Jesse Mac Cormack - After The Glow EP (2016)

Bei Jesse Mac Cormack trifft Folk auf Rock und Groove-Elemente.
Jesse Mac Cormack ist ein kanadischer Singer/Songwriter aus der lokalen Szene von Montreal. Die „After The Glow“-EP ist seine dritte Veröffentlichung in dieser Form und kombiniert seine introvertierte und extrovertierte Seite in einer Verbindung aus sehnsüchtigen Abläufen und explosiven Ausbrüchen. Diese Gegensätze vermitteln glaubwürdig einen bewusst zerrissenen Eindruck, der ein intensives Hörerlebnis entstehen lässt.
After the Glow - Jesse Mac Cormack: Amazon.de: Musik
Der Song „After The Glow“ beschwört eine weite, einsame Landschaft herbei. Drohende Gitarrenwälle, ein waidwunder Takt, behäbige akustische Gitarren-Akkorde und eine von Schicksalsschlägen gezeichnete Stimme prägen die Klangwelt. Bei „Addict“ erzählt die E-Gitarre eine klagend-wütende Geschichte, bevor die menschliche Stimme den wehmütigen Faden aufgreift. Die Begleitung dazu gipfelt in einem schleppenden, elektrischen Garagen-Rock mit giftigen Spitzen und reißerischen Saiten-Attacken. Der Track kommt zwar nur umständlich in Gang, entwickelt sich aber langsam zu einem grantigen Song mit versöhnlichen Passagen.
Gehetzt beginnt der Folk-Rock von „Repeat“, der von Atempausen durchsetzt ist. Jesse versucht Zuversicht darzustellen, die bleibt ihm aber im Hals stecken. Hier musiziert jemand, dem das Leben zugesetzt hat und der die Musik als Ventil nutzt, um seinen Groll konstruktiv umzusetzen. Das Schlagzeug scheppert, die Gitarre baut Aggressionen ab, Keyboards verheißen ein Licht am Ende des Tunnels und der Künstler zeigt sich kämpferisch. Der Track lebt von monoton wiederholten Takten, die dem Song im Zusammenhang mit dem verzweifelten Gesang einen gehetzten fiebertraumartigen Eindruck verleihen. Die eingestreuten, Erschöpfung ausdrückenden Passagen nehmen den Druck raus, stören aber den mühsam aufgebauten Groove.
„Never Enough“ zeigt, dass Roots-Rock und Elemente des Dance-Pop eine heilige Allianz eingehen können, ohne sich zu neutralisieren. Es ist ein seltener Glücksfall, wenn solch eine Kombination belebend und nicht lähmend wirkt. Das klappt, weil Jesse die körperbetonten Inhaltsstoffe als Anheizer und nicht als Weichspüler benutzt. „Death Row“ vermittelt zunächst asiatische Gelassenheit, konvertiert dann noch zu einem sehr langsamen, intimen Folk-Song, der in etwa das Tempo von Bob Dylans „Knockin` On Heaven`s Door“ aufweist.

Jesse Mac Cormack hat sich vom akustischen Troubadour über derberen Folk-Rock zum experimentierfreudigen Singer/Songwriter entwickelt. Seine Folk-Auswüchse sind genauso ungewöhnlich wie unangepasst und deshalb eine willkommene Duftmarke für die Orientierung innerhalb der Szene. Es wäre wünschenswert, dass er als Trendsetter auch andere Künstler beeinflusst und sich so eine neue Stilverschmelzungs-Kultur durchsetzt. Auf EP-Länge funktioniert das schon ganz famos. Jetzt warten wir auf die erste Veröffentlichung in Albumlänge.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Waiting For Louise - Rain Meditation

Jahresbestenliste 2023

Lesestoff: Pop steht Kopf