Pokey LaFarge – Pokey LaFarge (2013)

Da scheint sich ein neuer Mini-Trend abzuzeichnen, nämlich die Aufbereitung uralter Musiktraditionen, die es schon lange vor dem Rock`n` Roll gegeben hat. Musik aus einer Zeit, in der das Leben hart, das Vergnügen und damit auch die Musik als Gegenpol dazu aber vielfach ausgelassen, lebensbejahend und mindestens unterschwellig lustbetont war. Gemeint sind Vorlagen von frühen Tanzmusikstilen des Jazz wie Ragtime und Swing. Dieser wird auch gerne mit Western-Zutaten zelebriert.

Diese Musik war eigentlich nie ganz tot, sondern nur zeitweise aus dem Fokus des aktuellen Musikgeschehens verschwunden. In den 60er und 70er Jahren wilderten Künstler wie LEON REDBONE, JOHN HARTFORD, GEOFF & MARIA MULDAUR, DAN HICKS und RY COODER durchaus vielversprechend in diesen Gefilden. Selbst zu Zeiten des New Wave gab es Leute wie VIC GODARD, der mit solch einer Ausrichtung auffielen. Und nicht zuletzt hat auch BOB DYLAN mit seinen letzten Werken von MODERN TIMES bis TEMPEST bewiesen, wie gut Musik, die es schon vor dem 2. Weltkrieg gegeben hat, den Zahn der Zeit überstanden hat, wenn sie von kompetenten Leuten revitalisiert wird. Als Vertreter dieser sympathischen und spannenden Entwicklung haben sich in letzter Zeit z.B. C.W. STONEKING, KAT EDMONSON oder MESCHIYA LAKE  & THE LITTLE BIG HORNS positiv hervorgetan.

Der Musiker POKEY LaFARGE wurde als DREW HEISSLER 1983 in Bloomington, Illinois geboren. Er ist aber in diesem Zusammenhang nicht als Solo-Act zu verstehen, sondern tritt vornehmlich als gut eingespielte, äußerst flexible, Freiräume für instrumentelle Feinheiten nutzende Band auf. Dabei werden auch Instrumente eingesetzt, die in der heutigen Pop-Musik eher selten sind, wie Stand-Bass, Banjo, Harmonika, Trompete und Klarinette. Die vorliegende CD kam nicht aus heiterem Himmel, sondern ist schon die fünfte Veröffentlichung, die unter dem Künstlernamen POKEY LaFARGE erschienen ist. Durch das neue Album, dass auf JACK WHITE`s Third Man-Label rausgebracht wurde, wird aber erstmalig ein gehöriger Popularitätsschub angeschoben, weil jetzt durch diese prominente Verbindung neue Käuferschichten erreicht werden. Auch POKEY`s Auftreten im JOHNNY DEPP-Blockbuster LONE RANGER wird seinen Bekanntheitsgrad sicher noch steigern.
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Durch die elastischen, wie live eingespielten Arrangements erreicht POKEY trotz Retro-Orientierung eine zeitgemäße Note. Seine Adaptionen klingen so, als hätte er diese Musik grade erst erfunden. Man hört kein akademisches Gedudel oder kopflastige Improvisationen, sondern Töne, die direkt ins Spaßzentrum oder ans Herz gehen. Das Verhältnis von eher munteren, beschwingten Tracks zu eher verhaltenen, getragenen Stücken ist dabei 8 zu 4. Die erste Single-Auskopplung CENTRAL TIME eröffnet schwungvoll und elegant den Song-Reigen. 


Kleine Gags, wie das RAMONES-mäßige Anzählen bei THE DEVIL AIN`t LAZY tragen zum vergnüglichen Hören bei. POKEY`s erzählender Gesangsstil weist ab und zu ein leichtes Vibrato auf, so wie man es auch von LOUDON WAINWRIGHT III kennt. Bei höheren Tonlagen mutiert er auch mal übergangslos in eine feminine Ausrichtung. Das hört sich dann an, als würde eine andere Person kurzzeitig von ihm Besitz ergreifen. Besonders schön ist das bei LET`s GET LOST geglückt. Hört man z.B. WHAT THE RAIN WILL BRING, dann fühlt man sich stimmungsmäßig in Woody Allen-Filme wie Midnight In Paris versetzt.  POKEY LaFARGE`s Musik macht Laune und bewährt sich bei langen Autofahrten genauso wie im heimischen Wohnzimmer. 

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