Avec - What If We Never Forget (2016)

Mit 14 Jahren Taylor Swift-Fan, mit 20 das erste eigene Album. Avec ist eine sensible Musikerin mit Entwicklungspotential.
Avec ist eine 20-jährige Musikerin aus Österreich, die ihren bürgerlichen Namen nicht verraten möchte. Sie hat schon mit sechs Jahren Geige gelernt und ist dann mit 14 auf Gitarre umgestiegen. Trotz ihrer Jugend gelingt es ihr, beim Singen Verletzlichkeit, Wehmut, Sinnlichkeit und Freude so auszudrücken, als würde sie über einen großen Erfahrungsschatz verfügen. Die unterschiedlichen Emotionen lässt sie mitunter alle zusammen in einem Song raus („Waiting For“). Die Musik schaukelt meistens zwischen akustischem, kammermusikalischem Folk und mildem, verwaschenem Pop hin und her. Elektrisch verstärkte Töne gibt es nur selten zu hören und dann werden diese eher zart besaitet angestimmt wie bei „Granny“. Auch wenn es hier und bei „NFYT“ mal etwas lebhafter zugeht, kommt keine Hektik auf. Die Stimmung bleibt stets ausgewogen und der Gesang wird vorsichtig und sensibel eingesetzt. Aber für „Dead“ wurde ausnahmsweise die desillusionierte zurückhaltende Atmosphäre mit dynamischen, vorwärtsdrängenden Klängen kombiniert.
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Die Töne werden ansonsten überwiegend in Melancholie getaucht. Es gibt Songs mit einer Zerbrechlichkeit und Tiefsinnigkeit, die an Leonard Cohen erinnern („Youth“, „Shadows“). Verlorene Piano-Akkorde leiten das zarte „Oh Boy“ ein. Eine kaum wahrnehmbare akustische Gitarre unterstützt den empfindsamen Charakter, bevor synthetische Rhythmen und raumfüllende Synthesizer-Töne einen bizarren, flirrend-schwebenden Klangteppich ausbreiten. Leidender Gesang begleitet das intime „Hold On“, dessen Dramatik und Tragik im Verlauf pathetisch gesteigert wird.
„Darling“ bietet warmen, friedlichen Pop, der an das Frauen-Duo Boy erinnert und mit „For Me“ ist ausgeklügelter, schwärmerischer Folk-Pop-Mix am Start. Wäre dieser straffer arrangiert und nicht so verträumt umgesetzt worden, könnte er ins Repertoire von Aimee Mann passen. „Bones“ hat eine etwas mechanisch ablaufende Melodik, die unverhoffte Stopps aufweist. Die Stimme reagiert überwiegend regungslos, fast unbeteiligt, beinahe wie gelähmt. Auch „Heartbeats“ kommt kühler und bedrohlicher rüber, als sonst üblich. Der Gesang übermittelt dabei Unheil und Trostlosigkeit.
Avec mag klare, kurze Ansagen. Ihre Lieder haben knappe Titel und sind alle autobiographisch veranlagt. Hinter den plakativen Ankündigungen verbergen sich oft Klänge, denen Adjektive wie dezent, verloren, nachdenklich oder verletzlich zuzuordnen sind. Avec ist nie grell, selten auflehnend, eher traurig und gehemmt. In der Ruhe liegt die Kraft, sagt ein Sprichwort. Diese Kraft wird von der jungen Österreicherin beschworen. Und das ist ihr mit dem Erstlingswerk schon recht gut gelungen. Wenn in Zukunft noch auf etwas Süße und schwülstige Dramatik verzichtet wird, könnten beim nächsten Anlauf noch viel mehr dunkel funkelnde Edelsteine entstehen.

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