Verborgene Plattenschätze: Eric Andersen - Ghosts Upon The Road (1989)

ERIC ANDERSEN, 1943 in Pittsburgh, Pennsylvania geboren, war ursprünglich ein Folk-Barde, der seine Lehrjahre schon 1964 im New Yorker Greenwich Village absolviert hat und wie so viele andere als zweiter BOB DYLAN aufgebaut werden sollte. Er elektrifizierte aber seinen Sound nicht, sondern blieb dem romantisch-poetischen Country-Folk-Idiom verbunden. Der Beatles-Manager Brian Epstein wollte ihn betreuen, verstarb aber, bevor der Vertrag zustande kam. Trotz der Unterstützung berühmter Freunde wie Andy Warhol oder Eric Clapton und der Fähigkeit, delikate Songs zu verfassen, kam es nie zum großen kommerziellen Durchbruch.

In den 70er Jahren festigte er seinen Ruf als ernstzunehmender, hochtalentierter Künstler durch ständiges Tingeln durch die Folk-Clubs von Nordamerika und Europa. Ende der 80er Jahre fand er seine zweite Heimat in Oslo. Die Songs von Ghosts Upon The Road wurden 1988 in New York aufgenommen und 1989 erstmalig veröffentlicht. Sie entstanden während seiner  Europareisen und haben oft  inhaltliche Bezüge zu Erinnerungen aus dieser Zeit. Die Lieder sind mit voller Band eingespielt worden. Sie wurden atmosphärisch dicht arrangiert, aber nicht überladen. Eric spielt Gitarre, Piano, etwas Percussion und singt mit selbstbewusster, verführerischer, sonorer, leicht angerauter, lebenserfahrener Stimme.

Ghosts Upon The Road - Anderson, Eric: Amazon.de: Musik

BELGIAN BAR wurde in Norwegen geschrieben, bezieht sich aber auf Erlebnisse bei einem Filmmusikprojekt, dass mit einem Freund in Brüssel realisiert wurde. Der Song kombiniert elektrische und akustische Anteile, wobei Verse und Geschwindigkeiten gegeneinander verschoben werden. Eric singt so einnehmend, dass man gebannt vor den Lautsprechern sitzt und ungläubig diesem Wunder an Einfallsreichtum lauscht.

Die Ballade SPANISH STEPS beschreibt die Stationen einer Beziehung und punktet durch einfühlsame Begleitung. Etwas dramatischer ist IT STARTS WITH A LIE aufgebaut. Unerwartete Tempowechsel sorgen für zusätzliche Spannung.

TROUBLE IN PARIS bezeichnet Eric Andersen als Mörderballade. Das Lied verharrt fast in Zeitlupe. Akustische und elektrische Gitarre, Bass und Percussion wirken wie hingetupft. Das Akkordeon suggeriert dezent frankophile Stimmung. Sich auf sich selbst besinnen und einfach mal nur dem Regen lauschen, dass rät Mr. Anderson als kleine Meditation in dem hochmelodischen LISTEN TO THE RAIN.

Das über 10 minütige GHOSTS UPON THE ROAD hat es in sich. Wortreich gibt uns Eric Andersen einen Einblick in seine Biographie und ruft die Geister, die ihn umtreiben. So erzählt er, dass er in der Zeit seiner Anfänge beinahe mal aus dem sechsten Stock gesprungen wäre. Seelenstriptease pur.

Lebensweisheiten prägen auch TOO MANY TIMES (I WILL TRY), von der Umsetzung her fast ein Popsong. Es folgt CARRY ME AWAY. Ein Liebeslied , das er in einem Rutsch innerhalb von 15 Minuten geschrieben hat. Einer unruhigen schlaflosen New Yorker Nacht entsprang das eindringliche SIX SENSES OF DARKNESS.

Erinnerungen an 2 Frauen werden im finalen, erzählerisch starken IRISH LACE verarbeitet.

ERIC ANDERSEN`s Songs sind schonungslos ehrlich, nachdenklich, aber trotzdem kraftvoll und optimistisch. Die Begleitung ist sensibel und den verschiedenen Stimmungen optimal auf den Leib geschneidert.

Die Liner-Notes zu GHOSTS UPON THE ROAD hat der Kritiker ROBERT PALMER geschrieben. Er endet mit der Einschätzung: „Vergesst Kategorien wie Folk, Rock, Pop und andere Beschreibungen. Das ist großartige amerikanische Musik von einem der besten seiner Zunft. Und sie ist zeitlos.“ Recht hat er! 

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