Ben Marwood - Get Found (2017)

Der Folk-Tausendsassa Ben Marwood sucht seine Mitte und ist auf einem guten Weg dorthin.
Ben Marwood aus Reading (UK) hat die Instinkte eines spontanen Straßenmusikers. Der Überraschungseffekt in Form von Tempo- und Dynamiksprüngen ist ihm bei seinen Liedern manchmal wichtiger als ausgeklügelte Arrangements und durchgängige Melodien. Denn es geht in erster Linie darum, die Leute sofort zu beeindrucken und zum Zuhören zu bewegen.
Ben Marwood - Get Found (2017, CD) | Discogs
Im Grunde genommen verwendet Ben diese Kompositionsmuster: Die Übungsraum- und Straßenmusikanten-Lieder: „Punched In The Mouth (Part 1)“ eröffnet die Platte mit Sprachaufnahmen von einer Kinderstimme. Das darauffolgende Lied wurde Solo zur akustischen Gitarre eingespielt und klingt wie ein Wohnzimmer-Demo. Der kurze Song ist unspektakulär und leidet darunter, dass die Melodie recht unattraktiv ist. Ein unbequemer Anti-Folk mit störrischem, wortreichem Gesang, der phasenweise gesprochen daherkommt, wird mit „In Black And White“ verabreicht. „Bones“ zeigt engagierten Folk zur akustischen Gitarre, wobei sich Fingerpicking und geschrammelte Akkorde abwechseln.
Die Folk-Punk-Pose: „The Church Of No Commandments“ ist Punk, der mit akustischen Instrumenten – unter anderem auch einem Banjo – umgesetzt wird. Dieser Folk-Punk erhält zur Abwechslung auch ruhige Einschübe. „Nights“ schlägt in die gleiche Kerbe. Alternativer Folk und Rock: Billy Bragg hat dem Folk in den 1980er Jahren eine unangepasste Bissigkeit wiedergegeben. Dieses Muster ist auch bei „I'm Wide Awake Its Boring“ zu spüren, das als getarnter ruckeliger Alternative-Rock mit akustischen Instrumenten sehr erfrischend und aufbauend umgesetzt wird. Bei „The Devil Makes Work For Jazz Hands“ geht es durch den Einsatz einer E-Gitarre inklusive Drums und Bass deftig zur Sache.
Country und Folk für`s Gemüt: „Enraptured“ ist ein langsamer Country-Folk mit lieblich jauchzender Steel-Gitarre. Der Song scheint sich offen zu lassen, in welche Richtung er sich bewegen will und endet unerwartet, als es grade am Schönsten ist. „Baby You're A Mess“ ist eine sympathische Nummer, die ergreifend anfängt und später kräftige Gitarren-, Akkordeon- und Banjo-Zutaten spendiert bekommt. Das hat was vom Mumford & Sons-Schwung.
Folk Meets Pop: Tropfende Piano-Töne leiten „Kick Out Kick On“ ein. Danach entwickelt sich ein Stück, das durch seine dezent im Hintergrund agierenden Gesänge auffällt, die wie säuselnde Bläser klingen. „Bury Me In The Pantheon“ wird durch gutes, lebendiges Gitarren-Picking bereichert. Die Stimme setzt hier aggressive und erzählerische Elemente ein. Der Gesang von „Friends, Close“ ist hingegen abwechselnd flehend, zornig und einsichtig. Dieser Folk-Pop zeigt Ecken und Kanten. Atmosphärische Streiflichter: „DNFTTTS“ ist ein kurzer, romantischer Piano-Solo-Ausflug, der klingt, als wäre er spontan ausgedacht worden.
Ben Marwood ist ein Allrounder: Teils wütender Folk-Punker oder engagierter, kritischer Berichterstatter. Dann wieder unterhaltsamer Folk-Popper oder einfühlsamer Beobachter. Manchmal ist er überambitioniert, will mit Gewalt seine Ideen durchsetzen, egal ob sie ausgereift sind oder nicht. Einfach weil sie ihm am Herzen liegen. Dann schlägt das Spontane das Überlegte. Das tut der Qualität der Songs nicht immer gut. Eine kritischere Sichtung des Lied-Materials wäre manchmal angeraten, damit die Fähigkeiten optimiert verbreitet werden können. Der Freund von Frank Turner hat dieses, sein drittes Album seit 2011, nach längerer Krankheit fertig gestellt. Es zeigt ihn kämpferisch und optimistisch. Hoffen wir, dass es ihm genügend Aufwind verschafft, um weiter Musik machen und gestärkt neue Songs und Vorstellungen umsetzen zu können.

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