CHILTON produziert.

Songs the Lord Taught Us [Vinyl LP] - Cramps, the: Amazon.de: MusikPsychedelic Jungle - the Cramps: Amazon.de: Musik

Er konservierte ihren trashigen Rock`n`Roll perfekt, gab dem Sound Raum und glättete nichts.


Im Repertoire hatten sie Fremdkompositionen wie FEVER

oder SURFIN` BIRD, die sie durch den Wolf drehten und Eigenkompositionen, die sie im Geiste unbekannter Rockabilly-Größen wie Benny Joy oder Jett Powers entwarfen. Meistens klangen sie primitiv, böse, geheimnisvoll , aufsässig und wild. Sie verkörperten damit den ursprünglichen Geist des Rock`n`Roll. Alle ihre Aufnahmen aus den 80er Jahren sind ausnahmslos zu empfehlen.

Der GUN CLUB wurde von Jeffrey Lee Pierce, der Vorsitzender des Blondie-Fan Clubs war, geführt. Sein Gesang erinnert an einen heulenden Coyoten. Er verbreitete die Stimmung von jemandem, der ständig gegen seine Dämonen ankämpft. Schon das Debutalbum FIRE OF LOVE von 1981 enthielt Passagen von entfesselnder, gehetzter, geschrammelter Schroffheit und Momente totaler Verlorenheit.

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Die Basis war der Blues, die Energie kam vom Punk.

Auf MIAMI (1982) ist alles noch extremer: der Gesang ist nahe an der Verzweiflung, Slide-und Steel-Gitarren weinen stählerne Tränen.

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Die Band stampft musikalisch durch die Sümpfe des Mississippi Delta und schreitet durch die Weiten von Texas, wo J. L. Pierce aufgewachsen ist.

Im Jahr 1984 erscheint THE LAS VEGAS STORY und zeigt die perfekte Balance zwischen sauberer Produktion, dreckigem Blues Rock und elektrifiziertem Country.

Gun Club, The - The Las Vegas Story - Vinyl LP - 1984 - UK ...

Eine weitere gute CD  erschien 1987: MOTHER JUNO.

The Gun Club - Mother Juno | Veröffentlichungen | Discogs

Ich sah die Band im Rahmen ihrer Promotion-Tour für MOTHER JUNO. Der körperliche Verfall auf Grund massiver Drogenprobleme war dem aufgedunsenen Jeffrey Lee Pierce schon anzusehen, die Show war aber trotzdem energiegeladen und kraftvoll. An der 2. Gitarre war ein diabolisch grinsender Kid Congo Powers, der grade wieder The Cramps verlassen hatte, zu sehen.

Die Vorband waren die nicht angekündigten DINOSAUR  (später mussten sie aus rechtlichen Gründen ein „ jr.“ dranhängen). 

Dinosaur Jr. announce their 12th studio album is on the way

Eine weitere Band, die  das Warten auf wiedererstarkende CRAZY HORSE verkürzte. Dieses Trio erzeugte mit dröhnenden Gitarrenriffs und stoischer Rhythmusarbeit eine ähnliche Atmosphäre, wie sie Neil Young bei seinen ausufernden Songs DOWN BY THE RIVER, SOUTHERN MAN oder COWGIRL IN THE SAND aufbaut.

Das Gefühl von Weite und Freiheit trifft auf emotionale Tiefe. Hinzu kommt der nuschelige Gesang von J. Mascis, der zwischen gelangweilt und cool  taumelt. 

TAV FALCO & PANTHER BURNS aus Memphis huldigen auf ihren ersten Alben dem destruktiven spröden Rock`n` Roll, wie ihn auch Produzent ALEX CHILTON zu spielen verstand. BEHIND THE MAGNOLIA CURTAIN  von 1981 wurde komplett  in maximal zwei Takes eingespielt und so klingt es auch.

Tav Falco & Panther Burns - Behind The Magnolia Curtain / Blow ...

Sie schufen bizarren, dilettantisch anmutenden Kaputt-Rock.

The Panther Burns bestanden dabei aus 3 Gitarristen (u.a. der allgegenwärtige Alex Chilton), einer Drummerin und einem Bassisten. Dieser Tage wird dieses Rockabilly-Blues-Monster zusammen mit BLOW YOUR TOP auf dem Glitterhouse Sub-Label  Stag-O-Lee wiederveröffentlicht. Hier erschien letztes Jahr auch TAV FALCO`s  neueste Platte CONJURATIONS. Auf der CD THE WORLD WE KNEW

Tav Falco's Panther Burns - The World We Knew | Discogs

von 1985 entdeckte er den Tango für sich, den er seitdem immer wieder  in seine Musik einbaut. 

