Gloria - Da (2017)

Gloria bedient auch mit dem dritten Album den aktuellen, konventionellen Deutsch-Pop-Zeitgeist.
Nachdem der TV-Rebell Klaas Heufer-Umlauf seine Bildschirmaktivitäten mit seinem Kollegen Joko Winterscheidt etwas eingeschränkt hat, gibt es wieder mehr Gelegenheiten dafür, die musikalische Karriere voranzutreiben. Unter dem Namen Gloria veröffentlicht er mit seinem Partner Mark Tavassol, der ansonsten etatmäßig Bassist bei den zur Zeit pausierenden Wir Sind Helden ist, mit „Da“ das dritte Studio-Werk. Eigentlich sollte das Musik-Projekt nur ein Hobby sein, so wurde jedenfalls nach der ersten Platte im Jahr 2013 behauptet. Die kam aber so gut an, dass das musizieren ernsthafter betrieben wurde und mit „Geister“ im Jahr 2015 neue Lieder das Licht der Unterhaltungsindustrie erblickten. Der kommerzielle Erfolg ließ bei Gloria nicht auf sich warten und hat sicher viel mit der Popularität des Sängers zu tun. Aber stellen sich die Leute wirklich ein Album in den Schrank, nur weil sie den Mann aus dem Fernsehen kennen und ihn da unterhaltsam finden? Dieser Anreiz greift nur einmal, wenn sich dann aber Enttäuschung einstellen sollte, zieht das Verkaufsargument kein zweites Mal mehr. Jedenfalls ist es interessant zu beurteilen, ob Gloria auch ohne den Popularitäts-Bonus ihres Frontmannes eine erhöhte Aufmerksamkeit genossen und verdient hätten.
Festzuhalten ist, dass Klaas als Musiker nicht den Clown oder Anarcho spielt, sondern auf Ernsthaftigkeit und Breitenwirkung setzt. Als Fundament dazu wird ein Elektro-Pop-Gerüst aufgebaut, das sich Schlenker in den Folk- und Rock-Bereich offen lässt. „Wir liefern etwas, in dem man sich aufhalten kann. Ein Lied sollte einem das Gefühl geben, für seine Dauer ganz darin eintauchen zu können. So etwas wollen wir den Leuten bringen. Musik ist aber keine Dienstleistung und muss selbstbewusst ihren Platz behaupten können“, erklärt Heufer-Umlauf das Konzept auf der Gloria-Webseite. Diese Aussage bleibt ähnlich nebulös, wie die Inhalte der assoziativ und bildreich aufgebauten Lied-Texte. Aber das gehört zum Konzept: Pseudo-Intellektuell werden Parolen hintereinander gepackt, die isoliert betrachtet einprägende Ausstrahlung hinterlassen, aber keinen zusammenhängenden Sinn verbreiten. Emotionsgeladene Slogans, sympathische Sprüche in Reihe und werbewirksame Lyrik ergeben einen sprudelnden Wortcocktail, der absichtlich die Aufnahmekapazität durch mannigfaltige Eindrücke überfrachtet.
Gloria: Da (Kritik & Stream) - Musikexpress
New Wave-Pop mit Referenzen an Trio und New Order gibt es bei „Der Sturm“ zu hören. Innere Spannung entsteht hier durch den Gegensatz zwischen dem lebhaften Instrumenteneinsatz und dem zurückgenommen eingesetzten Gesang. Ein ansprechender, flotter Auftakt! Bei „Narben“ wird ein ähnliches Prinzip verwendet: Euphorisierende Refrains, Verständnis verkündende Texte und hüpfende Rhythmen verbünden sich bei der Suche nach einem gemeinsamen Nenner, der im Aufbau von bekannten und beliebten Strukturen gefunden wird. Der vertraut erscheinende Mainstream-Disco-Beat bildet dabei den Klebstoff für die einzelnen Bestandteile. Entsprechend den Erwartungen des Mainstream-Geschmacks wird die dazugehörige Poesie mit aufgesetzter Nachdenklichkeit versehen. Die Neue Deutsche Welle der 1980er Jahre feiert bei „Immer noch da“ eine fröhliche Widerkehr: Nena und Ideal verfolgten damals mit ihrem tanzbaren Mitsing-Pop schon ähnliche Chart-Stürmer-Ziele. Deshalb war es konsequent, diesen Track als erste Single auszukoppeln.

