Rickie Lee Jones – The Other Side Of Desire (2015)
Mit dem Ortswechsel kam die Kreativität zurück. Rickie Lee Jones verwöhnt mit neuen, eigenen, wagemutigen und persönlichen Errungenschaften.
Vor zwei Jahren zog Rickie Lee Jones zurück nach New Orleans. Dort hatte sie bereits Anfang der Achtzigerjahre gelebt, als ihr Trennungsalbum „Pirates“ entstand. Vorher verbrachte sie eine lange Zeit an der Westküste der USA, was ihren musikalischen Stil prägte. Cool Jazz, Singer-Songwriter-Folk und 60s-Pop waren Einflussgrößen, die man immer wieder in ihren provokanten, aneckenden Songs erkennen kann. Und nun hat sie nach Jahren, in denen ihr die Inspiration für eigene Lieder fehlte, durch den Umzug einen kreativen Schub bekommen. Sie assimiliert die Atmosphäre des Big Easy und drückt ihren Kompositionen den Stempel der neuen Heimat auf. Dadurch sondert sie Tondichtungen ab, die dem Rhythm & Blues von Fats Domino huldigen („J`Ai Connais Pas“), feierlich, aber unpathetisch über „Christmas in New Orleans“ berichten oder einen frankophilen Cajun-Einfluss in sich tragen („Valtz De Mon Pere (Lover`s Oath)“). Der zuletzt erwähnte Song zeigt, dass auch familiäre Bindungen reflektiert werden. Das wird zusätzlich dadurch deutlich, dass Rickie Lee die Platte ihrer Tochter gewidmet hat.
„The Other Side Of Desire“ bedeutet Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt und Rückschau auf prägende Elemente. Der Titel des Albums macht darauf aufmerksam, dass Verlangen nicht unbedingt sexuell interpretiert werden muss, sondern sich auch im Allgemeinen auf die Dinge beziehen kann, die uns im Leben antreiben. So wie hier Begriffe eine Doppeldeutigkeit besitzen, so ist auch die Musik nicht einfach in vorgefertigte Schubladen einzuordnen. Das war sie ja noch nie bei dieser engagierten Künstlerin. Eingängige Passagen werden gerne durch überraschende Eingriffe aufgeraut und auch gesanglich kann die reife Sängerin, die immer noch sehr jugendlich klingen kann, durchaus polarisieren. Eben noch ernsthaft erzählend und nachdenklich, verfällt sie plötzlich und relativ häufig in einen nasalen Interpretationsstil. Sie kann aber auch infantil, jubilierend, klagend, brüchig oder einschmeichelnd singen. Diese emotionale Vielfalt hat sie über die Jahre unbeirrt gepflegt und sich dadurch einen Ruf als selbstbewusste, unbeugsame Musikerin erworben, die authentisch und berührend sein kann.
Die Duchess Of Cool, wie Rickie Lee Jones früher genannt wurde, erstarrt nicht in Routine, sondern nutzt die erworbene Erfahrung, um diese mit Leidenschaft für das Originelle zu kombinieren. Sie verwirbelt Jazz, Blues, Folk und Pop aufmüpfig und poetisch und erlangt dadurch zielsicher verlässliche Qualität. Und ihr neues Album knüpft an ihre besten Arbeiten an und wächst mit jedem Hördurchgang.
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