Psychedelischer Punk-Rock war das Markenzeichen des Trios THE WIPERS aus Portland, Oregon, um den Gitarristen und Frontmann GREG SAGE. Er brachte durch seine Kombination von schroffen, druckvollen Riffs mit weitausholenden Soli eine neue Qualität in das Genre ein. Das kantige, aggressive Power-Trio war ein Haupteinfluss für KURT COBAIN und NIRVANA. Auf ihrem Meisterwerk YOUTH OF AMERICA (1981)

Wipers: Youth Of America (LP) – jpc

walzen sie mit peitschenden Drums, monoton donnerndem Bass und einer Gitarre, die außer Rand und Band geraten kann, alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellt. Beim Titelstück spielt sich GREG SAGE in einen Rausch aus Dissonanz und Feedback, der erst nach über 10 Minuten endet.

Die Band THIN WHITE ROPE waren die Dunkelmänner der Neo-Psychedelia und Desert-Rock Szene. Ihr häufig deprimierender, surrealer Sound lebte vom innigen, leidenden Gesang von Guy Kyser, der an JOHN KAY von STEPPENWOLF und manchmal auch an GENE CLARK von den BYRDS gemahnte. Musikalisch stachen die beiden Gitarristen Roger Kunkel und Guy Kyser durch raumfüllende breitwandige Gitarrensalven heraus. Mein Favorit ist SACK FULL OF SILVER, 1989 eingespielt und 1990 veröffentlicht:

Sack Full of Silver | Thin White Rope

aufwühlender, paranoider Wüstenrock, der klingt, als wäre er unter schlechten Drogen eingespielt worden. 

Die VIOLENT FEMMES haben als Straßenmusiker angefangen. Sie hatten die Vision, mit akustischen Instrumenten (Gitarre, Bass, Schlagzeug) Punk zu spielen. Ihr rotziger Folk-Rock lebte vom nörgeligen Gesang von Gordon Gano, dem wuchtigen Bass-Spiel von Brian Ritchie und den knochentrockenen Minimal- Drums von Victor de Lorenzo. Ihre wenigen Balladen waren genauso übertrieben tränenziehend wie die Rocker hemmungslos überschäumten. Sie brachten in den 80er Jahren insgesamt 4 Alben heraus, wobei die ersten beiden (VIOLENT FEMMES, 1983

Violent Femmes - Violent Femmes | Veröffentlichungen | Discogs

und HALLOWED GROUND, 1985)

Hallowed Ground - Violent Femmes: Amazon.de: Musik

als Klassiker gelten, die anderen beiden (Blind Leading The Naked, 1986 und 3, 1989) aber auch nicht wesentlich schlechter sind.

Auf dem SST-Label erschienen in den 80er Jahren etliche Bands, die entweder beinhart oder so vertrackt spielten, dass sie meistens schwer verdaulich waren.  Die MEAT PUPPETS um die Cirkwood-Brüder waren da eine Ausnahme.

Meat Puppets - Meat Puppets II | Veröffentlichungen | Discogs

Ihr harter Gitarrenrock wurde schon auf ihrem 2. Album (MEAT PUPPETS II von 1984) folkig aufgelockert und hatte klare Konturen und manchmal einen flüssigen Groove, der an Westcoast Bands wie Grateful Dead erinnerte.

Für ein Trio war der Sound erstaunlich dicht und vielschichtig. Im Jahr 1994 begleiteten die Cirkwoods NIRVANA bei ihrem MTV UNPLUGGED Auftritt, dort wurden auch 3 Songs von MEAT PUPPETS II gespielt.

Als ich 1982 die LP ROMAN GODS der FLESHTONES hörte, hat mich ihr Sound umgehauen.

The Fleshtones - Roman Gods (1981, Vinyl) | Discogs

Das partytaugliche Gebräu aus 60s-Beat, Soul, Funk, Garagenrock und Rhythm & Blues war derart elektrisierend und aufregend, dass ich über Wochen nichts anderes hören mochte.

1983 folgte in gleicher Qualität HEXBREAKER.

The Fleshtones - Hexbreaker! (1983, B - Electrosound Group Midwest ...

Die beiden Live-Alben SPEED CONNECTION I + II konnten mich leider aufgrund mangelnder Dynamik nicht überzeugen. Die Band ist bis heute im Geschäft und veröffentlicht in unregelmäßigen Abständen neue Platten, die häufig das Feuer der ersten beiden LP`s transportieren.

Beim Ausarbeiten dieses Artikels zeigte sich schnell, dass die 80er Jahre doch nicht so unergiebig waren, wie anfangs angedeutet. Man findet hier allerdings auch nur ein paar markante Schlaglichter, die aus meiner Erinnerung heraus relevant waren. In Wirklichkeit wird es also noch viel mehr Musik aus dieser Zeit geben, die den Zahn der Zeit überstehen wird.


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