Für „Erste Wahl“ produziert das Duo einen flackernden Fake-Karibik-Sound mit Rock-Grundierung im The Police-Stil, der geschickt unterschiedliche Geschwindigkeiten nutzt, um Gleichförmigkeit zu vermeiden. Mit „Süchtig“ kommt Gloria zur Ruhe. Die filigrane Piano-Begleitung, die durch gestopfte Trompeten und eine kaum wahrnehmbare kratzige Gitarre flankiert wird, führt zu einer innigen, tiefgreifenden Stimmung. Hier ist Gloria ganz bei sich. Diese angreifbare Situation wird aber nicht verteidigt, sondern durch zusätzliche Streichinstrumente, taktgebende Drums, einer belebenden E-Gitarre und wolkigen Keyboards aufgebauscht und aufgegeben. Dadurch entsteht dann doch eher ein Klang wie Zuckerwatte: Süß, aber unbekömmlich.
„Einer von den anderen“ ist ein recht unspektakulärer Pop-Song mit rastlos treibenden Zwischensequenzen geworden. Er ringt krampfhaft um Anerkennung, steuert aber letztlich doch zu wenig melodische Substanz bei, um nachhaltig zu beeindrucken. Das Pop-Chanson „Hochhaus“ besitzt die künstliche, durchsichtige Eleganz der New Romantic-Gruppe Spandau Ballet, die mit dem sperrig-melancholischen Deutsch-Rock von Herbert Grönemeyer unter Dach und Fach gebracht wird. „Nie mehr“ klingt wie eine langsamere, ruhigere Folk-Variante von „Der Sturm“. Abgesehen davon zeigt das Stück nochmal auf, dass die beiden gebürtigen Nordwestdeutschen grundsätzlich überzeugender sind, wenn sie in ihrem Sound durch Platz zwischen den Noten Transparenz schaffen und das Tempo im unteren Bereich ansiedeln. Bei „Stille“ vermitteln die stupiden Minimal-Art-Töne zwar einen kalten, mechanischen Eindruck, aber trotzdem wird parallel erreicht, dass das Stück über einen langen Zeitraum hinweg besinnlich wirkt. Sehr schön, wie hier die Gegensätze kombiniert wurden.
Die Musik eignet sich bestens zum nebenbei hören. Man kann dazu mit dem Fuß zum Takt wippen und es wird das Gefühl angeboten, einer angesagten Mucke zu lauschen. Das Wissen darüber, dass es sich um den ProSieben-Star Klaas-Heufer Umlauf als Sänger handelt, erhöht noch den Hipness-Faktor. Wem das genügt, der wird hier gut versorgt. Wer jedoch eine langfristig anregende Wirkung durch anspruchsvolle Musik sucht, der sollte eine andere Anregungs-Quelle wählen. Gloria bietet clevere Gebrauchsmusik, die die Zeichen der Zeit widerspiegelt: Sie holt die Leute beinahe generalstabsmäßig geplant und marketingtechnisch ausgeklügelt bei ihren Sekundär-Bedürfnissen ab. Dabei ermächtigen sich die Musiker einer Rhetorik, die sich nicht inhaltlich festlegt. Dadurch vermitteln sie ein Klima, als wären sie in fast jeder Richtung politisch korrekt sowie sozialverträglich und kritisch distanziert. Oder haben vielleicht sogar die Affen aus dem Gelsenkirchener Zoo die Textfragmente zufällig zusammengestellt, wie es der Klaas-Kumpel Jan Böhmermann für sein Satire-Experiment „Jim Pandzko - Menschen Leben Tanzen Welt“ praktiziert hat?
Emotional verkörpert Gloria die eierlegende Wollmichsau, denn durch die Vorgehensweise des Duos wird eine breite Zustimmung erreicht. Heufer-Umlauf singt jedenfalls in einer Tonlage, die sowohl den verständnisvollen Freund wie auch den mahnenden Bekannten abdeckt. Die Musik vermittelt einen jugendlichen Standpunkt, wird aber oft durch Bestandteile gespeist, die sich schon in den 1980er Jahren bei Partys und in Kneipen bewährt haben: Die Lieder sind zwar nicht direkt dem Schlager zuzuordnen, dennoch sind die Tonfolgen leicht zugänglich, um schnell zu überzeugen. Wenn der Kunde nicht gleich bei der Stange gehalten wird, ist er weg. Hoch lebe die psychologische Marktforschung!
Im Laufe der Zeit schälen sich bei „Da“ ein paar Favoriten heraus, die das Werk tragen. Es fehlte aber wohl an einer selbstkritischen Endkontrolle, sonst hätten es die substanziell weniger attraktiven Tracks wohl nicht auf das Album schaffen können. Diese können bei einer Gesamtlaufzeit von 34 Minuten nicht ausreichend kompensiert werden. Gloria passen auch deshalb in die Zeit, da sie das Verlangen nach sofort zündender Kost, die keine größere Ecken und Kanten aufweist, erfüllt. Nebenbei wird noch der Anschein erweckt, die Texte hätten eine Botschaft zu verkünden. Da der Markt gerade mit solchen Produkten überschwemmt wird, können sich die Gloria-Akteure darüber freuen, dass sie aufgrund ihrer Popularität nicht übersehen werden und so kommerzielle Bestätigung für ihre Arbeit erlangen. Künstlerisch ist jedoch noch Luft nach oben.

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