The Human League - Anthology: A Very British Synthesizer Group (2016)

Kompetent zusammengestellte Werkschau der international erfolgreichen Synthie-Pop-Band.
Nach Mitte der 70er-Jahre bekam die elektronische Pop-Musik durch einen Entwicklungsschub bei Synthesizern, der zu kompakteren, günstigeren und leistungsfähigeren Geräten führte, neuen Auftrieb. Dadurch konnte der Spiel- und Entdeckertrieb junger musikbegeisterter Menschen angeregt und befriedigt werden, die dann den Do-It-Yourself-Gedanken der Punk-Bewegung auf die Pop- und Dance-Szene übertragen wollten. Kraftwerk, Neu!, Cluster und Giorgio Moroder hatten vorgemacht, wie das gehen könnte und David Bowie sowie Brian Eno trugen diese Ideen weiter. Sie alle waren Vorreiter eines Prozesses, der in den 80er-Jahren zu einer Überflutung mit künstlichen Klängen führte, die auch vor der Rock-Musik nicht Halt machte und solche Kuriositäten wie Neil Youngs „Trans“ (1982) hervorbrachte. In diese Strömung wurden auch Phil Oakey (Gesang, Synthesizer), die Programmierer Martyn Ware (Synthesizer) und Ian Craig Marsh (Synthesizer) sowie Philip Adrian Wright (Visuelle Effekte) aus Sheffield in England hineingezogen. Diese gründeten 1977 die Gruppe Human League, die nach einem Begriff im Brettspiel „StarForce“ benannt wurde.
Zunächst produzierten die Musiker Tracks, die die Alternative-Disco bedienten. Aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen über die Zukunft der Gruppe kam es im Laufe der Zeit zu Spannungen in dem Gefüge und dann 1980 zum Bruch. Oakey behielt den Namen und erfand Human League neu. Ware und Marsh gründeten die Produktionsfirma British Electric Foundation und sie machten als Heaven 17, einem politisch geprägten Dance-Music-Act, weiter Musik. Dabei fielen Hits wie „Temptation“ oder „(We Don`t Need This) Fascist Groove Thang“ ab.
The Human League - A Very British Synthesizer Group - Musik an sich
Human League bekam einen modischen Anstrich: So trug Oakey die Haare auf der rechten Seite lang und auf der anderen Seite kurz und galt nicht nur deshalb als Stil-Ikone. Seine neu hinzugenommenen Teenager-Sängerinnen Susanne Sulley und Joanne Catherall waren genauso auffallend durchgestylt. Schrill geschminkt und aufgedonnert gekleidet wirkten sie kühl, aber sexy und passten perfekt in die musikalische Neuausrichtung. Unter New Romantics wurden diese auf Mode bedachten und der Dance-Pop-Szene zuzurechnenden Musiker fortan eingeordnet, auch wenn Oakey immer wieder die angebliche Ausnahmestellung seiner Musik betonte. Steril wirkende, stark rhythmisch betonte Pop-Musik mit leichten, aber höchst wirksamen, eingängigen Melodien trafen den Zeitgeist und füllten Tanzflächen, Hitlisten und Videokanäle. Allein vom Album „Dare!“ (1981) wurden weltweit fünf Millionen Schallplatten abgesetzt und es warf mit „Don`t You Want Me“ einen Mega-Hit ab.

Rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft gibt es jetzt mit „The Human League - Anthology A Very British Synthesizer Group“ eine Zusammenstellung, die an die international erfolgreiche Synthesizer-Pop-Band erinnert und mit Aufnahmen von 1977 bis 2016 bestückt ist. Die Tonträger kommen als Deluxe-Doppel-CD, als Super-Deluxe-Version mit drei CDs und DVD sowie als drei LP-Set in die Läden. Die vorliegende Deluxe-Ausgabe enthält 30 Songs auf zwei CDs. Darunter alle Hitsingles und sieben bisher unveröffentlichte Edits. Zu der Ausstattung gehört auch ein 20-seitiges Booklet, das ein neues Essay von David Buckley und Abbildungen seltener Memorabilien und Fotos enthält.
Von der Musik gefallen besonders die ersten Underground-Disco-Erfolge „Being Boiled“ und „Only After Dark“ sowie die rare Industrial-Wave-Version von Iggy Pops „Nightclubbing“ aus 1980. Außerdem die muntere Pop-Single „Love Action (I Believe In Love)“ und das immer noch coole „Don't You Want Me“. Dann noch die Motown-Soul inspirierte Nummer „Mirror Man“ und die lange Version des merkwürdig leiernden „(Keep Feeling) Fascination“. Nicht zu vergessen „The Lebanon“: Ein energischer Song, der mit den politisch geprägten Liedern von Heaven 17 in Konkurrenz treten wollte, sowie die unschuldig wirkende Ballade „Human“.
Aber nicht alle Lieder aus der Erfolgsphase haben sich über die Jahre hinweg als beständig erwiesen. Da wäre zum Beispiel die Single-B-Seite „Hard Times“, die wie eine uninspirierte Kopie eines The B-52s-Songs klingt oder die Single „Open Your Heart“, die sich billig und abgedroschen anhört. Auf der anderen Seite gibt es auch Titel aus der post-Hit-Phase, die es verdienen, gehört zu werden: Der William Orbit-Remix von „Heart Like A Wheel“ ist knackig produziert, wirkt frisch und kann helfen, Partys aufzumischen. Genauso wie „All I Ever Wanted“, eine der auffälligsten Kompositionen der Spätphase.
Einiges von der Musik der ersten Jahre der Gruppe hat den Zahn der Zeit relativ gut überstanden und kann im Gegensatz zu vielen anderen New Romantic-Formationen auch heute noch ohne Grusel-Faktor angehört werden. Auch wenn die Songs nicht die Welt revolutionieren, so können einige einen Augenblick vom grauen Alltag ablenken und das ist ja auch oft der Sinn von Chart-tauglicher Pop-Musik. Deshalb kann festgehalten werden, dass die Auswahl für dieses Produkt sachkundig zusammengestellt wurde, denn es gibt einen repräsentativen Querschnitt aus Hits und Raritäten über die sich bis heute spannende Karriere der Briten. Wer also tiefer in die Welt von Phil Oakey & Co. eintauchen möchte, als es mit einer herkömmlichen Best-of-Zusammenstellung möglich ist, wird mit dieser Zusammenstellung gut bedient. Auch wenn nicht alles Gold ist, was hier glänzen möchte.

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